RN/103
Bericht des Justizausschusses über den Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelung bei Befangenheit von Richtern (317 d.B.)
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir kommen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Tschank. Eingemeldete Redezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
RN/104
15.32
Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Vor 25 Jahren wurde vom Meinungsforschungsinstitut OGM der Vertrauensindex zu staatlichen Institutionen eingeführt und seitdem regelmäßig veröffentlicht.
Nach einer aktuellen Erhebung aus dem Jahr 2025 schneidet die Justiz relativ schlecht ab: Wir haben minus sechs Punkte im Vertrauensindex. Fakt ist daher, dass die Bevölkerung letztlich Vertrauen in die österreichische Justiz verloren hat und dass es hier aus unserer Sicht entsprechenden Handlungsbedarf gibt.
Geboten ist aus unserer Sicht, Ursachenforschung zu betreiben und zu prüfen, wo wir die Justiz gemeinsam besser machen können und wie wir das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in den Justizapparat stärken können.
Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag des Kollegen Harald Stefan wollen wir eine Neuregelung der Befangenheitsbestimmungen entsprechend umsetzen, die aus unserer Sicht sinnvoll, gerecht und vor allem zeitgemäß ist.
Viele wissen das vielleicht noch nicht: Die Richter entscheiden in Österreich selber über ihre eigene Befangenheit und darüber, ob sie sozusagen einen Prozess durchführen dürfen oder nicht, und das steht zu einem gewissen Grad im Spannungsverhältnis zum Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 EMRK.
Es liegt ein Interessenkonflikt vor, den der Richter kaum selbst auflösen kann. Er müsste ja bereits den Anschein der eigenen Befangenheit für sich selbst beurteilen und dann freiwillig aus dem Verfahren ausscheiden wollen; und die Praxis zeigt ganz einfach, dass diese Selbsteinschätzung nicht so greift, wie wir uns das an und für sich wünschen.
Praktische Beispiele gibt es zuhauf. Wir haben es auch im Ausschuss immer wieder erwähnt: Ein öffentliches Verfahren, das den Reformbedarf aufzeigt, ist zum Beispiel das Buwog-Verfahren, wo ein Angehöriger einer Richterin sich öffentlich negativ zur Schuldfrage eines Angeklagten geäußert hat; und das ist natürlich, und da, glaube ich, sind wir uns einig, ein absolutes No-Go und darf in einem modernen Rechtsstaat einfach so nicht stattfinden.
Der Falschaussageprozess gegen Sebastian Kurz ist ein zweites Beispiel. Da sind beim Richter diverse Themen, entsprechende Disziplinarvergehen öffentlich geworden, wobei der Richter auch hier nicht von sich aus zurückgetreten ist, die Befangenheit nicht ausgesprochen hat, sondern den Prozess durchgeführt hat.
Es macht insgesamt aus unserer Sicht eben kein gutes Bild, wenn die Befangenheitsregeln in der Form, wie sie sich jetzt darstellen, hier weiter Bestand haben.
Ich frage mich auch: Wieso mache ich mir als Richter überhaupt solch eine Flanke auf? Der Bereich müsste doch an einem Höchstmaß an Sensibilität ausgestattet sein, und es dürfte doch nicht vorkommen, dass gerade in diesem sensiblen Bereich die Richterschaft hier, sagen wir einmal, ein bisschen das Auge zudrückt.
Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus? – Nur zum Vergleich: Also bis auf Österreich und Russland haben alle europäischen Länder eigentlich diese Regelungen abgeschafft, dass der Richter selber über die Befangenheit entscheiden kann. Es entscheidet ein Senat, es entscheidet eine Richtergruppe, die extern ist, die prüft das ordnungsgemäß, und da kommt es dann zur Entscheidung, ob der Richter das Verfahren führen darf oder nicht.
