RN/8

Anfrage 40/M

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wir finden, es war ein sehr starkes Zeichen, dass Ihre erste Reise Sie in die Ukraine geführt hat. Ihre klare Aussage in der letzten Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses, dass Österreich energiepolitisch nie wieder von Russland abhängig sein darf, finden wir auch absolut richtig, aber genau diese Haltung wird durch das Handeln Ihrer eigenen Regierung konterkariert. 

Wir Grüne haben erst vorgestern hier im Parlament einen Antrag eingebracht, um die russischen Energieimporte bis 2027 zu beenden – die Koalitionsparteien haben dagegengestimmt. Damit hält sich Österreich bewusst die Option für billiges Despotengas offen, und das im Wissen, dass wir aber im Gegenzug damit weiterhin diesen Krieg finanzieren würden, dass wir weiterhin Geld überweisen würden, während Raketen auf ukrainische Wohnhäuser gefeuert werden und damit auch Kriegsverbrechen begangen werden. 

Meine Frage an Sie ist: Wie können Sie es als Außenministerin, als Teil dieser Bundesregierung, außenpolitisch vertreten, dass diese Hintertür offen gelassen worden ist, sowohl gegenüber Ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen als auch gegenüber der Ukraine selbst?

Die schriftlich eingebrachte Anfrage hat folgenden Wortlaut:

„Wie können Sie es außenpolitisch im Rahmen der europäischen Außenminister:innen, aber auch gegenüber der Ukraine vertreten, dass sich Österreich – während in der Ukraine täglich Zivilist:innen durch russische Raketen und Drohnen sterben – gegen ein Importverbot von russischem Gas bis spätestens Ende 2027 ausspricht?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, diese Behauptung, die Sie hier aufstellen, ist nicht richtig. Österreich unterstützt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, bis Ende 2027 russische Energieexporte in die EU zu beenden. 

Lassen Sie mich aber vielleicht ein bisschen weiter ausholen! Gerade zu Beginn des Krieges, als nach wenigen Tagen klar war, dass Russland seine Kriegsziele, nämlich Kiew zu überrennen, dort ein neues Regime einzusetzen, eine russische Marionettenregierung einzusetzen und im Osten, so haben sie sich das offensichtlich vorgestellt, mit Blumen und Fanfaren begrüßt zu werden, nicht aufgeben wird, hätte meines Erachtens viel entschlossener gehandelt werden müssen. Österreich hat das aufgrund der Abhängigkeit von russischem Gas nicht getan; die Grünen waren damals in der Regierung. 

Ich begrüße es, dass es gelungen ist, aber es hat drei Jahre gedauert. Erst Anfang 2025 war es möglich, dass wir uns von russischem Gas befreit haben – durch den Wegfall des ukrainischen Transits –, und jetzt direkt kein russisches Gas mehr beziehen. Die Haltung, meine Haltung, die Haltung meiner Fraktion in den vergangenen Jahren dazu war, glaube ich, immer sehr bekannt. Natürlich ist es so, dass es in unserem außenpolitischen Interesse liegt, sämtliche finanziellen Ressourcen, die es Russland ermöglichen, diesen Angriffskrieg fortzuführen, konsequent auszutrocknen. 

Laut Europäischer Kommission beliefen sich die russischen Energieimporte der EU-Mitgliedstaaten 2024 auf rund 23 Milliarden Euro, das ist durchaus eine enorme Summe. Wir verhalten uns in der Diskussion darüber in der Europäischen Kommission sehr konstruktiv – Sie wissen, dass diese Diskussion sozusagen an der Blockade anderer Länder scheitert und auch in Sachen Nachschärfung im Rahmen eines 18. Sanktionenpakets bis jetzt bedauerlicherweise keine Einigung gefunden werden konnte –, weil ich das für enorm wichtig halte.

