RN/197

23. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (350 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 23. Punkt unserer heutigen Tagesordnung. 

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, Sie gelangen zu Wort.

RN/198

20.29

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Ja, es ist in Wirklichkeit eine Anpassung beziehungsweise eine Klarstellung für mehr Rechtssicherheit. Worum geht es, meine Damen und Herren? – Im Jahr 2017 – da war ein sogenannter koalitionsfreier Raum – haben sich damals die SPÖ und die FPÖ zusammengesetzt, es ging um die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Das war ein sehr, sehr langer, mühsamer Weg. Es ist dann schließlich 2021 in Kraft getreten, nach mehreren Verschiebungen – das erspare ich Ihnen jetzt alles –, aber es gab immer wieder Rechtsstreitigkeiten: Wie wird dieses Gesetz interpretiert? Was ist ein Saisonbetrieb, was ist keiner? – Dieses Gesetz soll jetzt tatsächlich Klarheit schaffen und für alle Arbeiter und für alle Angestellten zu gleichen Konditionen führen. 

Ich möchte nur ganz kurz sagen, Frau Bundesminister, wir haben im Ausschuss nicht unsere Zustimmung gegeben, aber das haben wir auch im Ausschuss kundgemacht. Leider Gottes gibt es auch in der neuen Regierung diese Unart, dass wir ganz kurzfristig Abänderungsanträge bekommen. Ich finde, das ist nicht in Ordnung, deswegen gab es keine Zustimmung. Inhaltlich ist es aber natürlich von uns mitzutragen, und wir werden heute die Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

20.31

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer.

RN/199

20.31

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Danke, Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wenn man die Frage stellt, wie lange in Österreich die kürzeste Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist, wird man ganz viele verschiedene Antworten bekommen. Das geht von mehreren Monaten bis wenige Wochen – da werden die Einschätzungen in alle Richtungen gehen. Bis Ende 2021 war es aber in mehreren Branchen sogar möglich, eine Arbeiterin oder einen Arbeiter mit einer Frist von nur einem Tag zu kündigen.

Das hat bedeutet: arbeitslos ab dem nächsten Tag, Einkommen um fast die Hälfte weniger, kein Postensuchtag, keine Zeit, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Was das bedeutet, vor allem für Alleinverdienerinnen und Alleinverdiener, wenn man das Familieneinkommen bestreiten muss, kann man sich kaum vorstellen. Dass diese unsoziale und für die Betroffenen ungerechte Möglichkeit abgeschafft wurde und die Kündigungsfristen der Arbeiterinnen und der Arbeiter an jene der Angestellten angeglichen wurden, war längst überfällig.

Zeitgleich mit dieser Angleichung wurden die KV-Partner aber ermächtigt, für Branchen mit Saisonbetrieben abweichende Kündigungsfristen zu vereinbaren. In der Praxis ist es aber vermehrt zu Auslegungsproblemen und damit infolge zu Rechtsunsicherheit bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch bei Arbeitgebern gekommen. Das wird mit dem vorliegenden Gesetz unter Einbindung der Sozialpartner nun abgeändert. Die Ausnahmeregelungen, die bis 1.7.2025 getroffen wurden, bleiben aufrecht, wobei auch da die kürzeste Kündigungsfrist eine Woche nicht unterschreiten darf. Neue Ausnahmeregelungen kommen nicht mehr hinzu.

Zweiter Teil dieser Regierungsvorlage ist die Absicherung des Sozialfonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Bewachung und Reinigung. Seit 2022 gibt es in diesen Branchen kollektivvertraglich vereinbart Sozialfonds zur Unterstützung der Beschäftigten, die durch Arbeitgeberbeiträge finanziert werden. Diese Arbeitgeberbeiträge sollen natürlich auch vom Arbeitgeber abgeführt werden. Da die Fonds aber über keinerlei Daten betreffend die Arbeitsverhältnisse verfügen, ist es nicht einmal im Ansatz möglich, die Beitragsabrechnung auch dementsprechend zu kontrollieren. Daher soll ab 1.7.2026 die Einhebung dieser Beiträge über den zuständigen Krankenversicherungsträger abgewickelt werden. Auch das ist eine sinnvolle Anpassung.

Im dritten Teil der Vorlage geht es um die längst überfällige Restumsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie. Diese betrifft das Benachteiligungsverbot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für die Umsetzung braucht es eine geringfügige Änderung des AVRAG und des Landarbeitsgesetzes, was wir hiermit auch beschließen. Damit ist – mit fast einem Jahr Verspätung – die EU-Mindestlohnrichtlinie in Österreich endlich umgesetzt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber.

RN/200

20.34

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Lassen Sie mich zunächst noch eine Gruppe aus meiner Heimat, aus Vorarlberg, im wunderschönen Bregenzer Wald, begrüßen, die heute noch hier bei uns ist. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, es ist eine durchaus sperrige Thematik, aber inhaltlich durchaus wichtig für die Betroffenen. Kollege Seemayer hat es im Detail genauestens vorgetragen, dem ist nichts hinzuzufügen. Wir unterstützen das von ganzem Herzen. Wir glauben und hoffen, dass mit dieser Regelung Gutes für die betroffenen Menschen getan wird. Ich bitte um breite Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.35

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler.