Deswegen unser Appell und auch unser Entschließungsantrag heute: Lassen Sie uns die Befangenheitsregelungen auf entsprechende neue Füße stellen! Richten wir einen unabhängigen Senat ein, der über diese Befangenheitsanträge entsprechend entscheidet! Es soll eben hier ein vom betroffenen Richter unabhängiger Senat entscheiden können. Schauen wir, dass wir klare Befangenheitsgründe einführen, dass wir einheitliche Standards und Fristen für Befangenheitsanträge umsetzen!
Ich verweise darauf: Auch in der ZPO gibt es schnelle Zwischenverfahren, und es ist überhaupt kein Thema, dass diese Verfahren binnen weniger Wochen oder gar Tage abgeschlossen werden können, und auch hier kommt es nicht zu großen Verfahrensverzögerungen.
Transparenz ist wichtig, das heißt, es sollen entsprechende Transparenzmechanismen umgesetzt werden. Und glauben Sie mir, sehr geehrte Damen und Herren, ein transparentes Verfahren garantiert mehr Objektivität und wird sicherstellen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die österreichische Justiz wieder gestärkt wird und wieder wächst. Deswegen mein Appell, unser Appell an Sie: Unterstützen Sie diesen Entschließungsantrag! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
15.36
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Yildirim. – Frau Abgeordnete, 3 Minuten Redezeit sind eingestellt.
RN/105
15.37
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Danke sehr, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte darum, sich von diesen Ausführungen nicht verunsichern zu lassen und dieses Bild nicht unreflektiert und undifferenziert zu übernehmen – als wäre unsere Justiz nicht von Gesetzen, vom Verfassungsrecht gedeckt und würden ihre Entscheidungen nicht auch immer wieder regelmäßig geprüft, sodass in Österreich eine sehr gut funktionierende Justiz mit sehr hohen Vertrauenswerten ihre Arbeit verrichtet.
Ganz, ganz elementar und wichtig ist, hier zu sagen: All das, was hier etwas undifferenziert ausgeführt wird, existiert ja tatsächlich. Es gibt die Möglichkeiten, dass vorgeworfene Befangenheitsgründe geprüft werden, und selbstverständlich wird jede Richterin und jeder Richter zur Stellungnahme aufgefordert.
Ich bin die Letzte, die sagt, man kann nicht weiterentwickeln. Natürlich, man sollte sich das einmal anschauen, auch in der Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz, um zu sehen, ob es da Verbesserungsbedarf gibt.
Aber ich möchte hier zu diesem Antrag der FPÖ anmerken, dass es inakzeptabel ist, Richterinnen und Richter namentlich hier an den Pranger zu stellen. Es geht nicht, dass hier Feindbilder erzeugt werden! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
Die österreichische Justiz hat hervorragende Vertrauenswerte. Aber diese minus sechs Punkte, die Sie hier angeführt haben, sind auch dem geschuldet, dass permanent das Bild der Voreingenommenheit oder politischer Entscheidungen gezeichnet wird. – Und sehen Sie, was Sie mit dem Ansehen einer sehr gut arbeitenden Justiz angerichtet haben! Und das werfe ich Ihnen in diesem Fall vor. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte hier noch einmal den Appell an Sie richten, dass Sie natürlich jede Entscheidung hinterfragen können, aber Rücksicht darauf nehmen sollten, dass es Menschen gibt, die dem Hass im Netz ausgesetzt werden gerade durch Ihre Aktionen und durch das Bild und die Art und Weise, wie Sie das schildern; und das, finde ich, ist nicht gerechtfertigt.
