EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 24.6.2020
COM(2020) 258 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020-2025)
EINLEITUNG
Kriminalität kann jeden von uns betreffen. Jedes Jahr werden Millionen von Menschen in der Europäischen Union
Opfer von Straftaten. Eine Union der Gleichheit muss den Zugang zur Justiz für alle Opfer von Straftaten gewährleisten, unabhängig davon, wo in der EU und unter welchen Umständen die Straftat begangen wurde.
Die Opfer von Straftaten müssen jederzeit Zugang zu Unterstützung und Schutz haben. Die Ausgangsbeschränkungen während der COVID-19-Pandemie haben zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt, des sexuellen Missbrauchs von Kindern, der Cyberkriminalität sowie der rassistisch und fremdenfeindlich motivierten Hassdelikte geführt. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, den Rahmen für die Unterstützung und den Schutz der Opfer zu stärken und sicherzustellen, dass er Krisensituationen standhalten kann.
Die erste EU-Strategie für die Rechte von Opfern bildet den Rahmen für die Arbeit der Kommission im Zeitraum 2020 bis 2025. Sie fordert außerdem andere Beteiligte, darunter die EU-Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft, zum Handeln auf. Sie widmet den spezifischen Bedürfnissen der Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt besondere Aufmerksamkeit. Die EU wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um geschlechtsspezifische Gewalt zu unterbinden und zu bekämpfen sowie den Opfern derartiger Verbrechen zu helfen und sie zu schützen. Die Stärke der EU liegt in ihrer Vielfalt. Die EU wird daher alles tun, um Hassdelikte in allen Formen zu verhindern und zu bekämpfen, einschließlich rassistische, antisemitische, transsexuellen- und homosexuellenfeindliche Hassdelikte.
Die EU hat bereits fundierte Opferrechte eingeführt. Die Opferschutzrichtlinie umfasst das Recht auf Zugang zu Informationen, das Recht auf Unterstützung und Schutz in Abhängigkeit der individuellen Bedürfnisse der Opfer sowie eine Reihe von Verfahrensrechten. Weitere einschlägige EU-Rechtsakte sind die Entschädigungsrichtlinie und EU-Vorschriften über die Europäische Schutzanordnung. Die EU hat darüber hinaus Instrumente eingeführt, die auf die besonderen Bedürfnisse der Opfer bestimmter Straftaten eingehen: die
Richtlinien zur Bekämpfung des Menschenhandels
, die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern und die
Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung
, die spezifische Rechte für Opfer von Terrorismus enthält. Die EU hat zudem das Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul) unterzeichnet.
Trotz dieser Fortschritte zeigen jüngste Berichte, dass sich die Opfer von Straftaten noch immer nicht uneingeschränkt auf ihre Rechte in der EU verlassen können. Die Hindernisse, die den Opfern den Zugang zur Justiz erschweren, sind hauptsächlich auf fehlende Informationen, unzureichende Unterstützung und mangelnden Schutz zurückzuführen. Die Opfer sind während des Strafverfahrens und bei der Erwirkung einer Entschädigung häufig einer sekundären Viktimisierung ausgesetzt. Für Personen, die bei einer Auslandsreise Opfer einer Straftat werden, ist der Zugang zu Justiz und Entschädigung noch schwieriger. Für die schutzbedürftigsten Opfer, wie z. B. Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt, minderjährige Opfer, behinderte oder ältere Opfer, Opfer von Hassdelikten, Opfer von Terrorismus oder Opfer von Menschenhandel, stellt es eine besondere Herausforderung dar, ein Strafverfahren zu bewältigen und mit den Folgen einer Straftat umzugehen.
