RN/84

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (315 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung. 

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. 

Erster Redner: Herr Abgeordneter Markus Tschank.

RN/85

14.33

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Wir behandeln heute ein durchaus wichtiges praxisnahes juristisches Thema, nämlich den Missbrauch des Rechtsinstruments der Besitzstörung im Kraftfahrbereich. Es handelt sich um eine Konsensmaterie, also wir werden da die Regierungsvorlage auch entsprechend unterstützen, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir uns als Schutzmacht für die Autofahrer sehen und da auch tatsächlich entsprechenden Handlungsbedarf wahrnehmen. 

Viele Autofahrer kennen die Situation: Sie fahren mit dem Auto, wollen kurz wenden, es bietet sich die nächste Tankstelle oder ein Parkplatz an. Vom Wendemanöver werden dann heimlich Fotos gemacht und wenige Tage später erhalten sie dann eine entsprechende Klagsdrohung oder eine Besitzstörungsklage mit einer Aufforderung von mehreren Hundert Euro, die zu zahlen sind. Viele Bürgerinnen und Bürger lassen sich davon einschüchtern, sie zahlen diese Beträge und hoffen damit, sich weitere Probleme oder höhere Verfahrenskosten ersparen zu können. Das ist, sehr geehrte Damen und Herren, Missbrauch. Zahlreiche private Personen und auch Anwaltskanzleien haben das zum Geschäftsmodell erhoben. Dem muss man entsprechend Einhalt gebieten. Dieser Form der Abzocke werden wir hiermit auch einen Riegel vorschieben. 

Es bedarf eines wirksamen Schikaneverbotes in Gesetzesform. Es geht da um den höheren Rechtsschutz – ich habe es schon gesagt – von Autofahrern in Österreich, um die Verhinderung von Schikanen und auch um einheitliche Regelungen im Sinne der Autofahrer. Nun, die vorliegende Lösung ist ein Versuch, dieser Situation Herr zu werden. Ich hoffe, dass es damit das Auslangen findet. Ich glaube, dass das noch kein Allheilmittel ist, aber, lieber Klaus Fürlinger, der da federführend am Werk war, und auch Frau Bundesministerin: Der Wille steht fürs Werk. Wir hoffen, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Zwei Maßnahmen sind vorgesehen: die Herabsetzung der Tarifbemessung im Gerichtsgebührengesetz und im Rechtsanwaltstarifgesetz. Ziel ist es eben, die Gerichtsgebühren und die Anwaltsentlohnung für unbestrittene Besitzstörungsverfahren zu senken und damit weniger Anreize für schnelle Abzocke zu schaffen und – das ist, glaube ich, auch eine vernünftige Lösung – da einen temporären Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen. 

Derzeit ist der Revisionsrekurs an den OGH im Besitzstörungsverfahren nicht zulässig. Die letzte Instanz sind also die Landesgerichte, die da entscheiden. Jetzt hat man da natürlich unterschiedliche Strömungen in der Rechtsprechung, unterschiedliche Rechtsprechungsergebnisse in den neun Bundesländern. Dies soll sich ändern. Durch die Öffnung soll die oberste Instanz angerufen werden und eine einheitliche Rechtsprechung hergestellt werden. Der OGH sieht das nach meinem Informationsstand positiv. Damit soll ein entsprechender Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung geleistet werden. 

Schauen wir, ob sich das in den kommenden Jahren tatsächlich bessert. Wir werden da auf jeden Fall wachsam sein und auch alternative Lösungen vorschlagen, sollte es tatsächlich der Fall sein, dass sich diese Lösung als nicht ausreichend erweist. 

Was kann eine solche alternative Lösung sein? – Ich habe das im Ausschuss auch schon angesprochen: Die Einführung eines echten Schikaneverbots im Paragraf selber – im § 339 ABGB –, also eine echte gesetzliche Schranke, wäre durchaus eine Möglichkeit, wie man da noch entsprechend verschärfen kann. Eine Schadenersatzpflicht, die man gesetzlich für schikanöse Rechtsanwendung in diesen Fällen vorschreiben könnte, wäre ebenfalls eine zusätzliche Maßnahme, die man da durchaus in Betracht ziehen kann. 