Daher werden wir diesem Antrag nicht nähertreten, nicht nur, weil es natürlich widersprüchlich und missverständlich ist, sondern weil Anträge mit der Standesvertretung der Richterinnen und Richter besprochen, diskutiert gehören, und es gilt, gemeinsam eine Lösung zu finden – und nicht aufgrund von Zurufen und einem falschen Bild, das Sie zeichnen, eine Arbeit, die eigentlich gut funktioniert, dermaßen zu diffamieren. Dagegen verwahre ich mich, und das ist mein Appell an Sie. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
15.40
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stefan. Eingemeldete Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
RN/106
15.40
Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesminister! Die Frau Kollegin von der SPÖ hat gerade so getan, als hätten wir hier pauschal die Justiz in irgendeiner Form angegriffen. Das ist ja überhaupt nicht der Fall. Wir halten immer wieder ausdrücklich fest, dass wir großes Vertrauen in die Justiz an sich haben, dass wir mit dem System sehr zufrieden sind und auch überzeugt sind, dass Österreich da sehr gut funktioniert. Wenn es aber Verbesserungsbedarf gibt, muss man diesen auch ansprechen. Das ist ja keine Pauschalbeschuldigung von Richtern, wenn man sagt, dass in Österreich ein System besteht, in dem – wie schon Kollege Tschank sehr ausführlich erklärt hat – Richter, so wie dies überhaupt nur noch in ganz wenigen Ländern der Fall ist, selbst über ihre Befangenheit entscheiden.
Und ja, es gab – und wir haben das halt in unserem Antrag angeführt, denn man muss ja den Leuten auch klarmachen, worum es eigentlich geht – besonders auffällige Fälle, und die wurden angesprochen. Sie haben jetzt sozusagen alle neugierig gemacht, nachzuschauen, wer denn da jetzt von uns im Antrag genannt wurde, denn angesprochen wurde es jedenfalls nicht – heute hat es hier keiner gehört –, aber es war ja auch in den Medien, es ist nichts Neues. Wir haben da also niemanden an den Pranger gestellt, von dem man nicht schon gewusst hätte, dass er da in sehr öffentlichen Verfahren, sagen wir einmal, in die Kritik geraten ist.
Bitte also die Kirche im Dorf zu lassen. Es geht nicht um eine pauschale Verurteilung, sondern um eine Verbesserung im System der Justiz. Und dass es da ein Problem gibt, wenn jemand über seine eigene Befangenheit entscheiden muss, das ist, meine ich, irgendwie selbstverständlich. Die meisten Richter werden das auch sicherlich sehr verantwortungsvoll machen und sich im Zweifelsfall zurückziehen, aber es gibt eben Fälle, und die hat man ja in der Öffentlichkeit gesehen, in denen man sich wirklich gedacht hat: Warum passiert das, warum zieht sich der nicht zurück?, denn er richtet damit ja doch insgesamt Schaden an, weil in der Öffentlichkeit ja übrig bleibt: Na ja, da gibt es irgendwelche X- oder Twitter-Postings, die negativ sind, über den Angeklagten – und, keine Ahnung, was auch immer –, das ist alles sehr eigenartig. Warum zieht sich der nicht zurück und sagt: Ja, in Ordnung, es soll jemand anderer diese Arbeit machen!?
Also ich glaube, dass wir damit tatsächlich etwas Gutes tun würden. Und natürlich muss man das mit den Richtern besprechen – das widerspricht ja auch unserem Antrag nicht. Dieser besagt ja nicht, dass man das heute machen muss, sondern das ist ein Entschließungsantrag. Wir sagen, wir wollen das in Gang bringen, dann bespricht man das natürlich mit allen, die da beteiligt sind, und dann verbessert man etwas. Unterstellen Sie uns aber nicht etwas, was wir niemals gesagt und auch nicht einmal gedacht haben! (Beifall bei der FPÖ.)
15.43
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grüner. Eingemeldete Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
RN/107
15.43
Abgeordneter MMag. Jakob Grüner, LL.M. (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Meine Damen und Herren! Wir behandeln einen Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei, und ich sage es gleich vorweg und gebe es auch zu und ich habe es mehrmals im Justizausschuss gesagt: Dinge, die – weil es gerade erwähnt worden ist – zu verbessern sind, darf man auch ansprechen, und ich und meine Fraktion sind der Stoßrichtung, die Sie verfolgen, nicht abgeneigt, aber ich sage Ihnen jetzt auch, warum wir, meine Fraktion, Ihren Antrag heute ablehnen.
