Anfrage 63/M

Abgeordneter Christofer Ranzmaier (FPÖ): Herr Minister, wenn selbst Ihre eigenen Regierungspartner – allen voran das ebenfalls von der SPÖ geführte Justizministerium –, die Datenschutzbehörde, der Datenschutzrat, die Wirtschaftskammer, diverse Länder, beide Autofahrerklubs und viele mehr in knapp 100 überwiegend vernichtenden Stellungnahmen vor einer Überwachung durch flächendeckende Kamerazufahrtskontrollen warnen, dann sollten mittlerweile selbst Sie davon überzeugt sein, dass Sie mit diesem Entwurf doch einen Schritt zu weit gegangen sind.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man Maßnahmen zur Videoüberwachung neuralgischer Punkte im Sinne der Sicherheit der österreichischen Staatsbürger in österreichischen Städten ja kaum genehmigt bekommt, entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Sie der Meinung sind, dass es für eine flächendeckende Überwachung und wohl auch Abzocke von Autofahrern dann plötzlich verhältnismäßig und möglich sein soll. Die Maßnahmen sind ja nicht nur technisch unausgereift, sondern es ist datenschutzrechtlich brandgefährlich und nichts anderes als ein Einfallstor für die Citymaut und damit das nächste Kapitel der grünen Bevormundungsideologie, und das ohne die Grünen in der Regierung.

Deswegen meine Frage:

„Weshalb ignorieren Sie die vernichtenden Stellungnahmen zur 36. StVO-Novelle und halten weiterhin an der grundrechtswidrigen Kameraüberwachung von Autofahrern fest?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur Peter Hanke: Sehr geehrter Herr Kollege, ich könnte es jetzt einfach machen und sagen, ich bin nicht Ihrer Meinung, das ist alles gut und richtig so. Ich darf aber dafür natürlich schon ein bisschen intensiver ausführen und Ihnen auch meine Sichtweise dieses Themas darlegen.

Das Ziel der Novelle ist, wie Sie wissen, die Ermöglichung effizienter Zufahrtssysteme für verkehrsberuhigte Zonen, um die Verkehrssicherheit – ein wesentlicher Punkt – zu steigern und die Lebensqualität in Städten und Gemeinden zu erhöhen. – Das ist die Ausgangslage.

Selbstverständlich hat der Datenschutz auch für mich und für uns alle oberste Priorität und wird mit Sicherheit auch im Fokus sein. Am 28. November endete, wie Sie wissen, die Begutachtungsfrist der Straßenverkehrsordnungsnovelle. Insgesamt sind 94 Stellungnahmen eingegangen. Die im Begutachtungsverfahren vorgebrachten – unter anderem datenschutzrechtlichen – Bedenken werden nun umfassend geprüft werden und, so notwendig, auch Berücksichtigung finden, wie es eben möglich ist, weil auch für mich das Thema Datenschutz wirklich von höchster Wichtigkeit ist.

Wie Sie wissen, war die Grundlage für den Gesetzentwurf ein umfangreiches datenschutzrechtliches Gutachten von Prof. Dr. Forgó, das unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur im gegenständlichen Entwurf eine Umsetzung erfahren hat. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Behörde technische, organisatorische und angemessene Schutzniveaus gewährleisten muss. Dabei sind zum Beispiel die Besonderheiten des jeweiligen Einsatzbereiches der automatisierten Zufahrtskontrolle zu berücksichtigen. Bereits im Verfahren zum Erlass der Verordnung ist eine Risikoanalyse des Verordnungsgebers durchzuführen. Zudem sieht das Gesetz eine strenge Prüfung der Voraussetzungen eines solchen Systems vor, damit das also nicht in der Beliebigkeit von Kommunen steht.

Der Verordnungsgeber hat neben der Erfüllung der datenschutzrechtlichen Anforderungen zudem eine Erforderlichkeitsprüfung durchzuführen. Das bedeutet, dass Kameras nur dort zum Einsatz kommen dürfen, wo eine Erforderlichkeitsprüfung die Maßnahmen begründet; eine willkürliche oder flächendeckende Installation ist somit ausgeschlossen.

Am Ende soll eine Sammelnovelle stehen, die sowohl die Verkehrssicherheit und, wie vorhin ausgeführt, die Lebensqualität der Menschen in den Vordergrund zu stellen hat.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage?

Abgeordneter Christofer Ranzmaier (FPÖ): Ich danke für die Antwort, Herr Minister. Ich glaube, wenn Sie jetzt das Gutachten, das erstellt wurde, ins Treffen führen, dann sehen Sie anhand der Stellungnahmen, was die Aussagen in diesem Gutachten – durchaus auch durch entsprechende rechtliche Entgegnungen – wert sind.