Die Lösung dieses Problems beginnt mit einer besseren Anwendung der EU-Vorschriften für Opferrechte in der Praxis. Die aktuellen Berichte der Kommission über die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie und die Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung zeigen, dass weitere Fortschritte erforderlich sind, damit diese Instrumente ihr volles Potenzial ausschöpfen. Dies ist hauptsächlich auf ihre unvollständige Umsetzung zurückzuführen. Die meisten Mitgliedstaaten haben nach wie vor die in den EU-Vorschriften für Opferrechte festgelegten Mindeststandards noch nicht vollständig umgesetzt. Die Berichte über die Umsetzung deuten auch auf eine fehlerhafte Umsetzung in nationales Recht hin. Die vollständige Umsetzung setzt voraus, dass geeignete Strukturen vorhanden sind, die allgemeine und spezialisierte Unterstützungsdienste sowie Schutz in Abhängigkeit der individuellen Bedürfnisse der Opfer bieten. Außerdem müssen alle Beteiligten, die mit Opfern in Kontakt treten, geschult werden und sich der Rechte der Opfer in vollem Umfang bewusst sein. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Mitgliedstaaten die vereinbarten Mindeststandards vollständig umsetzen und anwenden. Die Kommission wird im Rahmen dieser Strategie darauf achten, die ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Vorschriften erforderlichenfalls durch weitere gerichtliche Schritte zu gewährleisten. Darüber hinaus wird die Kommission bewährte Verfahren fördern, um die vereinbarten Mindeststandards zu erreichen und über diese hinaus zu gehen. Gegebenenfalls wird die Kommission vorschlagen, die EU-Vorschriften über die Rechte der Opfer weiter zu stärken.
Mehrere Beteiligte haben Empfehlungen vorgestellt, wie die EU-Strategie für die Rechte der Opfer verbessert werden kann. Bei der Ausarbeitung dieser Strategie berücksichtigte die Kommission die im Dezember 2019 angenommenen Schlussfolgerungen des Rates zu den Rechten der Opfer, eine Studie des Europäischen Parlaments sowie Empfehlungen die in mehreren Berichten über die Rechte der Opfer vorgestellt wurden, darunter Berichte der Sonderberaterin des ehemaligen Kommissionspräsidenten Juncker zur Opferentschädigung, der Agentur für Grundrechte und von Victim Support Europe.
Diese Strategie beruht auf einem zweigliedrigen Ansatz: Stärkung der Opfer von Straftaten und gemeinsame Förderung der Rechte der Opfer. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Opfer von Straftaten dahingehend zu stärken, dass sie Straftaten anzeigen, an Strafverfahren teilnehmen, Entschädigung erwirken und sich schließlich – soweit dies möglich ist – von den Folgen der Straftat erholen können. Diese anspruchsvollen Ziele können nur erreicht werden, wenn die Kommission und alle relevanten Beteiligten zusammenarbeiten. Aus diesem Grund konzentriert sich diese Strategie auch auf die Stärkung der Zusammenarbeit und Koordination.
Die Strategie enthält fünf Schwerpunkte: i) Wirksame Kommunikation mit den Opfern und ein sicheres Umfeld, in dem die Opfer Straftaten anzeigen können, ii) Verbesserung der Unterstützung und des Schutzes der schutzbedürftigsten Opfer, iii) Erleichterung des Zugangs der Opfer zu Entschädigungsleistungen, iv) Stärkung der Zusammenarbeit und Koordination zwischen allen zuständigen Beteiligten, und v) Stärkung der internationalen Dimension der Rechte der Opfer.
STÄRKUNG DER OPFER VON STRAFTATEN
1.Wirksame Kommunikation mit den Opfern und ein sicheres Umfeld, in dem die Opfer Straftaten anzeigen können
Eine wirksame Strategie zur Bekämpfung von Kriminalität setzt voraus, dass die nationalen Behörden für ein sicheres Umfeld sorgen, in dem die Opfer Straftaten anzeigen können. Eine bessere Unterstützung und ein besserer Schutz der Opfer von Straftaten führen zu mehr Sicherheit für alle Bürger in der Europäischen Union.
Allzu oft sind sich die Opfer ihrer Rechte nicht bewusst. Personen, die mit den Opfern in Kontakt treten (einschließlich der Behörden des Erstkontakts) und welche die Opfer über ihre Rechte informieren sollten, sind oft nicht gut für diese Aufgabe ausgebildet. Ein weiteres ernstes Problem ist die mangelnde Anzeige von Straftaten. Die Angst vor dem Täter oder den möglichen negativen Folgen einer Teilnahme an einem Gerichtsverfahren hält die Opfer oft davon ab, eine Straftat anzuzeigen. Ein Großteil der Fälle von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt werden nicht angezeigt. Nur etwa ein Drittel der Frauen, die meist von ihren Partnern oder nahen Verwandten körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht werden, wenden sich an die Behörden. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt ist mit größter Sorgfalt vorzugehen, um zu vermeiden, dass Kinder eine Viktimisierung erfahren. Auch für Kinder kann es schwierig sein, eine Straftat anzuzeigen. Straftaten an Kindern erfolgen häufig im familiären Umfeld oder durch Personen, von denen sie abhängig sind. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, für diese Opfer spezielle Meldemechanismen zu gewährleisten. Fachleute, die mit ihnen in Kontakt kommen (z. B. Angehörigen der Heilberufe oder Lehrer), sollten geschult werden, um Straftaten zu erkennen und in angemessener Weise damit umgehen zu können.
