RN/103
15.13
Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung Eva-Maria Holzleitner, BSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Gewaltschutz und die Sicherheit von Frauen und Mädchen sind niemals abgeschlossene Aufgaben, kein singuläres Projekt, unter das man nach getaner Arbeit ein schnelles Häkchen setzen kann. Gewaltschutz benötigt kontinuierliche, harte politische Priorisierung, um ein Recht auf ein gewaltfreies Leben tatsächlich auch zu ermöglichen. Deshalb danke ich Ihnen, werte Abgeordnete, dass wir hier an dieser Stelle auch über Gewaltschutz diskutieren – eine Tradition, die das österreichische Parlament mittlerweile auch schon lange lebt; die zwei Themen Gewaltschutz und Sicherheit von Frauen und Mädchen stehen regelmäßig auf der Tagesordnung und werden auch durch diesen Dringlichen Antrag vor den Vorhang geholt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Die letzten Berichterstattungen zu Frauenmorden, zu Femiziden, zeigen uns auf grausame, widerwärtige, abscheuliche Art und Weise, dass wir niemals schweigen dürfen, wenn Frauen ermordet werden, dass wir nicht wegsehen dürfen, wenn Gewalt passiert. Durch die Diskussion zur parlamentarischen Primetime im Rahmen einer Dringlichen Debatte ermöglichen Sie genau die Aufmerksamkeit, die dieses Thema auch benötigt.
Es ist wesentlich, dass alle von Gewalt betroffenen Personen wissen, dass es Expertinnen, Experten, Einrichtungen gibt, die ihnen zur Seite stehen, die sie unterstützen, wenn sie Gewalt erfahren oder Gewalt im Umkreis erleben. Deshalb, werte Zuseherinnen und Zuseher, wenden Sie sich bitte an die Anlaufstellen: an die Frauenhelpline 0800 222 555, an den Helpchat haltdergewalt.at. Wenden Sie sich an die Gewaltschutzzentren in den Bundesländern, an die Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie an die Polizei. Es ist jemand für Sie da, Sie sind in dieser Situation nicht alleine! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Damit diese wichtigen Organisationen ihre wertvolle Arbeit fortführen können, ist es wesentlich, dass politische Vertreterinnen und Vertreter ihnen den Rücken stärken. Das haben wir als Bundesregierung auch getan. Es war vollkommen klar, dass beispielsweise im Frauenressort trotz notwendiger Budgetkonsolidierung keine Kürzungen vonstattengehen. Ich möchte mich deshalb stellvertretend bei den anwesenden Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung, Justizministerin Anna Sporrer und Staatssekretär Jörg Leichtfried, bedanken. Sie sind gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung starke Stimmen für Opferschutz und Gewaltprävention. Damit zeigen wir, dass wir als Bundesregierung gemeinsam diesem Auftrag nachkommen, um Gewaltschutz zu priorisieren.
Klar ist, dass es auch eine eindeutige Benennung dessen braucht, was sich ändern muss: Es ist nicht die Kleidung von Frauen, es ist nicht das Verhalten von Frauen, es ist nicht das Einfordern von Selbstbestimmung, sondern es sind die gewaltbereiten Männer, die sich ändern müssen. Sie sind in der allumfassenden Pflicht, Frauen ihre Sicherheit zu ermöglichen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Denn: Niemand, absolut niemand, hat das Recht, jemand anderem Gewalt anzutun – das ist ein Prinzip, das ist ganz klar –, in keiner Situation, niemals. Das muss ein unumstößliches Regelwerk sein. Gewalt ist niemals okay und der Täter trägt die volle Schuld. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten – auch das muss man sich vor Augen halten – durch Beschlüsse des österreichischen Parlaments durchaus gute gesetzliche Grundlagen geschaffen, um Gewaltschutz bestmöglich auf gesetzlicher Ebene zu verankern, beginnend mit der Familienrechtsreform 1970, als die Selbstbestimmung von Frauen verankert worden ist. 1975 kam die Fristenregelung, das erste Gewaltschutzgesetz wurde 1997 in Österreich eingeführt, und wir feiern auch das 30-jährige Jubiläum des ersten Gewaltschutzzentrums in Graz, in der Steiermark, das 1995 eröffnet wurde.
2007 gab es den ersten Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel. Die Unterzeichnung der Istanbulkonvention fand in Österreich bereits 2011 statt, Abgeordnete dieses Hauses haben dabei maßgeblich, als wesentliches Instrument mitgewirkt, um auch Gewaltschutz zu adressieren und die Wichtigkeit hervorzustreichen, wodurch 2014 der erste Nationale Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen und Mädchen erstellt wurde. Schon damals wurde erkannt, dass Gewaltschutz tatsächlich alle Ministerien betrifft und es auch alle braucht, um entsprechende Handlungen zu setzen. 2015 wurde Grapschen unter Strafe gestellt und 2016 wurden weitere Verschärfungen im Sexualstrafrecht beschlossen. 2021 wurde die Täterberatung eingeführt und 2024 wurden Gewaltambulanzen gesetzlich verankert.
In diesem Jahr – sehr geehrte Abgeordnete, ein großes Dankeschön auch dafür – gab es bereits einen breiten Konsens für die Verschärfung der Waffengesetze in Österreich, die Einführung des sogenannten Dickpic-Paragrafen und auch das klare Eheverbot unter 18 – alles wichtige Beschlüsse im Bereich des Gewaltschutzes, die bereits in den letzten Monaten durch Sie, werte Abgeordnete, gefasst wurden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)
Dennoch – Frau Klubobfrau, Sie haben die Zahlen bereits erwähnt –, die Bilanz verdeutlicht es: Es darf deswegen nicht auf die Stopptaste gedrückt werden.