RN/201

20.35

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerin! Eine längst fällige Gesetzesreparatur wird heute hier behandelt, die zur Rechtssicherheit im österreichischen Arbeitsrecht führt – wir haben schon viel gehört. Die 2017 angestoßene Gleichstellung der Kündigungsfrist von Arbeitern und Angestellten war damals ein Meilenstein. Die damalige Ausnahmeregelung für Branchen mit Saisonbetrieben hat jedoch aufgrund unklarer Formulierungen, insbesondere der Bedingung des Überwiegens, zu massiven Auslegungsproblemen und damit zu jahrelanger Rechtsunsicherheit geführt.

Mit der vorliegenden Novelle beseitigen wir diese Unsicherheit und erfüllen damit eine zentrale Maßnahme des Regierungsprogramms. Künftig entfällt das strittige Kriterium, dass Saisonbetriebe überwiegen müssen, damit Kollektivvertragsparteien von den allgemeinen Kündigungsbestimmungen abweichen können. Wir schaffen dadurch Rechtssicherheit. In einem sehr klar definierten Rahmen können die Sozialpartner weiterhin abweichende Regelungen treffen, wobei ein Mindestschutz von zumindest einer Woche Kündigungsfrist festgeschrieben wird.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie. Wir schaffen ein Benachteiligungsverbot für Arbeitnehmer, die ihren zwingenden Anspruch auf das gesetzlich oder kollektivvertraglich zustehende Entgelt geltend machen. Dieses Verbot schützt vorwiegend vor Kündigung und Entlassung im Streitfall. Damit stärken wir die individuellen Rechte der Arbeitnehmer und setzen die EU-Mindestlohnrichtlinie endlich um. 

Wir unterstützen diese Vorlage, die für notwendige Klarheit und faire Regeln auf dem Arbeitsmarkt sorgt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.37

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Korinna Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte.

RN/202

20.37

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Korinna Schumann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dieser Regierungsvorlage setzen wir ein Reparaturpaket im Arbeitsrecht um, und ich danke allen Fraktionen im Parlament, die ihre Zustimmung geben. 

Die arbeitsrechtliche Anpassung von Arbeiter:innen und Angestellten, besonders im Bereich der Kündigungsfristen, war ein wesentlicher Meilenstein, aber leider war diese bis dahin für jede einzelne Branche sehr unterschiedlich geregelt. Das heißt, es gab einen Fleckerlteppich in den Regelungen, und in der Praxis kam es nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes immer wieder zu Auslegungsproblemen. Damit gab es Rechtsunsicherheit bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Es haben zahlreiche Gerichtsverfahren stattgefunden, es gab Rechtsgutachten, wissenschaftliche Aufsätze. Alles das konnte die Situation nicht ändern. 

Mit der Regierungsvorlage wird nun endlich Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen. Bestehende kollektivvertragliche Regelungen, die im Zeitraum 1.1.18 bis 30.6.25 getroffen wurden, werden abgesichert. Die jahrelange Rechtsunsicherheit wird beseitigt. Das ist eine längst überfällige Gesetzesinitiative.

Zum Zweiten stärken den Sozialfonds. Das ist ganz wichtig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Branchen, in denen wirklich hart und härter gearbeitet wird, beim Bewachungspersonal, beim Reinigungspersonal. Für den Fall der Arbeitslosigkeit oder eines Arbeitsunfalls brauchen sie eine Absicherung und dafür gibt es den Sozialfonds für das Bewachungsgewerbe und das Reinigungsgewerbe. 2022 wurde dieser Fonds eingerichtet. Es ist eine tolle und ganz, ganz wichtige sozialpartnerschaftliche Initiative. 

Die Dotierung des Fonds durch Beiträge der Arbeitgeber gestaltet sich in der Praxis nicht immer ganz einfach. Gute Initiativen brauchen aber auch stabile Strukturen, sonst funktioniert es nicht. Ab 1.7.26 werden die Arbeitgeberbeiträge direkt und automatisch durch den zuständigen Krankenversicherungsträger mit den Krankenversicherungsbeiträgen eingehoben und jeweils an den zuständigen Sozialfonds weitergeleitet. Damit ist es effizienter, zuverlässiger – ein ganz, ganz wichtiger Schritt.

Auch wichtig ist, dass wir den letzten Teil der europäischen Mindestlohnrichtlinie umsetzen. Da ist ganz wichtig: In Artikel 12 wird vorgeschrieben, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegen der Geltendmachung ihrer Entgeltansprüche nicht benachteiligt werden dürfen. Dieses Benachteiligungsverbot setzen wir jetzt im österreichischen Arbeitsrecht um. Das ist ganz wichtig.

Lassen Sie mich sozusagen am Ende der letzten Rede, die ich halten darf, noch einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums aussprechen! (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ist das wirklich die letzte Rede? Allerletzte?) Sie haben in den letzten Monaten wirklich großartige Arbeit geleistet. Wir hatten 70 Gesetze offen, unzählige Verordnungen, es gab unzählige Sitzungen, Reformschritte, die wir auf den Weg bringen und auch im nächsten Jahr auf den Weg bringen werden. Die Qualität der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium ist nicht hoch genug zu schätzen, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um das auch zu betonen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.40

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

RN/203

Abstimmung

Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 350 der Beilagen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.