Bis es so weit ist, werden wir diesen gemeinsamen Schritt mitgehen und dazu auch unsere Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.37

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Selma Yildirim, bitte. 

RN/86

14.37

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen hier auf der Galerie! 800 Euro hätte es kosten sollen, weil ein Lenker von einem Kfz sein Navi benutzt hat und irrtümlich über ein Grundstück, das aber nicht als Privatgrundstück erkennbar war, gefahren ist; das hätte er zahlen sollen – ein Beispiel von vielen. Eine Supermarktbesucherin, die – im 13. Bezirk, glaube ich, war das – in Wien irrtümlich über einen Parkplatz, der nicht dem Supermarkt zugeordnet war oder ist, gefahren ist, hat die Aufforderung bekommen, 400 Euro dafür zu zahlen, dass sie umgedreht hat und dann mit einem Reifen über ein fremdes Grundstück gefahren ist. 

Es gibt also eine Reihe, eine Vielzahl von Beispielen, die uns schon länger ein Dorn im Auge sind, die in einer exzessiven Weise Besitzstörungsklagen oder Androhungen einer solchen nach sich gezogen haben. Diesen Missbrauch wollten wir schon letztes Jahr im Mai abstellen, als wir das erste Mal von den Berichten gehört haben. Leider ist es nicht gelungen, dafür Mehrheiten zu finden. Ich bin froh, dass wir jetzt so weit sind – danke, Anna, Frau Ministerin, dass wir dieser missbräuchlichen Anwendung, dieser Abzocke heute einen Riegel vorschieben. Das ist ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sorge der Mehrheit, wir könnten doch das Eigentumsrecht oder das Besitzrecht quasi empfindlich stören, ist unberechtigt. Wir wollen jenen die Profitgrundlage entziehen, die sich irgendwo im Ausland befinden und mithilfe von KI, mithilfe von automatisierten Bildaufnahmen dann reihenweise Menschen auffordern, einen Betrag zu zahlen. Viele haben aus der Sorge, geklagt zu werden, auch wirklich Beträge von 400, 500 Euro und darüber hinaus gezahlt. 

Wir sagen Ihnen: Mit der Gesetzesänderung soll genau diesem Missbrauch ein Riegel vorgeschoben werden. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, gilt ab 1. Jänner 2026, sollte Ihnen noch einmal so ein Schreiben zukommen: nicht bezahlen, auf jeden Fall überprüfen lassen!, und sollte es zu einem Verfahren kommen, sind die Tarife so herabgesetzt worden, dass es für keinen Rechtsanwalt und keine Firma mehr lukrativ ist, ein Gerichtsverfahren anzustreben.

Das gilt im Übrigen wirklich für jene Fälle, die missbräuchlich sind. In allen anderen Fällen ist natürlich nach wie vor zu beachten, dass eine Besitzstörung erfolgen kann. Daher ist meine Bitte auch, Vorsicht walten zu lassen und nicht zu glauben, dass die Besitzstörungsklage jetzt außer Kraft gesetzt worden ist.

Wichtig ist für Sie alle ist: Wehren Sie sich! Wir haben die gesetzlichen Möglichkeiten dafür geschaffen und machen dieser Profitmacherei hiermit ein Ende. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.41

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger.

RN/87

14.41

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP) (mithilfe einer KI-erzeugten Stimmimitation): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als im Zuge meiner Erkrankung unter anderem meine Sprache gelitten hat, habe ich mich auf die Arbeit im Hintergrund zurückgezogen und in den letzten Monaten und Wochen versucht, meine Erfahrung und mein Fachwissen als Rechtsanwalt in die Justizpolitik einzubringen.