Wir tun dies aus mehreren Gründen: Ich glaube, es ist schon deutlich festzuhalten – und da repliziere ich auch auf meine bisherigen Beiträge im Justizbereich –: Wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat und den sollten wir uns auch nicht schlechtreden lassen. Die Unabhängigkeit der Richterschaft ist die Grundlage eines funktionierenden Rechtsstaates. Wenn allerdings Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, dass Befangenheiten da sind, dann muss man auch darüber sprechen und dann darf man auch darüber diskutieren, wie man das System verbessern kann, insbesondere auch mit Blick auf andere Rechtsstaaten in Europa, und es gibt dafür Beispiele. Die Meinungen unserer Kammern zu diesem Thema sind ja, da Kollege Tschank und Kollege Stefan aus rechtsberatenden Berufen sind, auch bekannt.
Warum gehe ich heute bei diesem Entschließungsantrag auch nicht mit? – Erstens: Wir haben Ihnen zugesagt oder gesagt, dass wir nicht immer alle Anträge in den Ausschüssen vertagen. Wir haben den heute vorliegenden Antrag auch nicht vertagt, sondern wir haben ihn abgelehnt, und das gibt uns die Möglichkeit, das Thema auch hier zu debattieren. – Punkt eins.
Punkt zwei: Eingriffe in die Justizgesetzgebung sind hochsensibel – ich glaube, dem kann jeder hier zustimmen. Die von Ihnen genannten vier Punkte sind aus meiner Sicht – aber ich maße mir nicht an, das besser zu wissen – in manchen Teilen nicht praktikabel. Die Expertenmeinungen gehen hier auseinander.
Dritter Punkt – und den halte ich für sehr wesentlich –: Sie beziehen sich primär auf das Strafrecht. Was ist mit den Befangenheitsregeln in der Zivilprozessordnung, im Verwaltungsverfahren, im Verwaltungsstrafrecht? Auch darüber gibt es lange Diskussionen in der Lehre, auch in der Richterschaft, dass es da entsprechende Harmonisierungen geben sollte.
Vierter Punkt – und den halte ich für ganz besonders wichtig –: Die Frau Justizministerin und die Bundesregierung haben es im Regierungsprogramm festgeschrieben: Wir haben eine umfassende StPO-Reform vor, 20 Jahre nach der letzten großen StPO-Reform. Solche Dinge, die wesentliche Eingriffe in unsere Justizgesetzgebung sind, sollten dort im gesamthaften System mit behandelt werden. – Frau Bundesministerin, ich nehme an, dass Sie das Thema auch entsprechend mitnehmen.
Fünftens: der Stil des Antrages. Ich muss Kollegin Selma Yildirim recht geben: Das Nennen von Richtern in einer Zeit, in der wir wissen, dass Richterinnen und Richter persönlich angegriffen werden, halte ich für einen nicht so guten Stil.
Sechster Punkt – aber das ist eine persönliche Meinung –: Ob jetzt eine zusätzliche Instanz in jedem Fall eine Erleichterung darstellt und nicht zu weiteren Prozessverzögerungen führt, kann man auch diskutieren.
Ich habe klar gesagt, dass wir das diskutieren müssen, und meine Fraktion sieht hier auch Diskussionsbedarf. Ich habe auch klar gesagt, warum wir den Antrag heute trotzdem ablehnen.
