RN/95

15.00

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Danke, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es sind nunmehr 1 367 Tage: So lange dauert der völkerrechtswidrige, menschenverachtende Krieg in der Ukraine. 1 386 Tage gelten die EU-Sanktionen zum Schutz der ukrainischen Bevölkerung gegen den Aggressor Russland. Genauso lange geht bereits das Katz-und-Maus-Spiel mit der Raiffeisen International, kurz RBI, die diese Sanktionen für ihren eigenen Vorteil zurechtbiegen will.

Die Raiffeisenbank hat über viele Jahre viele Milliarden Euro an Profit in Russland verdient. Das Risiko, das damit einhergeht, dass man mit so einem Regime gemeinsame Sache machen will, will sie nicht tragen. Auf Deutsch gesagt: Die Raiffeisenbank will ihr Problem in Russland aussitzen und die Bundesregierung und auch das NEOS-Außenministerium möchten ihr dabei helfen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben nicht schlecht gestaunt, als Anfang Oktober dieses Jahres durch Recherchen der Financial Times bekannt wurde, dass sich die österreichische Bundesregierung, ohne nur irgendwie Rücksicht auf die europäischen Partner zu nehmen, dafür einsetzt, dass das europäische Sanktionsregime so aufgeweicht wird, dass – halten Sie sich fest – in Europa zum ersten Mal seit Beginn des Krieges Vermögen eines russischen Oligarchen defreezed, also aufgetaut, wird. In diesem Fall geht es um die Strabag-Aktien. Die sollten aufgetaut werden – nicht, um das Vermögen den Ukrainern zuzuleiten, nein, sondern um die Raiffeisen International für ihr russisches Engagement zu entschädigen. 

Das Interessante dabei ist, Frau Außenministerin: Haben Sie oder hat der Rest der Bundesregierung sich eigentlich jemals Gedanken darüber gemacht, was das für eine Kettenreaktion in Europa auslösen könnte, just zu dem Zeitpunkt, als überlegt wird, dass eingefrorenes Vermögen russischer Oligarchen der Ukraine zu deren Verteidigung zur Verfügung gestellt wird? – Darüber haben Sie sich keine Gedanken gemacht, und diesen Vorwurf müssen Sie sich auch gefallen lassen, Frau Außenministerin! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe mich lange gefragt: Warum machen Sie das? Ich habe mir kurzfristig einmal überlegt: Na ja, vielleicht ist es so ein innerkoalitionärer Gefallen, dass die Raiffeisen-Bänkler, also die ÖVP, den Raiffeisen-Bankern sozusagen sagen können: Na, man setzt sich eh auf europäischer Ebene ein!, meint das Ganze aber gar nicht so ernst. Aber weit verfehlt: Sie, Frau Außenministerin, fanden die Idee ja selber so toll. Sie haben sich sehr engagiert, Sie haben stolz verkünden lassen, dass Sie sich doch gern in Brüssel für die Interessen österreichischer Unternehmen einsetzen. 

Frau Außenministerin, ich sage Ihnen schon: Sie sind keine Bankenvertreterin, Sie repräsentieren Österreich nach außen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ].) Sie sind auch keine Wirtschaftsvertreterin, nein, Sie vertreten – das ist Ihre Aufgabe – die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher in ihrer Gesamtheit und nicht eines Einzelnen. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Sie haben uns abermals auf europäischer Ebene blamiert. Blamiert haben Sie uns mit diesem Vorgehen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Shetty [NEOS]: Sehr bezeichnend, Nina! Bezeichnende Rede!)

Schwerer wiegt noch, dass Sie mit diesem Vorgehen die Sicherheit der ukrainischen Bevölkerung aufs Spiel setzen, denn die Sanktionen sind ja nicht für Hetz und Gaudi da, sie sind da, um sie vor dem russischen Aggressor zu schützen. Die Ukrainer, das sage ich Ihnen auch ganz offen, haben nichts davon, dass Sie eine ukrainische Tracht tragen und sich dann hintenherum gegen die Interessen der Ukraine verhalten. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Meinl-Reisinger. – Abg. Shetty [NEOS]: Diese Rede kann man eins zu eins teilen! Ist nämlich bezeichnend!)

Das Argument übrigens, das Sie öffentlich gesagt haben und auch in der Anfragebeantwortung sagen, dass Sie das ja nur machen, damit ein russischer Oligarch sich nicht doppelt bereichert, ist natürlich Unfug, denn – das wissen Sie ganz genau – die Strabag-Aktien, die Oleg Deripaska zugerechnet werden, sind eingefroren, bleiben auch eingefroren, und nur, weil sie die Raiffeisen nicht kriegt, kriegt sie Oleg Deripaska selbstverständlich auch nicht. Das bitte ich, auch zur Kenntnis zu nehmen. 