Es gibt drei Dinge, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte: Wir sind natürlich auch in der Verantwortung, auf die Frage der Versorgungssicherheit und der Preisstabilität zu schauen. Etwas, das wir vermehrt in die Diskussion mit der Kommission einbringen, ist, bei allen Sanktionen die Frage nach einer ehrlichen Evaluierung, wie die wirtschaftlichen und die Preiseffekte auch in Europa sein werden, zu stellen. Ich glaube, wir sind uns ja einig, dass die Sanktionen den Sanktionierten mehr schaden müssen als denen, die die Sanktionen ausgeben. Das ist der eine Punkt. 

Der zweite Punkt ist einer, den ich nicht verschweigen möchte, weil er so ist: Trotz der Abriegelung von russischem Pipelinegas für nahezu alle europäischen Länder – das ist ja auch deutlich zurückgegangen – wird nach wie vor russisches LNG gekauft, weil es natürlich viel leichter möglich ist als bei Pipelinegas, dass Russland das auch anderweitig verkauft. Also da wird es der Markt sozusagen ermöglichen, für Russland alternative Kunden zu finden. 

Das dritte Thema, das ich jetzt nur einmal ganz kurz erwähnen möchte, ist: Ich glaube, dass die Europäische Union einen taktischeren Zugang wählen muss – einen taktischeren Zugang, der auch bedeutet, sich zu überlegen, was eine Leverage in Verhandlungen sein kann, denn wir sehen ja auch eines: Wir müssen den Druck erhöhen, dass Russland zu Verhandlungen bereit ist. Dieser Druck ist offensichtlich im Moment nicht hoch genug, auch wenn – das muss man schon sagen – die Sanktionen natürlich wirken und die wirtschaftliche Lage in Russland vor allem ohne den militärischen Sektor desaströs ist. 

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage?

RN/8.1

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Sie haben Ihre Antwort auf meine Frage begonnen mit: „Sehr geehrte Frau Abgeordnete, diese Behauptung, die Sie hier aufstellen, ist nicht richtig.“ – Ich korrigiere Sie nur ungern, aber ich muss Sie leider korrigieren, weil es einfach wahr ist, dass die Regierungsparteien am Mittwoch hier gegen den Ausstieg aus russischem Öl und Gas bis 2027 gestimmt haben. Das haben Sie hier getan. 

Ich bleibe bei diesem Themengebiet. Frau Außenministerin, wir beide wissen, dass der Verkauf von fossilen Energieträgern einen sehr erheblichen Teil der Einnahmen des russischen Regimes liefert. Diese Mittel werden nicht „nur“ – unter Anführungszeichen – im Krieg verwendet, den wir jetzt in der Ukraine miterleben müssen, sondern auch tatsächlich in Form von hybriden Angriffen auf die EU, auch von Desinformationskampagnen und Cyberattacken, die unsere westlichen Demokratien destabilisieren sollen und das auch tun. 

Vor diesem Hintergrund will ich Sie einfach fragen: Wie schätzen Sie selber, Sie persönlich die Bedeutung dieser Einnahmen aus Gas-, Öl- und auch Kohleexporten für Russland und für Russlands Kriegsführung und seine Angriffe auf Europa ein? Und welche konkreten Maßnahmen planen Sie und Ihre Bundesregierung, um diese Einnahmequellen zu verhindern und Österreich aus der Abhängigkeit fossiler Energieträger aus Russland zu befreien, vor allem eben auch angesichts der Ablehnung des Importstopps bis 2027 hier im Nationalrat?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, es ist nicht meine Aufgabe und nicht Angelegenheit der Vollziehung, Beschlüsse von Abgeordneten, die hier im Haus getroffen werden, zu kommentieren. Gegenstand der Vollziehung ist aber sehr wohl die Frage, mit welchen Weisungen wir uns im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel genau zu dieser Frage äußern, und ich sage Ihnen gerne noch einmal, dass wir uns konstruktiv zu diesem Vorschlag der Europäischen Kommission eingebracht haben. 