Es ist außerdem wichtig, dass die zuständigen Fachkräfte mit den Opfern auf eine Weise kommunizieren, die den besonderen Bedürfnissen der Opfer Rechnung trägt. Dies ist insbesondere bei Opfern mit Behinderungen wichtig. Die Fachkräfte, die mit Opfern mit Behinderungen in Kontakt kommen, sollten darin geschult werden, mit ihnen auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die geistige oder körperliche Beeinträchtigung, wie z. B. des Hör- und Sprachvermögens, berücksichtigt. Darüber hinaus muss die Zugänglichkeit der Räumlichkeiten für Opfer mit Behinderungen gewährleistet sein, damit sie Straftaten anzeigen und an Strafverfahren teilnehmen können.
Darüber hinaus haben Opfer von Straftaten aus benachteiligten oder schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten unter Umständen nur ein geringes Vertrauen in die Behörden, was sie davon abhält, Straftaten anzuzeigen. Erhebungen der Agentur für Grundrechte zeigen, dass Hassdelikte gegen die Gemeinschaft der LGBTI+, die schwarze Gemeinschaft sowie die muslimischen und jüdischen Gemeinschaften weitgehend nicht angezeigt werden. Damit Mitglieder dieser Gemeinschaften Straftaten häufiger anzeigen, ist es von entscheidender Bedeutung, das Vertrauen in die Behörden zu stärken, z. B. durch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und den betroffenen Gemeinschaften. Es ist gleichermaßen bedeutsam, spezifische Schulungen über Diskriminierung für die Polizei und andere Personen, die mit diesen Opfern in Kontakt kommen, zu gewährleisten.
Ein immer größerer Teil unseres Lebens findet online statt, ein Trend, der sich während der COVID-19-Pandemie noch weiter verstärkt hat. Zur Cyberkriminalität gehören auch schwere Straftaten gegen Personen, wie online verübte Sexualdelikte (auch gegen Kinder), Identitätsdiebstahl, Online-Hasskriminalität und Eigentumsdelikte (wie Betrug mit und Fälschung von bargeldlosen Zahlungsmitteln).Opfer von Cyberkriminalität erhalten nicht immer die erforderliche Unterstützung, um den erlittenen Schaden wiedergutzumachen, und zeigen Straftaten oft nicht an. Insbesondere Kindern oder ältere Menschen kann es an den erforderlichen digitalen Kompetenzen oder den Kenntnissen über die ihnen zur Abhilfe zur Verfügung stehenden Mittel fehlen. Die Anzeige von Cyberkriminalität sollte daher weiter erleichtert werden, und die Opfer sollten die notwendige Hilfe erhalten.
Die Sensibilisierung für die Rechte der Opfer ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Schaffung eines sichereren Umfelds für die Opfer. Daher wird sich die Kommission im Rahmen dieser Strategie für eine bessere Kommunikation hinsichtlich der Rechte und Bedürfnisse der Opfer einsetzen, indem sie eine EU-Sensibilisierungskampagne für die Rechte der Opfer einleiten und Schulungsmaßnahmen fördern wird.
Die EU-Kampagne wird sich auf die Sensibilisierung für die Rechte der Opfer im Allgemeinen konzentrieren und die fachliche Unterstützung und den Schutz der Opfer mit besonderen Bedürfnissen fördern, wie z. B. Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt und Opfer von Hassdelikten. Ein besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet sein, schutzbedürftige Gruppen, Randgruppen oder isolierte Gemeinschaften zu erreichen, die nur begrenzte Möglichkeiten für den Zugang zu Justiz und Unterstützung haben bzw. mehr Hürden überwinden müssen, um Zugang zu erhalten. Besondere Achtung gilt ferner geeigneten Kommunikationsverfahren, um sicherzustellen, dass sich Kampagnen an minderjährige und ältere Opfer oder Opfer mit Behinderung richten.