Im Zuge meiner Tätigkeit wurde ich dann auf Zero Project aufmerksam gemacht. Ich durfte Herrn Mag. Michael Pichler – übrigens der Bruder der sehr geschätzten Kollegin Scheucher-Pichler – kennenlernen, der mir vorgeschlagen hat, einen Stimmavatar von mir zu erschaffen. Ich gestehe, dass ich anfangs eher skeptisch war. Ich ließ mich am Ende doch überzeugen. Das beste Argument war, dass ich als Beispiel in der Öffentlichkeit dienen sollte und damit anderen Menschen in ähnlichen Situationen Hoffnung geben kann. (Allgemeiner Beifall.)

Wir hatten dann im Rahmen der Justizausschusssitzung einen Testlauf, der ganz gut funktioniert hat, auch wenn Kollegin Zadić meinte, mein Avatar würde sehr wienerisch klingen. Ich versichere, dass wir hart trainieren werden, dass der Avatar ein oberösterreichisches Idiom erlernt. (Allgemeiner Beifall. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.)

Die heutige Premiere im Plenum und damit in der Öffentlichkeit ist dann schon noch einmal etwas anderes – das konnten Sie teilweise der medialen Berichterstattung entnehmen. Mein Dank für diese Premiere gilt nebst dem genannten Mag. Pichler auch Herrn Dipl.-Ing. Morandell, der sich viele meiner alten Reden anhören musste, um meine Stimme nachzubauen. Ein großes Dankeschön an das Präsidium des Nationalrates, das die Tür für dieses Experiment sofort weit aufgemacht hat, und – last, but not least – der besten Parlamentsdirektion der Welt, von der sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr für diese Sache engagiert haben, denen ich noch gesondert meinen Dank abstatten werde. Als Abschluss dieser Einleitung wünsche ich mir, dass der Inhalt der Rede auch beachtet wird, nicht nur die Form der Darbringung. (Allgemeiner Beifall.)

Nun zur Sache selbst, also zum Missbrauch im Abmahnwesen: Wie immer, wenn wir in diesem Haus nolens volens Anlassgesetzgebung betreiben, liegt ein bisher nicht bekannter Verstoß gegen die Rechtsordnung oder ein Missbrauch eines bestehenden Rechts vor. Diesmal sind es Eigentümer von Grundstücken, leider unterstützt von Kollegen aus der Anwaltschaft, die aus vermeintlichen Besitzstörungen ein Geschäftsmodell gemacht haben.

Es ist dies kein Einzelfall, denken Sie an das UWG oder die oftmals unverschämten Forderungen von Fotografen nach dem Urheberrecht. Da werden überhöhte Kosten verrechnet und Schadenersatzforderungen erfunden, um aus Lappalien ein einträgliches Geschäft zu machen. Aus Sicht der Eigentümer ist das ein massiver Missbrauch eines Rechts, aus Sicht der Kollegen immer am Rand von Ehre und Ansehen des Anwaltsstandes, wie es so schön im Disziplinarrecht heißt.

Nachdem einige Bezirks- und Landesgerichte nicht ganz wussten, wie sie mit dem Phänomen umgehen sollten, trat der Präsident des OGH auf und erklärte, der OGH würde gerne einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Judikatur leisten. Dies ist insofern bemerkenswert, als gerade der Zugang zum Höchstgericht bei Sachen, die nicht so eine große Bedeutung haben, gesetzlich eingeschränkt worden ist. Das Bundesministerium für Justiz sprang auf diesen Zug auf, während hier im Haus vor allem beim Eingriff in die Tarife des Rechtsanwaltstarifgesetzes und später des Gerichtsgebührengesetzes hörbares Unbehagen vorhanden war, dies einerseits, weil wir mit dem Eingriff in die Tarife – wie so oft bei Anlassgesetzgebung – die rechtstreue Mehrheit bestrafen, also die Besitzer, die tatsächlich in ihrem Besitz gestört worden sind, und jene überwältigende Mehrheit der Anwaltskollegen, die ihre Kosten korrekt verzeichnen und keine Fantasieforderungen stellen. Das Unbehagen bezog sich auch darauf, dass man als Gesetzgeber für die Vereinheitlichung des Rechtes zuständig ist und nicht Gerichte, die das Recht anwenden sollten, das wir hier beschließen.

