RN/113

17.01

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Danke, Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Stellen Sie sich ein Klassenzimmer im Frühsommer vor. Eine Lehrerin schreibt etwas an die Tafel, die Schülerinnen und Schüler stecken sich unter den Bänken Zettelchen zu, sie kichern, die Sonne scheint durchs Fenster. Und in wenigen Augenblicken ist davon nichts mehr übrig – nichts. Zehn Menschen, zehn ausgelöschte Leben, zehn Familien, deren Welt in Scherben liegt. 

Das sind keine abstrakten Zahlen, das sind keine Statistiken, das war Graz. Das war der 10. Juni. Das war ein schockierender Massenmord, der unsere Gesellschaft erschüttert und eine Stadt traumatisiert hat. Dieser Tag war die bislang sichtbarste Wunde in einer viel größeren Blutspur in unserem Land – denn Graz ist kein Einzelfall.

Gewaltschutzexpertinnen, Gewaltschutzexperten warnen seit Jahren und weisen darauf hin, dass die Zahl der mit legalen oder illegalen Schusswaffen verübten Frauenmorde steigt. Es waren in den letzten fünf Jahren 40 Frauen; 40 Frauen, die in den letzten fünf Jahren erschossen worden sind. Eine Studie aus dem Jahr 2023 belegt das und zeigt: Wir haben ein wachsendes Problem mit Schusswaffengewalt in unserem Land. Und die Studie zeigt auch: Viele der Täter waren vorher auffällig.

Wir Grüne kämpfen deshalb seit Jahren, seit über 20 Jahren für schärfere Waffengesetze. Wir haben hier im Haus Anfragen gestellt, wir haben Anträge gestellt, wir haben Diskussionen geführt. Wir haben appelliert und gefordert: Machen wir was! Verschärfen wir das Waffengesetz! Wir haben als Grüne in der letzten Gesetzgebungsperiode mühsam, wirklich mühsamst der ÖVP Verbesserungen abgerungen. Die Maßnahmen, die heute hier beschlossen werden, waren vorher aber nicht möglich. Und jetzt sind sie möglich. Jetzt ist das, was jahrelang gefordert worden ist, möglich, nicht aus Einsicht, sondern aus Zwang, weil all die Frauenmorde, die Warnungen, die Studien, die Beweise nicht gereicht haben. Erst der Massenmord in Graz, erst zehn Tote, dann beginnt das Umdenken. Was das über den Wert von Frauenleben aussagt, macht mich als Frau und als grüne Frauensprecherin wütend. Und ja, diese Wut ist feministisch! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist die Wut über ein System, das jahrelang zugesehen hat, die Augen verschlossen hat, die Ohren verschlossen hat, nicht hören, nicht sehen wollte, während Frauen erschossen worden sind. Das ist meine persönliche Wut über Politiker, die mit Ausreden wie: Es ist zu kompliziert!, oder: Ich bin nicht zuständig!, vertröstet haben. Das ist meine Wut über all jene, die hier sitzen und meinen, die Entwaffnung von Tätern sei ein Merkmal totalitärer Regime, während unsere Kinder, unsere Freundinnen und Mütter erschossen werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schatz [SPÖ].)

Ja, das Gesetz, das heute beschlossen wird, ist ein längst überfälliger Schritt. Viele Vorschläge, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, sind übernommen worden. Der Druck, den wir Grüne hier gemeinsam mit Hunderttausenden Menschen aus der Zivilgesellschaft aufgebaut haben, mit wichtigen Stakeholderinnen, Stakeholdern persönlich – da möchte ich die Gewaltschutzzentren hervorheben –, hat gewirkt. Das ist gut. Danke für euer Engagement, für Ihr Engagement! Aber ich sage auch: Dieses Gesetz bleibt voller Hintertüren. Die Ausnahmen werden zur Regel, zum Beispiel auch bei der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung. Und um diese Lücken zu schließen, bringe ich folgenden Antrag ein und ersuche die Regierungsparteien hier um breite Zustimmung:

RN/113.1

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Schusswaffen in Händen von gewaltbereiten Personen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem im Waffengesetz (WaffG) eine regelmäßige, psychologische Überprüfung festgelegt wird, die auch eine verpflichtende Gefahrenüberprüfung darstellt. Neben der Gefahreneinschätzung einer gewalttätigen oder missbräuchlichen Nutzung von Schusswaffen muss insbesondere auf Muster von Aggression, Impulsverhalten und Gewaltbereitschaft sowie bekannte Risikofaktoren für häusliche Gewalt abgestellt werden.“


Also ja, dieses Gesetz ist ein Schritt, aber es ist meilenweit davon entfernt, mutig zu sein. Auch das möchte ich betonen. Mutig wäre es gewesen, den Waffenbesitz für Privatpersonen zur absoluten Ausnahme zu machen. Das wäre mutig gewesen, denn wir wissen: Je weniger Schusswaffen in Nachtkastln oder unter dem Kopfkissen unseres Landes schlummern, desto besser ist es, desto sicherer ist es. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Im Nachtkastl?! ... Im Nachtkastl darf man sie aber nicht haben, Frau Kollegin!)

Schusswaffen haben in einem Zuhause einfach nichts verloren. Sie haben dort nichts verloren, aber die Bundesregierung ist nicht mutig, sie bleibt auf halbem Weg stehen. Sie spricht darüber, wie Waffenbesitz besser organisiert werden kann. Die Bevölkerung ist schon längst weiter. Über 70 Prozent wollen ein Schusswaffenverbot im privaten Bereich, übrigens auch Ihre Wählerinnen und Wähler, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ.

Ich verspreche Ihnen, wir Grüne werden nicht aufhören, wir werden weiterhin Druck machen, bis das Recht auf Waffen tatsächlich nicht mehr mehr gilt als das Recht auf ein sicheres Leben. (Beifall bei den Grünen.)

17.07

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/113.2

keine Schusswaffen in Händen von gewaltbereiten Personen (123/UEA)

Präsident Peter Haubner: Der von Abgeordneter Disoski eingebrachte Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung. 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Ich stelle Ihre Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.