Wenn jede dritte Frau in Österreich in ihrem Leben Gewalt erlebt, Femizide verübt werden, neue digitale Formen der Unterdrückung, der Gewalt, von Übergriffen hinzukommen, dann müssen wir Taten setzen, dann kann eben Gewaltschutz niemals ein starres Projekt sein. Wenn andere Länder neue Gesetze einführen, ja, dann müssen wir hinsehen, denn wir wollen auch von den Besten lernen, wenn es um den Schutz von Frauen und Mädchen geht. Deshalb war es auch für die Bundesregierung ab dem Tag eins vollkommen klar, dass wir dazu durch die Neuauflage des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen und Mädchen auch einen weiteren Beitrag leisten wollen, denn Gewaltschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und alle Ressorts müssen gemeinsam zusammenarbeiten.
Wir haben diesen Schulterschluss schnell auf den Weg gebracht. Acht thematische Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen haben gearbeitet, unterschiedliche Ministerien haben bewusst Leitungsfunktionen übernommen. Es waren wirklich alle mit am Tisch: von Justiz über Inneres, Familie, Sport, Kultur, Bildung, Arbeit, Gesundheit bis Wirtschaft – um hier nur einige zu nennen.
Was für uns im Prozess auch wesentlich war ist Brücken bauen. Gewaltschutz endet nicht an Bürotüren, wir müssen die Expert:innen, die entsprechenden Organisationen auch einladen, mitzuarbeiten. Das haben wir getan. Wir haben die Hand für ein umfangreiches Projekt ausgestreckt, für einen umfangreichen Dialog mit Beratungsstellen, Polizei, Opferschutzeinrichtungen, Selbstvertretungsorganisationen. Sie waren eingebunden, und das war uns von Beginn an wichtig, denn Gewaltschutz ist in den unterschiedlichsten Lebenslagen und Lebensformen notwendig und wurde entsprechend diskutiert, egal ob es Gewalt in den eigenen vier Wänden ist – das ist nach wie vor der gefährlichste Ort für die Frauen in einer Partnerschaft, dort finden viele Gewalttaten statt –, ob es Gewalt oder Übergriffe im Job, in der Ausbildung oder auch im öffentlichen Raum sind.
Gleichzeitig muss man natürlich auch Rücksicht auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten, Probleme, mit denen Frauen konfrontiert sind, nehmen. Ältere Frauen haben andere Bedingungen, sehen sich mit anderen Problemlagen konfrontiert als Mädchen, als Frauen mit Behinderung, als Frauen mit Migrationshintergrund. All diese Lebensrealitäten zeigen, wie komplex und umfassend Gewaltschutz und auch Prävention gedacht werden müssen, gesehen werden müssen.
Gleichzeitig haben wir im Regierungsprogramm umfassende Maßnahmen zum Thema Gewaltschutz ganz klar verankert, mit klaren Schwerpunkten von der Überarbeitung des Sexualstrafrechts – konsequenterweise diskutieren wir dort auch über die Einführung von Nur Ja heißt Ja, das ist vollkommen selbstverständlich – bis hin zur verstärkten Prävention von Beginn an, um Gewalt auch tatsächlich an der Wurzel zu packen. Der Ausbau der Gewaltambulanzen ist ebenso verankert wie der Schutz von Mädchen und Frauen im digitalen Raum – Stichwort Deepfakes – wie die Prüfung von rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Gesundheitseinrichtungen, zur Einführung sogenannter Schutzzonen, wie es auch in Ihrem Antrag klar formuliert ist.
Wir alle wissen auch, dass eine der wirksamsten Maßnahmen im Kampf gegen Gewalt die Unterstützung von Frauen in ihrer Selbstständigkeit, in ihrer Selbstbestimmung, in ihrer ökonomischen Unabhängigkeit ist, damit Frauen gehen können, wann immer sie wollen, weil es ihre eigene Entscheidung, ihre freie Entscheidung ist, die sie zu jeder Zeit treffen können. Deshalb werden wir auch die Lohntransparenzrichtlinie entsprechend der Fristen im kommenden Jahr 2026 umsetzen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. von Künsberg Sarre [NEOS].)
Wir müssen durch Prävention, durch Aufklärung konsequent daran arbeiten, dass wir in einer Gesellschaft leben, die frei von Gewalt ist. Wir befinden uns aktuell in den letzten politischen Verhandlungen zum Nationalen Aktionsplan. Ja, in aller Offenheit, das ist notwendig, da auch das Frauenministerium nicht im luftleeren Raum agiert. Es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung, die da im Sinne der Frauen und Mädchen notwendig ist. Wie von Beginn an angekündigt werden wir im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt unseren fertigen Plan gemeinschaftlich präsentieren. Der Nationale Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen ist jedoch kein einmaliges Projekt, er ist der Beginn eines langfristigen Prozesses, eines feministischen Schulterschlusses für ein Österreich ohne Gewalt gegen Frauen, denn keine Regierung, egal in welcher Konstellation, kann oder darf ruhen, solange Frauen in Österreich von Gewalt betroffen sind oder Gewalt erleben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Werte Abgeordnete! Lassen Sie mich am Ende auch noch klar festhalten: Gewaltschutz bedeutet, an einem Strang zu ziehen, im Sinne der Opfer, im Sinne der Frauen gemeinsam etwas voranzutreiben, denn jede Frau hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Ich kann mich Ihren Worten nur anschließen, werte Klubobfrau: Ja, die Scham muss längst die Seite wechseln. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
15.25
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Disoski. Ihre eingemeldete Redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.