Schon der angesehene britische Höchstrichter Lord Jonathan Sumption hat anlässlich seiner Pensionierung vor einigen Jahren in einer viel beachteten Rede vor der Justizialisierung der Demokratie gewarnt, freilich nicht ohne den Hinweis an die Gesetzgeber, bei der Formulierung von Gesetzen sorgfältiger zu sein und mehr auf die Qualität der Gesetze zu achten. Diese wird nur allzu gerne auf dem Altar des politischen Kompromisses geopfert, indem man sich unbestimmter Begriffe bedient oder einfach Dinge auslässt, auf die man sich nicht einigen kann. 

Man darf sich nicht wundern, wenn Gerichte dann in die offenen Gesetzeslücken hineinstoßen und – wohl systemwidrig – Richterrecht anstelle des gesatzten Rechtes schaffen. Ein spannendes Beispiel haben wir heute noch auf der Tagesordnung. Was immer die Gerichte uns zum neuen § 879a ABGB bescheren werden, der von unbestimmten Begriffen getragen ist. Schließlich haben wir uns als Gesetzgeber dann doch noch eingebracht. Ganz ohne materiell-rechtliche Stellungnahme zum Besitzschutz und zum Missbrauch desselben wollte das Parlament doch nicht bleiben.

Ein legistischer Eingriff in das Recht des Besitzes nur wegen allfälliger Störungshandlungen erschien uns allen als sehr schwierig. So gibt es eine Feststellung des Justizausschusses als inhaltliche Handreichung an Gerichte. In dieser sind ein paar Parameter klar definiert: Bei extrem geringfügigen Eingriffen, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet, liegt keine Störung im Rechtssinne vor, und deren Geltendmachung verstößt gegen das Schikaneverbot.

Weiters wird festgestellt, dass geringfügige Eingriffe, wie etwa das einmalige kurzfristige Anhalten, Befahren oder Umdrehen auf einer befestigten Fläche, ohne dass dadurch jemand behindert worden oder ein Schaden entstanden ist, keine Störungshandlung darstellen. (Allgemeiner Beifall.)

Bei Störungen mit einem Kfz haftet der Halter für den Lenker. 

Wir waren im Ausschuss auch der Meinung, dass die getroffenen Maßnahmen ausreichen werden, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, werden wir uns als Gesetzgeber neuerlich damit beschäftigen müssen. Kurios fand ich bei der Debatte über die inhaltlichen Vorgaben die Meinung Einzelner, man möge den Gerichten keine Vorgaben machen. Meine Antwort war eine Frage: Wer, wenn nicht der Gesetzgeber, wer, wenn nicht wir, soll Vorgaben machen und Vorschriften erlassen? (Allgemeiner Beifall.)

Wir als Gesetzgeber hier im Haus sind gefordert, unsere Position mit Qualität zu verteidigen und Rücksicht auf die große Mehrheit der rechtstreuen Bürger zu nehmen, indem wir ihnen das Leben wegen einiger weniger Grenzgänger nicht schwerer machen. Darauf sollten wir jedes Gesetz vor Beschluss prüfen. 

Alles in allem ist das in einem längeren, durchaus qualitativen Dialog gelungen. Es war auch wichtig, die unmittelbar Betroffenen anzuhören, die gesetzlichen Vorhaben vorzustellen und zu diskutieren. Eine Ausschussfeststellung mit dem OGH als Background und einer Auslaufregel nach fünf Jahren sollten reichen, um Missbrauch zu beschränken oder gar zu verhindern.

