RN/23

11.20

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Danke, Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Rednerin stellt ein Tischbanner der Europaflagge auf das Redner:innenpult.) Heute haben wir etwas erlebt, das wir aus den vergangenen fünf Jahren schon zur Genüge kennen: Die FPÖ hat sich hier rausgestellt und versucht, die Europäische Union für alles Mögliche verantwortlich zu machen – von der Inflation bis hin zur, in ihrer Formulierung, kriegstreiberischen Unterstützung der Ukraine. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Für die Inflation sind Sie mitverantwortlich!) Diese Kritik verfehlt nicht nur die Realität, sie verschleiert auch Verantwortung. Deshalb will ich hier einige Dinge klarstellen und im Gegensatz zur FPÖ ein klares Plädoyer für ein starkes Europa halten.

Ich beginne mit der Asyl- und Migrationspolitik: Ja, die Herausforderungen sind groß. Niemanden von uns lassen die Bilder von Menschen kalt, die an den europäischen Grenzen Schutz suchen, die vor Kriegen fliehen, die vor Verfolgung fliehen, die vor Armut fliehen und dabei oft ihr Leben riskieren. Aber wer glaubt, dass wir diese Herausforderungen mit nationalstaatlichen Alleingängen nach ungarischem Vorbild mit Zäunen oder mit plattem Populismus lösen können, der irrt gewaltig. 

Migration ist eine globale Realität, das heißt, sie erfordert globale Antworten und eine geeinte europäische Stimme. Europa braucht hier eine Stimme, die jene schützt, die Schutz brauchen, und eine Stimme, die sich nicht scheut, klar auszusprechen, wenn Schutzgründe und damit auch ein Aufenthaltsrecht nicht vorliegen. 

Diese Balance funktioniert nur dann, wenn die europäischen Staaten der Vision eines geeinten, eines starken demokratischen Europas folgen. Die FPÖ will aber genau das Gegenteil davon. Sie steht für Spaltung, für Verzwergung und für kleingeistigen Nationalismus der Marke Festung Österreich. (Zwischenruf des Abg. Steiner [FPÖ].) 

Parallel zu den Herausforderungen, die wir im Bereich der Migration erleben, sehen wir vor allem auch die Auswirkungen, die Russlands Krieg gegen die Ukraine hier für uns alle hat. Russland setzt Gas und Öl als Waffen ein. Sie spekulieren mit den Preisen, sie treiben sie in die Höhe und sie haben ein Ziel: Sie wollen unsere Solidarität mit der Ukraine zerstören, sie wollen diese Solidarität brechen. Und diese Strategie, die der Kreml verfolgt, betrifft uns alle: Sie betrifft die Familie, die mit hohen Preisen zu kämpfen hat, genauso wie die Industrie, die um ihre Wettbewerbsfähigkeit ringt. 

Aber welche Antworten liefert die FPÖ darauf? – Sie schlagen vor, dass wir vor Putin knien, so wie das einst Ihre Außenministerin getan hat. Sie wollen, dass wir wegschauen, wenn ukrainische Kinder verschleppt, Frauen vergewaltigt und Zivilist:innen getötet werden. Und Sie diffamieren die Unterstützung für die Ukraine als Kriegstreiberei. Das heißt, Sie diffamieren hier alle Werte, die Europa ausmachen: Freiheit, Demokratie, die Achtung der Menschenrechte. Diese Diffamierung werden wir hier in diesem Hohen Haus nicht zulassen. (Beifall bei den Grünen.) 

Die Inflation wurde angesprochen. Ja, die Preise sind gestiegen, das belastet auch viele Menschen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Das hat nichts damit zu tun!) Aber die Behauptung, der Euro oder die EU seien daran schuld, ist doch bitte nur falsch und zynisch, das wissen Sie ganz genau. Die Inflation wird durch globale Krisen getrieben, eine Pandemie, die Lieferketten weltweit erschüttert hat, und Putins Krieg, der die Energiepreise explodieren ließ. Auch Sie, Herr Klubobmann Kickl, wissen das, aber Sie weigern sich beharrlich, das zu benennen, weil ausgerechnet Ihre Partei, die hier am lautesten und am schärfsten und am stärksten immer diese Inflation anprangert, einen Freundschaftsvertrag mit Putin hat. Deshalb schweigen Sie zu seinen Kriegsverbrechen. Deshalb kritisieren Sie stattdessen lieber die EU, und zum Drüberstreuen belügen Sie die Menschen in Österreich über den eigentlichen Grund der Inflation. – Kollegin Fürst, Sie haben das Wort „Heuchelei“ verwendet. Das ist Heuchelei – und dafür sollten Sie sich schämen. (Beifall bei den Grünen.) 

Während die FPÖ hier die EU verteufelt, zeigt ein Blick nach Georgien, wie fragil Demokratie sein kann. Wir sehen aber auch gleichzeitig die Stärke jener Menschen, die für ihre Freiheit einstehen: die Georgierinnen und Georgier, die auf die Straße gehen, die gegen eine autoritäre Regierung demonstrieren, die sie wieder in den Einflussbereich von Russland zurückziehen beziehungsweise dort halten möchte. Das sind Menschen, die für Menschenrechte, für Demonstrationsfreiheit, für Presse- und Meinungsfreiheit, für Rechtsstaatlichkeit, für ihre europäische Zukunft auf die Straße gehen. Ihr Mut sollte für uns alle ein Appell sein, wachsam zu bleiben, wenn demokratische Werte bedroht werden, und unsere Antwort sollte es sein, sie in voller Solidarität zu unterstützen und ihnen eine starke europäische Perspektive zu bieten. 

Die Herausforderungen unserer Zeit, die wir hier im Parlament, im Hohen Haus sehr oft gemeinsam diskutieren – der Erhalt unserer Lebensgrundlagen, die Energiekrise, der Krieg –, sind nicht national lösbar. Die Antworten liegen in einem starken und geeinten Europa, in einer EU, die Mut zeigt, die Mut macht, die solidarisch ist und nicht vor Populismus, vor Despoten und vor Autokraten kniet. Und wer wie die FPÖ die EU und Europa permanent nur schlechtreden und schlechtmachen möchte, der verrät nicht nur die Errungenschaften der Europäischen Union, sondern auch all jene, die gerade jetzt für europäische Werte und für ein Leben in Europa kämpfen. 

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren. Die Zukunft, die wir unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen, wird, auch wenn sich das die FPÖ noch so sehr wünscht, nicht in Moskau geschrieben. (Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen.) Sie wird in Brüssel, in Wien, in Kiew und in Tiflis geschrieben, nämlich von all jenen, die an die europäische Idee glauben. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Zukunft durch Spaltung, Zynismus und Populismus zerstört wird. (Beifall bei den Grünen.) 

11.26

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.