Die Kommission wird sich außerdem auf Schulungsmaßnahmen konzentrieren, die jene Beteiligten wirksam erreichen, die mit den Opfern in Kontakt kommen – Justizbehörden und andere Justizbedienstete, wie Anwälte, Staatsanwälte, Gerichtspersonal, Gefängnis- und Bewährungspersonal. In diesem Zusammenhang wird die Kommission ihre Zusammenarbeit mit dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN) verstärken. Die Kommission wird ferner ein besseres Verständnis der Rechte der Opfer und eine bessere Kommunikation mit den Opfern innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, mit Unterstützung der Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL), fördern. Um auf die besonderen Bedürfnisse der Opfer von Cyberkriminalität einzugehen, wird die Kommission auch weiterhin die Europäische Gruppe für Schulung und Ausbildung in Bezug auf Cyberkriminalität (ECTEG) unterstützen.
Die Wiedergutmachungsdienste bieten den Opfern ein sicheres Umfeld, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen und ihren Heilungsprozess zu unterstützen. Nach Maßgabe der Opferschutzrichtlinie müssen diese Dienste in erster Linie die Interessen und Bedürfnisse des Opfers berücksichtigen. Es müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass das Opfer während des Prozesses keine weitere Viktimisierung erfährt. In der Praxis ist bei Fachleuten und Opfern ein Wissensdefizit bezüglich der Wiedergutmachungsdienste zu verzeichnen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten hohe Qualitätsstandards bei der Erbringung von Wiedergutmachungsdiensten gewährleisten und Fachkräfte für Wiedergutmachungsdienste entsprechend schulen. Der potenzielle Nutzen derartiger Dienste hängt von der Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Qualität der Wiedergutmachungsdienste in den Mitgliedstaaten ab.
Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Qualität und Zuverlässigkeit der Informationen über die Rechte der Opfer auf dem Europäischen Justizportal weiter verbessern und sie einem breiten Spektrum potenzieller Endnutzer zugänglich machen. Dazu gehören Opfer, Opferschutzorganisationen und nationale Behörden (einschließlich konsularische Behörden und Polizei). Um Informationen über die Rechte der Opfer zu verbreiten, wird die Kommission auch den Zugang zu den Informationen verbessern, die im Rahmen entsprechender EU-finanzierter Projekte gesammelt wurden, und eine umfassende Datenbank derartiger Projekte auf der Europa-Website zur Verfügung stellen.
Eine erfolgreiche Unterstützung und ein wirksamer Schutz der Opfer von Straftaten können nicht ohne die Zusammenarbeit der nationalen Behörden und der Opferschutzorganisationen erreicht werden. In diesem Zusammenhang wird die Kommission gegenseitige Schulungen und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den nationalen Behörden und Opferschutzorganisationen fördern. Für den
neuen mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027
hat die Kommission vorgeschlagen, die Finanzierungsmöglichkeiten für Opferschutzorganisationen beizubehalten, damit sie zur ordnungsgemäßen Umsetzung der EU-Vorschriften über die Rechte der Opfer beitragen können. Darüber hinaus wird die Kommission im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens die Integration von Maßnahmen für die Rechte der Opfer in EU-Finanzierungsprogrammen für Politikbereiche wie Sicherheit, Gesundheit und Bildung fördern. Ein derartiger Ansatz wird das Bewusstsein für die Rechte der Opfer einer größeren Öffentlichkeit vermitteln und die Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte erhöhen, die einen ganzheitlichen Ansatz für die Rechte der Opfer verfolgen.
Die Kommission wird auch weiterhin die Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften überwachen, einschließlich der Bestimmungen der Opferschutzrichtlinie über die Rechte der Opfer auf Information, einschließlich der Kommunikation in einfacher und verständlicher Sprache, Unterstützung und Schutz in Einklang mit den individuellen Bedürfnissen und die Bereitstellung von Schulungsmaßnahmen. Wie aus dem Bericht der Kommission über die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie hervorgeht, haben die meisten Mitgliedstaaten noch Schwierigkeiten mit der vollständigen/ordnungsgemäßen Umsetzung und/oder praktischen Anwendung dieser zentralen Bestimmungen der Richtlinie.
Zentrale Maßnahmen der Europäischen Kommission:
-Einführung einer EU-Kampagne zur Sensibilisierung für die Rechte der Opfer und zur Förderung der fachlichen Unterstützung und des Schutzes der Opfer mit besonderen Bedürfnissen;
-Förderung von Schulungsmaßnahmen für Justiz- und Strafverfolgungsbehörden;
-Bereitstellung von EU-Finanzmitteln für nationale Opferschutzorganisationen und einschlägige kommunale Organisationen zur Information, Unterstützung und zum Schutz der Opfer und zur Förderung von Wiedergutmachungsdiensten.