Das war unsere Premiere. Ich danke für das große Interesse. Die Stimme war der KI geschuldet, die Rede war allerdings zur Gänze aus meiner Feder. Das Urteil, welcher Teil der bessere war, überlasse ich dem geneigten Zuhörer, also Ihnen, meine Damen und Herren! (Allgemeiner lang anhaltender, stehend dargebrachter Beifall.)

14.50

RN/88

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger, vielen Dank für Ihre Wortmeldung und vielen Dank auch für diese Kraft, mit der Sie das auf sich genommen haben, die wir, glaube ich, jetzt auch alle spüren konnten. Sie haben uns allen damit gezeigt, was für Sie politische Verantwortung bedeutet. Wenn man nicht lauter werden kann: standhaft bleiben, auch wenn der Weg ein steiler ist! 

Ich bedanke mich im Namen des Präsidiums – ich denke, im Namen von uns allen – sehr herzlich bei Ihnen. Ich bedanke mich auch bei der Initiative Zero Project und bei der Parlamentsdirektion für diese Unterstützung.

Ich möchte auch, weil ich ihn auf der Galerie gesehen habe, den ehemaligen Abgeordneten Franz Joseph Huainigg im Hohen Haus sehr herzlich begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)


Damit fahre ich in der Redner:innenliste fort. Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Marie Wotschke. – Bitte.

RN/89

14.52

Abgeordnete Mag. Sophie Marie Wotschke (NEOS): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege – er ist jetzt schon draußen –! Es ist wahrlich schön, zu sehen, wie die KI einen so hellen Geist in diesen Saal bringen kann. Ich glaube, dass das ein extrem wichtiger, bedeutender Schritt für dieses ganze Parlament, diesen ganzen Saal und auch für die Frage war, wie wir zukünftig mit solchen Themen umgehen werden. 

Mich freuen die Diskussionen mit Herrn Kollegen Fürlinger immer sehr. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber das ist ja auch das Wesen einer Demokratie und einer Debatte. Es ist schön, diese so führen zu können, und es hat auch im Ausschuss hervorragend funktioniert. Ein großes Lob also an alle, die das möglich gemacht haben. Ich finde den Dialekt ja eigentlich auch ganz schön, aber das ist vielleicht auch meinen Wurzeln geschuldet.

Ja, wir haben eine Gesetzesvorlage, die wir meines Wissens, soweit ich das höre, einstimmig beschließen werden. Kollege Fürlinger hat den rechtlichen Hintergrund schon sehr gut ausgeführt, ich würde es etwas praxisnäher erläutern. Es geht nämlich um einen Fall, der, glaube ich, jeden von uns schon einmal betroffen hat oder potenziell betreffen wird. Man kann sich das sehr einfach vorstellen: Man ist mit seinem Auto oder mit dem Auto eines Freundes unterwegs, natürlich unter strengster Einhaltung der Straßenverkehrsordnung, und dann passiert aber doch ein kleiner Fehler, man ist falsch eingebogen, falsch stehen geblieben, man hat falsch geparkt. Einige Wochen später kommt dann so ein Brief ins Haus, der recht klein wirkt, aber eine recht hohe Geldforderung beinhaltet, ein Brief, der mit den Worten startet: 

Sie haben als Halter des nachfolgend genannten Fahrzeuges den Besitz meines Mandanten wie folgt gestört:

 – dann geht es da weiter und das ist der relevante Passus – 

Um eine Besitzstörungsklage zu vermeiden, erhalten Sie die Möglichkeit,

 – sehr großzügig! –

jetzt 395 Euro

 – in diesem Falle – 

zu zahlen. – Zitatende.

Damit Sie nachher eben nicht vor Gericht müssen und damit das niemand falsch versteht, ist unten noch der Passus angefügt: 

Bitte beachten Sie, dass dies 

 – wenn Sie vor Gericht gehen, wenn Sie Rechtsschutz von den staatlichen Gerichten verlangen würden – 

mit wesentlich höheren Kosten verbunden wäre. – Zitatende.

