RN/104
15.25
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin Holzleitner! Frau Justizministerin Sporrer! Herr Staatssekretär Leichtfried! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Frau Ministerin Holzleitner, ich glaube, Sie wissen das, ich schätze Sie persönlich sehr und mit dieser Wertschätzung habe ich Ihnen jetzt zugehört. Ich habe auch schon an dieser Stelle mehrfach meine große Freude darüber ausgedrückt, dass mit Ihnen wieder eine überzeugte, engagierte Feministin im Frauenministerium sitzt. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht für die Frauen im Land, das will ich noch einmal hier an dieser Stelle betonen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Frau Ministerin, mit dieser Wertschätzung, die ich für Sie persönlich habe, habe ich Ihnen jetzt sehr aufmerksam, sehr genau zugehört und ich komme trotzdem nicht umhin, einige Dinge, die Sie hier gesagt haben, aufzugreifen und darauf zu replizieren. Sie haben ja gleich zu Beginn Ihres Amtsantrittes angekündigt, einen Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen umzusetzen. Sie haben auch jetzt noch einmal darüber gesprochen und dessen Präsentation für die nächste Woche in Aussicht gestellt. Wir Grüne haben uns sehr gefreut, als wir gehört haben, dass dieser Aktionsplan kommen soll, denn wir sehen darin quasi eine Fortführung des großen Engagements der letzten Regierung aus ÖVP und Grünen, die, glaube ich, im Gewaltschutz sehr viel zustande gebracht hat. Darauf kommen wir heute später noch zu sprechen, wenn wir uns den Grevio-Bericht anschauen.
Gleichzeitig haben Sie, Frau Ministerin, als Sie Abgeordnete hier in diesem Haus waren, auch von diesem Redner:innenpult aus jahrelang sehr laut, sehr vehement, sehr oft 250 Millionen Euro für den Gewaltschutz und 3 000 neue Stellen im Gewaltschutz eingefordert, mit einer Vehemenz, die ich sehr bewundernswert gefunden habe. Jetzt sind Sie in der Situation, dass Sie demnächst einen Nationalen Aktionsplan vorlegen werden, der ohne einen zusätzlichen Cent mehr an Budget auskommen muss. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie soll das denn Frauen besser schützen, Frau Bundesministerin? Wie soll das Frauen besser schützen? (Beifall bei den Grünen.)
Sie haben sich eingangs bei wichtigen Anlaufstellen – bei Gewaltschutzzentren, bei Frauen- und Mädchenberatungsstellen – bedankt. Wir als Grüne schließen uns diesem Dank an. Wirklich vielen Dank für all diese Arbeit, die sie machen, diese wichtige Arbeit, die eine nicht ganz einfache Arbeit ist, oft auch unter Rahmenbedingungen, die wir alle, glaube ich, uns nur dann vorstellen können, wenn wir die Einrichtungen besuchen. Das habe ich in den vergangenen Jahren sehr ausführlich getan. Deswegen war ich sehr irritiert, Frau Ministerin, gestern einen Artikel im „Standard“ – ich habe ihn mitgebracht – mit dem Titel: „Frauenberatungsstellen in Österreich bangen um ihre Zukunft“ zu lesen. Da schreibt „Der Standard“ – ich darf daraus zitieren, ich habe den Artikel ausgedruckt mitgebracht –:
„Der Sparkurs der Regierung angesichts der budgetären Lage greift derzeit um sich – und trifft besonders jene Gruppen, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind. Spürbar ist dies derzeit bei den Frauen- und Mädchenberatungszentren in ganz Österreich. Ausbleibende oder gestoppte Förderungen von Sozialministerium und AMS führen dazu, dass Beratungen zurückgefahren und Mitarbeiterinnen entlassen werden oder auf Teilzeit umsteigen müssen, berichten am Dienstag Frauenberatungsvereine.“
Das heißt, wichtige Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen schlagen öffentlich Alarm, weil das SPÖ-geführte Sozialministerium und das AMS Förderungen stoppen – stoppen! In anderen Worten: Die Bundesregierung kürzt bei Beratungsangeboten für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen, statt sie auszubauen, obendrein verlieren Beraterinnen ihre Arbeitsplätze. Was dürfen sich vor diesem Hintergrund von Gewalt betroffene Frauen von diesem Nationalen Aktionsplan erwarten, Frau Bundesministerin? (Beifall bei den Grünen.)
Ich weiß schon, nach mir werden Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien hier herauskommen und betonen, so wie Sie es auch gemacht haben, dass es in Zeiten des Spardrucks gelungen sei, das Budget des Frauenministeriums stabil zu halten. Ganz ehrlich: Ist Stillstand der Anspruch, den sich diese Regierung in der Frauenpolitik setzt? Die Frauen in Österreich haben mehr als Stillstand, mehr als das, was Sie als Stabilität bezeichnet haben – Stagnation – verdient. Die Frauen verdienen mehr.