Für mich vielleicht noch spannend, wenn wir nochmals darauf zurückkommen, dass wir ja im Bereich der Sicherheit Probleme haben, derartige Systeme überhaupt genehmigt zu bekommen: Jetzt stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn Sie der Meinung sind, wir führen das Ganze jetzt ein, und im Bereich des Verkehrs ist das dann plötzlich alles kein Problem.

Deswegen vielleicht meine etwas unorthodoxe Frage: Glauben Sie, dass man angesichts der datenschutzrechtlichen Vorgaben, die wir in Österreich ja glücklicherweise – und in manch anderem Fall vielleicht unglücklicherweise – haben, überhaupt eine einzige derartige verkehrsberuhigte Zone überwachen kann? Wie gesagt, die Maßnahmen werden ja als sehr, sehr überschießend beurteilt und gerade die datenschutzrechtliche Grundlage des Ganzen durchaus angezweifelt.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur Peter Hanke: Sehr geehrter Kollege! Wir sehen ja mit der Novelle die Ermöglichung. Am Ende muss das alles von den Behörden entsprechend formuliert, erklärt und sichergestellt werden. Datenschutz, wie ausgeführt, ist oberste Priorität. Wir werden alles tun, um die Bedenken, die vorhanden sind, bestmöglich zu glätten. Also: Geben wir diesem Thema eine Chance! Meine Türen sind offen, um offene Fragen, die es noch gibt, zu diskutieren, und wir werden versuchen, am Ende das beste Ergebnis für Österreich und für diese Ermöglichung zu schaffen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Schnabel. – Bitte.

Abgeordneter Mst. Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Minister! Vielen Dank, dass Sie die Maßnahmen hier schon im Detail angeführt haben. Mir kommt vor, dass sich der Kollege von der FPÖ nur sehr oberflächlich mit dem Thema beschäftigt hat und vielleicht auch noch den Urentwurf der grünen Ministerin Gewessler in der Hand gehalten hat, denn wir haben ja im Zuge der Verhandlungen zur Gesetzwerdung oder zur Begutachtung dieses Gesetzes sehr vieles verbessert. 

Wir haben wie von Ihnen angesprochen die Bedarfsprüfung eingeführt. Wir haben die verordnungsgebende Behörde auf Ebene der BHs, der Magistrate festgelegt. Wir haben ein einheitliches Verkehrszeichen definiert, damit die Nutzerin, der Nutzer genau weiß, worum es geht. Die zweirädrigen Fahrzeuge haben wir ausgenommen, ganz bewusst ausgenommen, um eine klare Kontrolle zu ermöglichen. Und wir haben auch festgelegt, dass es im Sinne der Abzocke keine Einzelstraßenüberwachungen geben soll, sondern dass wirklich nur Zentralräume, zentrale Orte und Zonen, überwacht werden dürfen – im Sinne der Sicherheit und der Lebensqualität der vor Ort lebenden Menschen. Es ist ja seit vielen, vielen Jahren ein großes Anliegen vieler Städte, und dort ist es ja hauptsächlich notwendig. 

Das ist ja auch kein rein österreichisches Phänomen, und deswegen auch meine Zusatzfrage: Es gibt ja international und auch auf europäischer Ebene sehr viele Städte, die so ein System in Einsatz haben, die – ich sage es noch einmal – im 21. Jahrhundert, in der Digitalisierung angekommen sind. In welchen Städten oder wo auf europäischer Ebene gibt es schon eine grundrechtskonforme Ermöglichung einer automatisierten Zufahrtskontrolle?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur Peter Hanke: Sehr geehrter Kollege, es geht wirklich, wie Sie gesagt haben, um Verkehrssicherheit und Lebensqualität. Das sollte ja immer unser Fokus sein, und das haben andere europäische Städte bereits vor uns getan. 

Ich darf eine Liste von einigen, die uns allen ein Begriff sind und die viele von uns gut kennen, anführen: Da beginnen wir gleich bei London; Turin, Bologna, Barcelona sind gute Beispiele, wo auch Klimaschutz mit Ernsthaftigkeit betrieben wird und wo eben Lebensqualität an vorderste Stelle zu setzen ist; und wir wollen ebenfalls einen Schritt in diese Richtung machen. 

Ich darf noch zusätzlich ausführen: Viele Städte in Österreich haben uns aktiv angesprochen und ersucht, dass es zu so einer Regelung, zu so einer Ermöglichung kommen möge, um eben individuell eine bestmögliche Aufarbeitung von Klimathemen als auch von Verkehrsthemen zu ermöglichen.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen jetzt zur 10. Anfrage, 66 M, der Frau Abgeordneten Falkner. – Bitte, Frau Abgeordnete.