Es geht genau darum, diesem letzten Satz die Grundlage zu entziehen, die Kostenstruktur gänzlich neu aufzustellen und dafür zu sorgen, dass ich, wenn ich in ein Verfahren gehe, wenn ich den Streit antrete und da nicht widerspreche, jedenfalls deutlich geringere Kosten habe. Damit ist diesem Geschäftsmodell jegliche Grundlage entzogen, und das auf eine durchaus elegante Weise, mit der man es auch schafft, den Schutz des Eigentums zu wahren. 

Ich war da anfangs vor allem in den Koalitionsverhandlungen sehr skeptisch, ob das so geht, aber es geht. Es ist eine Lösung, die wirklich gut ist, eine Lösung, die den Österreicher:innen etwas bringen wird, die ein Geschäftsmodell, das es so nicht geben dürfte, verhindert, ihm sämtliche Grundlagen entzieht und gleichzeitig den Rechtsschutz des Eigentums wahrt.

Ich freue mich, dass wir dieses Gesetz heute wohl einstimmig beschließen werden. – Danke. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Wöginger [ÖVP].)

14.55

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Alma Zadić.

RN/90

14.56

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst möchte ich meinem Kollegen und Vorsitzenden im Justizausschuss für den unglaublichen Elan, mit dem er diesen Justizausschuss führt, und auch für seine humorvolle und energiegeladene Rede heute in diesem Hohen Haus Respekt zollen. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Zum Thema Besitzstörung: Ja, wir werden da auch mitgehen und zustimmen, denn es hat sich in den letzten Jahren aus der Besitzstörung ein Geschäftsmodell entwickelt. Oft werden nach geringfügigen oder erfundenen Privatvergehen teure Besitzstörungsklagen angedroht und mitunter Hunderte Euro kassiert. Mit der klassischen Besitzstörung im Sinne des Gesetzgebers hat das einfach nichts mehr zu tun.

Autofahrer:innen wurden massenhaft wegen Besitzstörung abgemahnt, auch wenn die Autos auf bewusst schlecht gekennzeichneten Privatflächen nur kurz gewendet oder angehalten haben. So drohte vielen Menschen ein sehr kostspieliges, unsicheres Gerichtsverfahren und das halten wir alle, glaube ich, für unfair.

Diesem missbräuchlichen Business muss man einen Riegel vorschieben und das ist, finde ich, mit einer sehr kreativen, prozessualen Lösung auch recht gut gelungen. Es werden Gerichtskosten, Anwaltskosten gesenkt und es wird der Instanzenzug zum Obersten Gerichtshof eröffnet, damit wir möglichst rasch eine höchstgerichtliche Entscheidung in diesem Fall haben. Das finde ich gut und das unterstützen wir voll und ganz.

Etwas skurril finde ich dann aber doch die Ausschussfeststellung. Da muss ich meinem Kollegen Fürlinger widersprechen, weil wir dieser eben nicht zugestimmt haben, weil es sich da um eine materiellrechtliche Lösung handelt. Das heißt, wir als Ausschuss schicken nicht in einem Gesetz – das würde uns ja als Parlament zustehen –, sondern in einer Ausschussfeststellung dem Obersten Gerichtshof eine Art Handreiche, wie wir die Besitzstörung interpretieren würden. Diese Ausschussfeststellung dient aber der Auslegung des Gesetzes und das Gesetz hat in diesem Fall nichts Materiellrechtliches, sondern eigentlich Prozessrechtliches an sich, deswegen haben wir dem Ganzen nicht zugestimmt.

