RN/143

18.18

Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung Eva-Maria Holzleitner, BSc: Herzlichen Dank, Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Österreich hat 2011 die Ratifizierung der Istanbulkonvention vorgenommen und es wurde schon gesagt: Damit sollen Frauen bestmöglich vor Gewalt geschützt werden. Dafür steht dieses Vertragswerk: Zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Das muss immer politische Priorität sein, muss politische Priorität haben, und genau das wird auch geprüft seitens Grevio, einem Gremium von Expertinnen und Experten: ob die Länder, die die Istanbulkonvention ratifiziert haben, diese Priorisierung auch vornehmen. 

Österreich hat nun auch die zweite Evaluierungsrunde hinter sich gebracht. Die Verbesserungen wurden schon von Ihnen, werte Abgeordnete, erwähnt. Das muss man auch hervorheben, und es ist ja auch gut, dass es da tatsächlich Verbesserungen gegeben hat, gesetzlich und darüber hinaus.

Gleichzeitig gibt es aber weiterhin Verbesserungspotenziale. Die Datenverarbeitung wurde genannt. Und ich denke, dass es da auch wichtig ist – weil sich auch im Regierungsprogramm ein Punkt dazu findet –, sich anzusehen, wie ein Femizid wissenschaftlich definiert wird. Das wird notwendig sein, dass es in Zukunft internationale Vergleichbarkeit geben kann. Damit setzt sich beispielsweise auch eine Arbeitsgruppe bei Grevio, also in diesem Expertinnen- und Expertengremium auseinander. 

Die Zusammenarbeit zwischen Opferschutzeinrichtungen und Behörden soll verbessert werden, auch das ist eine Empfehlung. Die Umsetzungen dieser Empfehlungen sind logischerweise notwendig, um auch effektiven Schutz zu bieten und den Betroffenen entsprechend auch Zugang zu ermöglichen und Gerechtigkeit zukommen zu lassen.

Dass Handlungsbedarf besteht, hat uns vor allem die Medienberichterstattung der letzten Tage wieder vor Augen geführt: mutmaßliche Femizide, Gewalttaten an Frauen aus den unterschiedlichsten Kontexten. Erwähnen möchte ich hier den dramatischen Bericht aus Oberösterreich, wo eine Frau im Rollstuhl mit einem Übergriff, mit Gewalt konfrontiert war. Das zeigt, dass die Facetten von Gewalt sehr vielseitig sind und wir deshalb immer genau hinschauen müssen. 

Die Istanbulkonvention bietet uns hier nicht nur einen Rahmen an, sondern sie stellt einen klaren Auftrag dar: dass wir auch von politischer Seite Gewaltschutz niemals als individuelles Problem abtun dürfen, sondern dass da ganz klar ein strukturelles Problem vorliegt und eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung notwendig ist, um Betroffene zu schützen, um Täter konsequent zu verfolgen und gleichzeitig auch die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt zu bekämpfen. Eine Empfehlung setzen wir gerade direkt um: nämlich die Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen, bei der wirklich alle Ministerien in dieser Bundesregierung beteiligt sind und bei der wir über Ressortgrenzen hinweg auch wirklich gut zusammenarbeiten, im Erstellungsprozess auch zusammengearbeitet haben, bewusst mit Expertinnen und Experten, mit der Zivilgesellschaft und mit den Bundesländern, weil auch die Vernetzung, die Zusammenarbeit, den Austausch eine Empfehlung ist. Im Erstellungsprozess des Nationalen Aktionsplans haben wir das gemeinsam genau so auch gelebt und damit eine klare Empfehlung bereits in Umsetzung gebracht. Wenn wir an einem Strang ziehen, kann auch nachhaltig tatsächlich mehr Schutz garantiert werden. 

Der Grevio-Bericht zeigt unter anderem – und ja, auch das muss lobend hervorgehoben werden –, dass bereits einige Punkte umgesetzt worden sind und insbesondere in der Justiz gute Fortschritte gemacht worden sind. Ja, Justizministerin Alma Zadić hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Das wurde auch von Justizministerin Anna Sporrer, der es bewusst wichtig war, am Gleichbehandlungsausschuss teilzunehmen und dort Rede und Antwort zu stehen, erwähnt. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, weil es wichtig ist, dass im Gewaltschutz tatsächlich über die Parteigrenzen hinweg gut zusammengearbeitet wird – und das ist definitiv auch in Zukunft weiterhin über die koalitionären Grenzen notwendig. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Deckenbacher [ÖVP].)