Hohes Haus! Parteipolitik hat in der Justiz nichts verloren, da sind wir uns einig, aber Parteipolitik hat auch und insbesondere in der Justizgesetzgebung nichts verloren, zu keinem Zeitpunkt. Wenn wir uns in der Situation befinden, dass weite Teile der Bevölkerung im Unglauben sind, dass Befangenheiten entsprechend aufgegriffen werden, dann haben wir Diskussionsbedarf. Frau Bundesministerin, ich nehme an, Sie nehmen das im Zuge der großen Reform mit (Bundesministerin Sporrer nickt zustimmend), und ich bitte Sie, dass die Regierung da auch entsprechend liefert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Yildirim [SPÖ].)
15.47
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wotschke. Eingemeldete Redezeit: 2 Minuten. – Bitte schön.
RN/108
15.47
Abgeordnete Mag. Sophie Marie Wotschke (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, ich kann mich anschließen, das Recht auf ein faires Verfahren hat als zentralen Standpfeiler die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter, die auch in jedem Verfahrensstadium zu gewährleisten ist. Wieso sehen wir diesen Antrag trotzdem kritisch, wieso lehnen wir ihn ab? – Aus zwei Aspekten, weil Sie hier zwei Dinge tun, die der Justiz in Wahrheit mehr schaden, als sie ihr bringen.
In Ihrem Antragstext tun Sie erstens so, als gäbe es in Österreich in der Strafjustiz eine reine Selbstentscheidung von Richter:innen bei Befangenheitsgründen, bei Ausschlussgründen, als wären das, wie Sie hier sogar anführen, russische Verhältnisse. Ich finde, dass das höchst despektierlich unserer Justiz gegenüber ist. Das stimmt einfach nicht. Sie vermischen hier die Fakten. Sie nehmen hier einen Sonderfall, nämlich wenn in der Hauptverhandlung Befangenheitsgründe aufgebracht werden, und tun so, als wäre dieser Sonderfall die Regel. Das ist nicht die Regel. Wenn vor der Hauptverhandlung Befangenheitsgründe oder Ausschlussgründe aufkommen, dann werden diese nicht von der Richter:in selbst entschieden, sondern vom Vorsteher oder von der Präsidentin des Gerichtes.
Und auch in dem Sonderfall, den Sie so groß skizzieren, entscheidet die Richter:in nicht alleine, da gibt es ein Rechtsmittelgericht danach. Auch da gibt es eine unabhängige Instanz danach, die entscheidet. Das ist sogar auch in dem von Ihnen angeführten Fall so gewesen: Im Fall von Sebastian Kurz wurde über die Befangenheit des Richters nachher vom OGH entschieden. Ist der OGH denn aus Ihrer Sicht nicht unabhängig? Reicht Ihnen das nicht? Natürlich kann man darüber diskutieren, wie man die Befangenheit in der Hauptverhandlung anders ausgestaltet. Das werden wir auch diskutieren, aber im Rahmen einer Gesamtrechtsnovelle über die Strafprozessordnung, nicht hier mit irgendwelchen Pauschalvorwürfen, mit denen man der Justiz wirklich nichts Gutes tut. (Beifall bei den NEOS.)
Das passiert insbesondere in einer Zeit – es wurde jetzt auch doppelt angesprochen; man muss es einfach betonen, weil es anscheinend noch nicht angekommen ist –, in der Richter:innen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit Entscheidungen treffen, die dann medial kommentiert werden und zu Dingen gemacht werden, die da nie vorgefallen sind, angegriffen werden von einerseits, ja, leider auch Politiker:innen – man muss es so klar benennen –, aber andererseits auch den Medien und der Öffentlichkeit und die dann in der Konsequenz dessen namentlich gegen sie als Person und gegen ihre Familien Drohungen erhalten, Hassbriefe erhalten und mit den schlimmsten Dingen konfrontiert sind.
Uns ist es ein Anliegen, dass man gerne in der Justiz arbeitet, dass wir unsere Justiz schätzen für das, was sie ist, denn wir haben eines der besten Justizsysteme nicht nur in Europa, würde ich sagen, sondern auch weltweit, auf das wir stolz sein dürfen und das wir in dieser Regierung und dieser Koalition auch weiterentwickeln werden, aber sicher nicht auf diese Art und Weise. (Beifall bei den NEOS.)