Weil aber die Zivilprozessordnung offen ist, ist uns noch eine Sache aufgefallen: § 328 ZPO regelt die Beweisaufnahme in Zivilsachen. Da steht in Abs. 3 immer noch eine gegenstandslose Klausel drinnen, eine Sonderregel für die Kaiserfamilie, die immer noch in Kraft ist, allerdings gegenstandslos, man wendet sie nicht an: „Mitglieder des kaiserlichen Hauses werden als Zeugen [...] in ihrer Wohnung vernommen.“

Das ist veraltet, man kann es aus Nostalgiegründen belassen, wenn man möchte, aber im Sinne einer Verschlankung des Gesetzes stellen wir folgenden Abänderungsantrag:

RN/90.1

Abänderungsantrag 

der Abgeordneten Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht 315 d.B. des Justizausschusses über die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (301 d.B.) (TOP 9)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben zitierten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf soll wie folgt geändert: 

Dem Artikel 3 wird folgende Ziffer 3 angefügt:

„3. § 328 Abs. 3 entfällt.“


Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.59

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/90.2

Gerichtsgebührengesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Zivilprozessordnung (AA-39)

Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung. 

Nun gelangt Frau Bundesministerin Anna Sporrer zu Wort. – Bitte.

RN/91

14.59

Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich möchte mich sehr herzlich beim Vorsitzenden des Justizausschusses, Abgeordnetem Fürlinger, für diese beeindruckende Rede, die er hier gehalten hat, bedanken. – Sie haben damit gezeigt, wie lebendige Demokratie aussehen kann und was sie leisten kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Shetty [NEOS].)

Zum Inhaltlichen: Es freut mich sehr, dass wir heute mit diesem Gesetzesbeschluss, um den ich hier werbe, Schluss mit der Abzocke von Autofahrerinnen und Autofahrern machen. Wir haben es schon mehrfach gehört. Was machen wir? – Wir sorgen dafür, dass der Missbrauch des legitimen Instruments der Besitzstörungsklage endet. (Präsident Rosenkranz übernimmt den Vorsitz.)

Es sind eben keine Einzelfälle, sondern es wurde systematisch so vorgegangen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer eingeschüchtert und bedroht wurden, nur um Profit zu machen, allein aus dem Anlass, dass jemand falsch gewendet hat oder irgendwo kurz angehalten hat. Mitunter waren die Flächen gar nicht ausgeschildert. Es sind dann Anwaltsschreiben gekommen, in denen mehrere Hundert Euro gefordert wurden, andernfalls würde ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden, das dann noch kostspieliger und nerven- und zeitaufwendiger wäre. Viele Menschen haben leider überwiesen, ohne es prüfen zu lassen, und sind daher einem Geschäftsmodell aufgesessen, das es so nicht geben soll. 

Es tut dem Rechtsstaat nicht gut, wenn legitime Instrumente wie das der Besitzstörungsklage missbraucht werden. Wir entziehen diesem Geschäftsmodell die Grundlage, nämlich den Profit. Wie machen wir das? – Es wurde auch schon erwähnt: Wir machen eine Regelung im Gerichtsgebührengesetz und im rechtsanwaltlichen Kostenrecht, um in diesen Anwaltsschreiben die geforderten Beträge zu minimieren. Wir senken den Anwaltstarif somit auf rund 100 Euro und die Gerichtsgebühren in diesen Fällen auf 70 Euro. 

Wir schaffen auch mit dem Rechtszug zum Obersten Gerichtshof Rechtsklarheit und Rechtseinheitlichkeit. Wir haben schon gehört, die verschiedenen Landesgerichte haben die Frage, ob in diesen Fällen eine Besitzstörung vorliegt oder nicht, unterschiedlich judiziert. Wir wollen das vereinheitlichen und schaffen hiermit einen einheitlichen Rechtsrahmen. 

Es bleibt selbstverständlich dabei, dass dort, wo gerechtfertigte Besitzstörungsklagen eingebracht werden, das Rechtsregime gleich bleibt. Es geht nur um diese illegitimen Kfz-Besitzstörungsklagen. 