Was Ihr angesprochenes Zusammenspiel zwischen der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland und hybriden Bedrohungen betrifft, da gebe ich Ihnen vollkommen recht: Wir sind erpressbar gewesen. Das ist ein Faktum. Wir sind erpressbar gewesen, weil wir de facto die gesamte Gasversorgung Österreichs von einem einzigen Lieferanten abhängig gemacht haben. In vielen anderen europäischen Ländern war das nicht so der Fall. Man hat aber gesehen – und Sie können sich das auch anschauen –, dass bereits Monate vor dem Krieg mit einer Verknappung der Liefermengen die Preise von russischer Seite in die Höhe getrieben wurden, um Europa schwach zu halten und in die Knie zu zwingen, um im Fall eines Angriffskrieges gegen die Ukraine ja nichts zu tun. 

Nun: Wir haben bewiesen, dass wir wirtschaftlich stärker sind, dass wir es schaffen, uns unabhängig zu machen. Deshalb sind auch diese Sanktionenpakete so wichtig: weil wir natürlich auch die Schlupflöcher stopfen wollen; jetzt etwa zum Beispiel im Bereich des russischen Öls, was die Schattenflotte angeht – das wäre auch ein wichtiger Bereich im 18. Sanktionenpaket und ist auch ein Teil des 17. Sanktionenpakets gewesen –, weil natürlich immer versucht wird, irgendwelche anderen Wege zu finden, wie man das russische Öl doch noch verkaufen kann – unter anderer Flagge – oder eben LNG et cetera. 

Wir sind übrigens auch in einem guten nachbarschaftlichen Dialog insbesondere mit der Slowakei und Ungarn hinsichtlich möglicher Alternativen dort, weil diese beiden europäischen Länder noch als Einzige in dieser Art und Weise von russischem Öl und Gas abhängig sind. 

Aber ich sage Ihnen auch etwas: Dieser Fehler der Vergangenheit, der letzten Bundesregierungen, sich von einem Lieferanten so stark abhängig zu machen, der darf nicht mehr passieren. Daher müssen wir eine sehr aktive Diversifizierungsstrategie fahren. Leider wird uns Gas als sozusagen Brückenenergie auch weiterhin beschäftigen – sogar auch die grüne Ministerin der letzten Bundesregierung hat gesagt, dass wir nicht auf Gas verzichten können –, Diversifizierung ist aber notwendig, im Besonderen der Umstieg auf und der Ausbau von Erneuerbaren, weil erneuerbare Energiequellen für uns Freiheitsenergien sind: Freiheitsenergien, die es uns ermöglichen, uns nicht in die Abhängigkeit von irgendwelchen Despoten auf der Welt begeben zu müssen. Das werden wir als Bundesregierung ganz massiv vorantreiben.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Eine Zusatzfrage seitens Frau Abgeordneter Belakowitsch. – Bitte.

RN/8.2

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Danke schön, Herr Präsident. – Frau Bundesminister, Sie haben jetzt in der Beantwortung der Frage der Kollegin Disoski darauf hingewiesen, dass es einerseits natürlich um die Versorgungssicherheit geht, was fossile Energieformen anbelangt, aber natürlich auch um die Preisentwicklung. Wenn wir uns anschauen, was seit dem Angriffskrieg passiert ist, dann haben wir gesehen, dass Österreich zwar immer weniger - - (Zwischenruf des Abg. Shetty [NEOS].) – Wie bitte? Entschuldigen Sie! Ich weiß nicht, ob Sie das lustig finden, wenn Ihr Klubobmann hier störend dazwischenruft.(Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Shetty [NEOS].)