15.50
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Zadić. Die eingemeldete Redezeit: 2 Minuten. – Bitte schön.
RN/109
15.51
Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist ein wesentliches Element eines jeden rechtsstaatlichen Verfahrens, dass handelnde Organe – eben Richter:innen – nach dem Gesetz und ohne externe Einflüsse jeglicher Art objektiv zu ihrer Entscheidung gelangen können. Diese Bestimmungen über Ausgeschlossenheit und Befangenheit von Richter:innen sichern also die Objektivität der Rechtsprechung.
Gleichzeitig kann es aber natürlich sein, dass durch wiederholte Anträge auf Ausschließung von Richter:innen Verfahren zulasten der Republik und auch zulasten der Opfer zum Teil auch in die Länge gezogen werden. Deswegen gibt es auch Ausschlussregeln, die natürlich in einem gewissen Spannungsfeld zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter und dem Prinzip der festen Geschäftsverteilung liegen. Die kritisierte Konstellation der Selbstentscheidung gibt es nur, wie meine Kollegin vorhin schon ausgeführt hat, in einem einzigen Fall: wenn es erst in der Hauptverhandlung geltend gemacht wird. Also nur dort kann der Richter darüber entscheiden, ob er befangen ist oder nicht, und dagegen gibt es ja dann später auch ein Rechtsmittel.
Aber ich möchte schon noch eine Sache betonen, weil auch Abgeordneter Tschank in seiner Begründung erwähnt hat, dass das Vertrauen in die Justiz sinkt und dass es deswegen weitere Maßnahmen braucht: Ich möchte in Erinnerung rufen, dass nach dem EU-Barometer Österreich im Spitzenfeld liegt, was das Vertrauen in die Justiz betrifft: immer auf Platz zwei oder Platz drei, und das ist das Spitzenfeld im Schnitt. Und ich möchte auch noch in Erinnerung rufen, dass nach demselben EU-Barometer die Vertrauenswerte seit 2016 gestiegen sind: 2016 waren es 77 Prozent und 2025 sind es 86 Prozent der Menschen, die Vertrauen in die Justiz haben, und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen. (Beifall bei den Grünen.)
15.53
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin Sporrer zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
RN/110
15.53
Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben hier einen Antrag vor uns, der mir die Gelegenheit gibt, als Justizministerin über die Richter:innenschaft zu sprechen.
Meine Amtsvorgängerin, Frau Abgeordnete Zadić, hat es, glaube ich, sehr deutlich hervorgehoben: Wir haben ein Justizsystem, das herzeigbar ist, das hohe Vertrauenswerte genießt und das diese Vertrauenswerte auch verdient hat.
Wir alle wissen, dass die Justiz zurzeit in einem sehr schwierigen Umfeld tätig ist. Sie kennen die Forderungen der Richter:innenvereinigung nach mehr Planstellen; aufgrund der budgetären Notwendigkeiten ist das zurzeit nicht möglich.
Ich darf Ihnen versichern: Ich bin bei den Gerichten, ich bin bei den Bezirksgerichten, ich schaue mir die Situation an und sehe Frauen und Männer, die dort unter schwierigsten Bedingungen arbeiten, die die Dienstleistungen, die die Justiz zu erbringen hat, mit hoher Kompetenz und mit hoher Empathie der Bevölkerung gegenüber tagtäglich leisten, auch unter Aufopferung ihrer Freizeit und auch unter Beeinträchtigung ihres Privat- und Familienlebens. Dafür gebührt diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch den Rechtspfleger:innen und allen anderen, die an den Gerichten diese Arbeit leisten, Dank und Anerkennung (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS), und nicht das, was wir hier vorfinden, nämlich eigentlich einen Misstrauensantrag gegen die Richter:innenschaft.