Wegen all dem haben meine Kollegin Meri Disoski und ich eine Anfrage an Sie als Außenministerin gestellt – aber ich weiß nicht, vielleicht hatten Sie einfach keinen Bock, sie zu beantworten. Ich möchte Ihnen nur auszugsweise einmal Fragen vorlesen. Ich habe Sie zum Beispiel gefragt, ob Sie sich im Vorfeld mit RBI-Vertretern getroffen haben. – Keine Antwort. Ich habe gefragt, wie Sie sich in der Verhandlung um das 19. Sanktionspaket verhalten haben. – Keine Antwort. Ich habe Sie gefragt: Sind überhaupt alle Regierungspartner mit der Position einverstanden, also haben Sie das Einvernehmen hergestellt? – Auch das haben Sie nicht beantwortet. 

Da frage ich mich schon: Was hätte die Oppositionspolitikerin Meinl-Reisinger hier im Parlament zu so einer Anfragebeantwortung gesagt? (Ruf bei der FPÖ: Na nichts ... Loacker! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Hätte der Loacker gemacht!) – Wahrscheinlich wären Sie richtiggehend explodiert. Erinnern Sie sich noch an die konstituierende Sitzung, die allererste Sitzung in dieser Periode? Da sind Sie als Klubobfrau, damals noch der Opposition, aufgetreten und haben gesagt: Anfragen werden oft unzureichend oder manchmal auch einfach gar nicht beantwortet, und es sei vor allem die Aufgabe des Präsidenten, das sicherzustellen. Das ist ein Zitat von Ihnen. Soll ich Ihnen etwas sagen: Wessen Aufgabe ist es in erster Linie, Anfragen des Parlaments vollständig zu beantworten? – Die der Ministerin und Minister. Dem kommen Sie nicht nach! (Beifall bei den Grünen.

Es ist aber wohl auch so bei den NEOS (Heiterkeit der Rednerin): Die Position bestimmt auch oft den Standpunkt. Interessanterweise waren es die NEOS in Person des Kollegen Nikolaus Scherak, der noch 2019 sogar Sanktionen bei Nichtbeantwortung von parlamentarischen Anfragen gefordert hat. Sie sagen – Zitat –: „Die mangelnde Beantwortung von parlamentarischen Anfragen ist demokratiepolitisch bedenklich“. (Die Rednerin hält den Ausdruck eines Artikels aus der „Tiroler Tageszeitung“ in die Höhe.) – Ja, ja, ja, und jetzt sind die NEOS in der Regierung und das Informationsbedürfnis, das Kontrollrecht des Parlaments sinkt in der Priorität ganz nach unten.

Nächstes Beispiel: Das mit der Personalakte von Kurt Waldheim – jener Spitzendiplomat mit äußerst unrühmlicher Rolle im Zweiten Weltkrieg – wurde an diesem Wochenende bekannt. Historiker warten seit 40 Jahren auf den Zugang zu dieser Personalakte, und mit dem Informationsfreiheitsgesetz gäbe es nun endlich die Möglichkeit. Da wäre eine historische Aufarbeitung endlich möglich. Was tun Sie? – Mit einem Trick verschieben Sie diese Personalakte ins Staatsarchiv, um einen Zugriff bis 2033 weiterhin zu verwehren. Welches Interesse verfolgen Sie damit, Frau Außenministerin, welches Interesse? (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Meinl-Reisinger.) Sicher nicht das Bedürfnis Transparenz! (Beifall bei den Grünen.)

Nächstes Beispiel für eine Diskrepanz zwischen der Oppositionspartei NEOS und der Regierungspartei NEOS: Wien. Was haben wir uns da nicht alles anhören müssen? Inserate dies, Inserate jenes, und wenn wir kommen, wird sich alles verändern, ta, ta, ta, wir machen, wir werden, wir müssen. Noch 2023 haben die NEOS eine Pressekonferenz gegeben – groß olé, olé, großer Erfolg. Die NEOS haben das Inseratenbudget dann für 2024 und 2025 jährlich von 23,8 auf 21,6 Millionen Euro gesenkt. Nur liegt jetzt die Abrechnung vor – im übrigen Dank der Grünen, weil es eine neue Transparenzgesetzgebung gibt –: Ausgegeben wurden 23,9 Millionen Euro. (Rufe bei den Grünen: Oh! Oh!) Sie haben also mehr ausgegeben und nicht weniger, so schaut es nämlich aus! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der NEOS: Genau so erleben wir Sie als Oppositionsparteien hier. Sie stellen sich hier immer hin und lassen sich ausgiebig darüber aus und beschweren sich, wer denn nicht alles doof ist und wer was aus der Opposition nicht richtig macht, nicht richtig tut, nicht richtig denkt – denn wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind, was weiß ich?, die Besseren, die Besten, die Allerbesten; das wissen wir eh. 

Ich gebe Ihnen jetzt eine Empfehlung: Kehren Sie doch lieber von der eigenen Tür und werden Sie verdammt noch einmal den Versprechen gerecht, die Sie Ihren Wählerinnen und Wählern bei der Wahl gegeben haben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.10

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß Geschäftsordnung 5 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder Redebeiträge von Staatssekretärinnen und Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Meinl-Reisinger. – Bitte, Frau Bundesminister.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.