Wir haben tatsächlich auch gesehen, dass wir immer weniger russisches Öl direkt aus Russland importiert haben, aber Sie wissen auch, dass wir in Wirklichkeit nichts anderes machen, als das gleiche Öl weiterhin über Aserbaidschan oder über die Türkei zu importieren. Das heißt, es ist nur teurer geworden (Ruf: Gibt’s eine Frage auch?), das sehen wir an der Preisentwicklung und das sehen wir natürlich auch an der Inflationsspirale. (Präsident Rosenkranz gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin vollkommen bei Ihnen, Frau Bundesminister, wenn Sie sagen: Wir brauchen erneuerbare Energieformen, die gehören ausgebaut!, aber auch Sie wissen, und das wissen wir alle, all das braucht Zeit; daher meine Frage:

Wann werden Sie den Österreichern tatsächlich reinen Wein einschenken und sagen, dass ein schneller Ausstieg teuer ist und dass er eben nur damit einhergehen kann, dass die Energiepreise nochmals weiter ansteigen werden?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ganz klar ist mir die Frage jetzt nicht. Meinen Sie den Ausstieg generell aus fossilen Energieträgern (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Dem Ums- -! Ja!) und Umstieg auf erneuerbare Energien, oder meinen Sie jetzt weitere Sanktionierungen von etwa Schattenflotten und damit sozusagen die Umschiffung von Sanktionen bei russischem Öl? (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ich hätte es Ihnen noch einmal formuliert, aber okay!)

Ich glaube, man muss auch sagen – ich gebe Ihnen ökonomisch simpel nicht recht –: Russland hat selber die Preise durch eine Verknappung der Liefermengen in die Höhe getrieben, das ist ein Faktum. Sie wissen auch – vielleicht wissen Sie es auch nicht –, dass russisches Erdgas und auch Öl nicht sanktioniert waren. (Zwischenruf des Abg. Kassegger [FPÖ].) Das heißt, die Preise – die Preisvolatilitäten und der Anstieg der Preise – sind nicht, wie Sie das immer fälschlicherweise darstellen, auf die Sanktionen zurückzuführen, sondern selbstverständlich auch darauf, dass Russland und Putin mit diesen Energieträgern auch eine Art hybriden Krieg führt. (Beifall bei den NEOS.)

Die Strategie der Bundesregierung ist ganz klar, auf Versorgungssicherheit auf der einen Seite zu setzen, auf der anderen Seite auf Diversifizierung zu setzen. Es ist auch Teil meiner Aufgabe, durch den Ausbau der diplomatischen Beziehungen den Weg für neue Energiepartnerschaften zu ebnen. Das ist etwas ganz Wesentliches, ich stehe da immer in einem sehr engen Austausch mit dem Wirtschafts- und Energieministerium, weil wir natürlich ein Interesse daran haben, die Versorgungssicherheit auch zukünftig zu günstigen Preisen zu gewährleisten.

Gleichzeitig haben Sie völlig recht: Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der Umstieg auf Erneuerbare geschieht nicht von einem Tag auf den anderen. Wir treiben das jetzt allerdings in einem Tempo voran, das es bis jetzt nicht gegeben hat. Warum? – Weil wir beim Thema Infrastrukturausbau auf Infrastrukturbeschleunigungsgesetze setzen werden, damit es eben für Projekte eine raschere Genehmigung gibt. Es kann ja nicht sein, dass solche wichtigen Projekte, die uns letztlich Freiheit und Sicherheit bieten und uns auch im Kampf gegen den Klimawandel unterstützen, Jahre und Jahre und Jahre dauern. Wir müssen da schneller werden. 

Das ist auch etwas, das ich sehe, wenn ich mich in der Welt bewege: Dann sehe ich ja, mit welcher Skalierung und Dynamik vor allem auch weltweit auf den Ausbau von Erneuerbaren gesetzt wird. Ich glaube, auch in Österreich können wir das schneller und besser und werden das auch schaffen! (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Michael Hammer [ÖVP] und Bayr [SPÖ].)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur Anfrage 32/M des Abgeordneten Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.