Ja, ganz klar ist, auch in anderen Regierungskonstellationen hätte nach krisengeprägten Jahren, wie wir sie erlebt haben, das Budget konsolidiert werden müssen. Aber wie das geschieht, ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Was sehen wir dabei? – Wir sehen, dass ÖVP, SPÖ und NEOS sich dazu entschieden haben, das Budget auf dem Rücken von Frauen, Kindern und Familien zu konsolidieren; und offensichtlich – wir erinnern uns an diesen „Standard“-Artikel, den ich mitgebracht habe – auch auf dem Rücken der von Gewalt betroffenen Frauen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist schockierend und genauso verantwortungslos. (Beifall bei den Grünen.)
Genau da komme ich zu den Frauen, um die es auch wirklich geht, Frauen wie Sarah, Marina oder Sabine. Sarah ist 25 Jahre alt, Pflegerin, alleinerziehende Mama. Sie möchte Vollzeit arbeiten, um für sich und ihren Sohn eine finanzielle Grundlage zu schaffen, aber es gibt keinen Ganztagskinderbetreuungsplatz. Das heißt, sie lebt am Existenzminimum. Wie soll sie selbstbestimmt leben, wenn die Grundlagen, die basalen Grundlagen dafür fehlen?
Oder ich spreche von Marina: Sie ist 36 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, lebt in einer stabilen Beziehung, ist ungeplant schwanger. Sie entscheidet sich für einen Schwangerschaftsabbruch, aber schon auf dem Weg zur Klinik wird sie von Menschen, die ihr Kreuze entgegenstrecken und Rosenkränze beten, belästigt. Das heißt, Selbstbestimmung endet in unserem Land an der Straße, wenn politische Entscheidungen keine Sicherheit garantieren.
Ich denke an Sabine: Sie ist 45 Jahre alt, sie gerät in einen Streit mit ihrem Ehemann. Sie spürt, wie seine Wut kippt, sie erstarrt, als er sie gegen die Wand drückt. Wir sehen, Gewalt kommt auch in vermeintlich stabilen Beziehungen vor, und die Politik muss dafür sorgen, dass sich Sabine auf den Schutz in Einrichtungen wie Gewaltschutzzentren, wie Frauenhäusern und auch auf ein Recht, das sie als Frau schützt, verlassen kann.
Diese drei Geschichten, sehr geehrte Damen und Herren, machen deutlich, dass wir viel mehr brauchen als Worte. Wir brauchen wirksame Maßnahmen, die direkt bei den Frauen ankommen – nämlich jetzt, in der Gegenwart. Bei allem Respekt für wichtige Errungenschaften aus dem vergangenem Jahrhundert, die Sie auch angeführt haben, Frau Ministerin: Es geht ums Jetzt und ums Hier, um die Gegenwart. (Beifall bei den Grünen.)
Genau deshalb bringen wir Grüne heute diesen Dringlichen Antrag mit dem Titel „Gewaltfrei leben: Für konsequenten Schutz, klare Gesetze und echte Gleichstellung“ ein, mit drei zentralen Forderungen, die unsere Klubobfrau schon sehr umfassend dargelegt hat.
In aller Kürze: Uns geht es erstens darum, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu stärken, weil wir wissen, dass sie die Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich Frauen auch aus gewaltvollen Beziehungen lösen können. Vor einigen Wochen haben wir den Equal Pay Day begangen und gesehen, dass Österreichs Frauen immer noch um 16 Prozent weniger verdienen als Männer, einfach nur, weil sie Frauen sind. Diese monatliche Abzocke am Gehaltszettel summiert sich im Laufe einer Erwerbsbiografie auf Hunderttausende Euro. Machen wir mit einer umfassenden Lohntransparenz nach skandinavischem Modell endlich Schluss damit!
Zweitens: Schutzzonen vor Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Es fand gerade dieser Gebetsmarathon statt, bei dem Abtreibungsgegner:innen vor Kliniken, vor Einrichtungen Frauen bedrängt und bedroht haben. Ich war mehrfach dort und habe mir ein Bild davon gemacht. Wir Grüne sagen: Es muss doch bitte angstfrei und ohne Belästigung möglich sein, dass eine Frau eine Entscheidung über ihren eigenen Körper trifft und medizinische Betreuung in Anspruch nimmt.
Drittens muss das Sexualstrafrecht konsequent nach dem Nur-Ja-heißt-Ja-Prinzip ausgestaltet werden. Darauf wird meine Kollegin Alma Zadić noch eingehen.
Frau Bundesministerin, wir erkennen an, dass in den vergangenen Monaten etwas passiert ist. Das Dickpic-Verbot ist umgesetzt worden, Sie haben den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen angekündigt. Währenddessen kämpft aber Sarah um Kinderbetreuung, Marina wird auf offener Straße belästigt, und Sabine sieht, dass ihr Nein nicht gewertet worden ist.
In der Realität beschäftigen sich Frauen mit diesen Problemen. Wir schulden es diesen Frauen und all jenen anderen, deren Geschichten wir heute hier nicht erzählen können, dass Maßnahmen nicht nur angekündigt, sondern umgesetzt werden. Deshalb fordere ich Sie dazu auf, unserem Dringlichen Antrag heute hier zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen.)
15.34
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Ecker. Die eingemeldete Redezeit beträgt 5 Minuten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.