Schließlich wird das Ganze mit einer Sunset-Clause auf fünf Jahre zeitlich befristet, und wir sind zuversichtlich, dass der Oberste Gerichtshof innerhalb dieses Zeitrahmens für eine einheitliche Rechtsprechung und für Rechtsklarheit sorgen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich ersuche in diesem Sinne um Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) 

15.03

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Duzdar. Eingemeldete Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

RN/92

15.03

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Es freut mich sehr, dass es heute gelungen ist, hier parteiübergreifend einen Schulterschluss zu schaffen, nämlich vor allem, wenn es darum geht, rechtsmissbräuchlichen Praktiken, die in der Vergangenheit, in den letzten Jahren, wirklich ein enorm hohes Ausmaß angenommen haben, die gegen Verbraucher und Verbraucherinnen, gegen Autofahrer und Autofahrerinnen gerichtet waren, ein Ende zu setzen. Ich glaube, dass das heute ein guter Tag ist. 

Ich möchte mich bei Kollegen Fürlinger bedanken. Ich möchte mich auch bei der Frau Ministerin bedanken, denn was wir erlebt haben, war, dass wirklich ganze Berufsgruppen, private Unternehmen in den letzten Jahren daraus ein Geschäftsmodell entwickelt haben, vermeintliche Falschparker mit überhöhten Abmahnungen unter Druck zu setzen, vorgegeben haben, rechtmäßig zu agieren, und in Wirklichkeit eigentlich gar nicht rechtmäßig gehandelt haben. 

Es sind die Fälle schon kurz aufgegriffen worden: Menschen, die kurz irgendwo anhalten, Situationen, in denen überhaupt nicht ersichtlich ist, dass es sich um Halte- und Parkverbote handelt, Menschen, die mit ihrem Auto kurz gewendet haben, die sich plötzlich mit Mahnbriefen mit Beträgen von über 400 Euro konfrontiert gesehen haben, mit gerichtlichen Androhungen, dass viel höhere Verfahrenskosten anfallen würden, wenn diese Beträge nicht gezahlt werden würde. Und das ist ein Missstand, der in den letzten Jahren auch immer wieder von Konsumentenschützern, von Autofahrerclubs aufgegriffen wurde. Mit diesem Missstand wird jetzt aufgeräumt, und darauf bin ich wirklich stolz. 

Es waren Rechtspraktiken, die wirklich zunehmend dreister, unverschämter geworden sind. Menschen, die einmal diesen Betrag gezahlt haben, waren dann nochmals mit weiteren Briefen konfrontiert, mit der Argumentation, der Betrag sei nicht gewidmet gewesen, mit der Argumentation, man sei dort nochmals falsch gestanden. 

Es hat mehrere Überlegungen gegeben, wie man dieser Situation Herr wird, und ich glaube, dass es gelungen ist, mit wirklich kleinen gesetzlichen Eingriffen diesem Geschäftsmodell die Grundlage zu entziehen, indem man die Gerichtsgebühr senkt, indem man den Anwaltstarif senkt, denn damit schafft man die Möglichkeit, dass ein Gerichtsverfahren, in dem man jetzt klären kann, ob es wirklich eine Besitzstörung oder keine Besitzstörung ist, kostengünstig und niederschwellig ist, und das ist wirklich ein großer Erfolg. Dafür sage ich ein großes Dankeschön. 

Und ich glaube, was damit gezeigt wird, ist, dass die österreichische Bundesregierung bei solchen Fehlentwicklungen eben nicht weggeschaut und gesagt hat: Das sind einfach Kleinigkeiten oder Lappalien, und die Leute sollen selbst schauen, wie sie damit fertig werden, oder sich einen Anwalt nehmen!, sondern dass man solche Fehlentwicklungen ernst nimmt, denn es hat sich nicht um Einzelfälle gehandelt, sondern es waren wirklich viele Menschen davon betroffen. 

Ich glaube, dass man mit dieser Maßnahme jedenfalls das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat gestärkt hat, und daher sage ich nochmals ein großes Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)

15.07

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

RN/93

Abstimmung

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 301 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht. 

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und schließlich über den Gesetzentwurf abstimmen lassen. 

Die Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 3 eingebracht.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir kommen zugleich zur Abstimmung über den gegenständlichen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage. 

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig der Fall.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.