Es ist ja bei Weitem nicht so, dass – ganz allgemein – die sich das selber ausmachen. Dieser Antrag kommt ein bisschen so daher, als ob die Richter:innenschaft oder die einzelnen Richterinnen und Richter stets selbst darüber entscheiden können, ob sie befangen sind oder nicht. Ja, in dem Einzelfall, bei dem das eben erst in der Hauptverhandlung vorgebracht wird, ist es so, aber dann gibt es natürlich ein Rechtsmittel, das wissen Sie alle.
Und ich möchte hier schon auch betonen, dass die Richter und Richterinnen in Österreich der Verfassung und dem Dienst nach bestem Wissen und Gewissen verpflichtet sind, und wir können davon ausgehen, dass sie Befangenheitsgründe, wenn solche vorliegen, auch stets entsprechend diesem Verfassungseid annehmen und wahrnehmen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch einmal darauf zurückkommen – es wurde auch schon gesagt –, wie problematisch es ist, einzelne Richterinnen und Richter oder sonstige öffentlich Bedienstete in sozialen Medien oder auch in konventionellen Medien namentlich zu nennen. Das gefährdet diese Personen. Wir haben das anlässlich eines Urteils vor ein paar Wochen auch wieder erlebt: Da hatte mein Haus alle Hände voll zu tun, Löschungen von Hasspostings zu beantragen und auch bei Medien zu intervenieren, dass die Namen der Richter und Richterinnen nicht mehr vorkommen, weil diese Personen dann tatsächlich bedroht werden und auch die Familien in Mitleidenschaft gezogen werden.
Es geht nicht an, dass jene Menschen, die dort diesen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, dann auch noch in ihrer Persönlichkeitssphäre beeinträchtigt werden und bedroht werden. Das möchte ich zurückweisen, und daher ist es ganz wichtig, dass wir diese Risiken gar nicht erst vorab schaffen, und auch, dass wir als Politikerinnen und Politiker als Vorbild vorangehen mit einer Sprache und einer Haltung einander gegenüber, auch gegenüber Andersdenkenden, die auf Wertschätzung und gleicher Augenhöhe beruht und nicht auf Hassrede und Beschimpfungen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und Grünen.)
Zu dem vorliegenden Antrag möchte ich nur Folgendes sagen – es wurde viel darüber gesagt –: Die Befangenheitsregelungen sind natürlich viel ausdifferenzierter; Sie sprechen hier hauptsächlich von Strafverfahren.
Ich möchte diesem Antrag in einem recht geben: Es gibt Verbesserungsbedarf, den wir auch schon gesehen und erkannt haben. In Großverfahren, speziell im Bereich der Wirtschaftskriminalität, dauern die Prozesse oft sehr lang, und wenn eben dieser Fall eintritt, dass die Befangenheit in Rede gestellt wird, dann dauert es oft sehr lange, bis dann am Ende des Prozesses über diese Befangenheitsfrage befunden wird und sie entschieden wird. Das wollen wir abkürzen: Sie soll nunmehr nach Möglichkeit in Form eines eigenen Rechtsmittels gesehen werden, das aber dann nicht mehr gesondert anfechtbar ist, weil sonst der ganze Prozess natürlich aufgehalten werden würde. Das haben wir im Auge, das haben wir im Rahmen eines großen Projekts, das in meinem Haus läuft – nämlich die Aufgabenkritik im Bereich der Justiz –, schon aufgenommen, und wir werden uns der Sache annehmen. Das wird aber eben strukturiert diskutiert und mit System und mit Bedacht angegangen, und das Thema werden wir in eine weitere Novelle aufnehmen.
Schließlich ist aber insgesamt zu sagen, dass dieser Antrag in vielerlei Hinsicht nicht sachgerecht erscheint, und daher schlage ich vor oder bitte ich, diesem Antrag nicht zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
15.58
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
RN/111
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 317 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ist dieser Antrag angenommen.