Das Upskirting-Verbot wurde erwähnt, das ist beispielsweise auch eine Errungenschaft der letzten Legislaturperiode. Wir haben aber auch in den letzten Monaten bereits gute Dinge auf den Weg gebracht, das Dickpic-Verbot wurde erwähnt. Ich möchte hier dennoch noch einmal die wesentlichen Weichenstellungen im Bereich des Waffengesetzes erwähnen, weil es da notwendig ist, hinzuschauen. Waffengewalt ist im Kontext mit Gewalt an Frauen nicht zu negieren. Es kommt viel zu oft vor – ja, in den eigenen vier Wänden, aber auch im öffentlichen Raum, weshalb ein scharfes Waffengesetz ein wichtiger, guter erster Schritt war. 

Genauso haben auch wirklich positive Entwicklungen in den Regionen stattgefunden. Ein Beispiel möchte ich hier erwähnen, weil vorhin bei der Dringlichen Debatte immer wieder der öffentliche Raum angesprochen worden ist: die Waffenverbotszone am Yppenplatz. Auch das sind ganz konkrete Maßnahmen, die wirken und die notwendig sind, um Gewalt in den eigenen vier Wänden, aber auch im öffentlichen Raum zurückzudrängen – klare politische Entscheidungen auf allen Ebenen, auch für den öffentlichen Raum, um wirksam zu schützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wurden die Gewaltambulanzen angesprochen: Im Regierungsprogramm haben wir die Ausrollung klar vereinbart. Abgeordnete Bogner-Strauß hat schon erwähnt, dass Forensikerinnen und Forensiker natürlich ein gewisses Nadelöhr darstellen. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt warten, bis die entsprechende Anzahl auch tatsächlich vorhanden ist. In der Steiermark wird gerade ein telemedizinisches Angebot ausgebaut, damit man sagen kann: Auch andere Krankenhäuser neben Graz können im Notfall wirklich unterstützen, dort kann auch geholfen werden. Es gibt online eine Toolbox zum Thema Opferschutz, damit Gesundheitspersonal sich Wissen aneignen kann und man auch klar sieht, was zu tun ist, wenn man mit Gewalt konfrontiert ist. Ich denke, das sind wichtige Zwischenschritte, bis dann tatsächlich die Gewaltambulanzen auch in allen Bundesländern ausgerollt sind, so wie es im Regierungsprogramm klar vereinbart ist. Wir arbeiten definitiv daran zusammen, dass das rasch passiert und nicht auf die lange Bank geschoben wird. 

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines erwähnen, weil wir, wenn wir über Grevio und die Istanbulkonvention sprechen, natürlich auch die europäische Komponente mitdenken müssen: Es ist dramatisch und sehr enttäuschend, dass in Lettland erst kürzlich die Debatte darüber geführt worden ist, dass man aus der Istanbulkonvention austreten möchte. Das Parlament hat den Beschluss gefasst. Der Präsident hat sein Veto eingelegt. Es haben Demonstrationen für den Schutz und für die Sicherheit von Frauen stattgefunden. 10 000 Menschen sind auf die Straße gegangen und haben sich für Gewaltschutz eingesetzt. Das ist ein Beispiel, damit man sieht, dass nicht alle Regierungen in Europa Gewaltschutz als eine der obersten Prioritäten ansehen – und das ist gerade deswegen enttäuschend, weil auch Abgeordnete dieses Parlaments vor genau zwei Jahren im Rahmen einer Reise der bilateralen parlamentarischen Gruppe in Lettland vor Ort waren und wir uns dort mit Abgeordneten ausgetauscht haben und von dem Prozedere berichtet haben, wenn ein Land durch Grevio kontrolliert wird und dabei ein guter Austausch und nicht irgendein ideologischer Prozess stattfindet, sondern ganz klar der Schutz von Frauen im Vordergrund steht.

Rund zwei Jahre später wäre dieser Schritt beinahe rückgängig gemacht worden, und das zeigt auch, dass Gewaltschutz nicht an den nationalen Grenzen enden darf, sondern wir einen Auftrag haben, Kolleginnen und Kollegen aus Europa und international immer wieder darauf hinzuweisen und uns gemeinsam dafür einzusetzen, dass jede Frau, jeder Mensch international das Recht auf Schutz hat und wir hier als Österreich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir haben, aber auch mit Konventionen wie der Istanbulkonvention als positives Beispiel vorangehen können. Auch das, denke ich, ist wesentlich: europäische Solidarität im Sinne der Frauen, im Sinne der Opfer zu signalisieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines ist schließlich ganz klar, und auch das kann ich nur nochmals wiederholen: Jede Frau hat das Recht auf ein sicheres Leben, jede Frau hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Es ist eine politische Aufgabe, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen und es nicht als individuelles Problem zu behandeln und die Frauen zu beschämen. Das ist ein politischer Auftrag, dem wir alle nachkommen müssen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)

18.27

Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ricarda Berger. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.