Zentrale Maßnahmen der Mitgliedstaaten:
-Gewährleistung der vollständigen und ordnungsgemäßen Umsetzung der Opferschutzrichtlinie und anderer EU-Vorschriften für die Opfer bestimmter Straftaten, insbesondere in Bezug auf die Bestimmungen über den Zugang der Opfer zu Informationen, Unterstützung und Schutz;
-Einführung nationaler Sensibilisierungskampagnen für die Rechte der Opfer, einschließlich der Unterstützung von Opfern mit besonderen Bedürfnissen;
-Unterstützung der Zivilgesellschaft bei der Stärkung der Rechte der Opfer, auch mithilfe verfügbarer EU-Finanzmittel.
Zentrale Maßnahmen anderer Interessengruppen:
Opferschutzorganisationen:
-Zusammenarbeit mit nationalen Behörden, einschließlich Justiz- und Strafverfolgungsbehörden, und Teilnahme an gegenseitigen Schulungsmaßnahmen.
2.Verbesserung der Unterstützung und des Schutzes der schutzbedürftigsten Opfer
Alle Opfer von Straftaten sind schutzbedürftig, aber aufgrund ihrer Persönlichkeit, der persönlichen Umstände oder der Art der erlittenen Straftat sind einige Opfer sogar stärker schutzbedürftig als andere.
Die Verletzlichkeit einiger Opfer kann sich unter bestimmten Umständen noch verschärfen. Während der Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sind die Opfer häuslicher Gewalt noch stärker der Gewalt ausgesetzt (da sie mit ihren Angreifern unter einem Dach eingeschlossen sind), und ihr Zugang zu Unterstützung und Schutz ist eingeschränkt.
Die nationalen Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz müssen für alle Opfer und jederzeit wirksam sein. Für die Opfer häuslicher Gewalt bedeutet dies, dass auch während einer Krise Unterkünfte, telefonische Beratungsdienste und psychologische Hilfe zur Verfügung stehen sollten. Um auch während der Krise die Unterstützung und den Schutz für alle Opfer, einschließlich der Opfer häuslicher Gewalt, zu gewährleisten, sollten Maßnahmen zur Opferhilfe in die nationalen Pandemie-Notfallpläne integriert werden. Dies kann etwa dadurch erreicht werden, dass Opferunterstützungsdienste zu grundlegenden Diensten erklärt werden.
Die meisten Mitgliedstaaten haben spezifische Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz der Opfer von Straftaten während der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen ergriffen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein wirksamer Zugang zu Online- und Offline-Unterstützung, wie psychologischer Hilfe und anderen sozialen Dienstleistungen gewährleistet wird. Insbesondere für Opfer häuslicher Gewalt muss der Zugang zu Unterkünften, psychologischer Hilfe, Unterstützung bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse und Beratung sichergestellt sein. Die nationalen Strafverfolgungsbehörden müssen außerdem alle bekannten und neuen Fälle häuslicher Gewalt besonders aufmerksam überwachen. Der physische Schutz der Opfer muss absolute Priorität haben. Die Kommission hat den Austausch bewährter Verfahren bezüglich optimaler Mittel zur Gewährleistung des Zugangs der Opfer zu Unterstützung und Schutz während der COVID-19-Pandemie gefördert, indem sie mit den nationalen Behörden und der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet hat.
Die Kommission wird Schlussfolgerungen aus den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Opfer von Straftaten ziehen, um die Widerstandsfähigkeit der Strukturen zur Unterstützung der Opfer in unseren Gesellschaften zu verbessern. Die Kommission wird sich insbesondere bewährte Verfahren bezüglich der Rechte der Opfer zunutze machen, die während der COVID-19-Pandemie erhoben wurden, und Maßnahmen wie die Statuierung der Opferunterstützungsdienste als grundlegende Dienste, die Entwicklung von Online-Unterstützungsdiensten und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Unterstützung und den Schutz der Opfer fördern.
Den EU-Vorschriften über die Rechte der Opfer zufolge, müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Opfer Zugang zu allgemeinen und spezialisierten Unterstützungsdiensten haben, die vertraulich und kostenfrei sind und den individuellen Bedürfnissen der Opfer entsprechen. Gemäß der Opferschutzrichtlinie sollten die allgemeinen Unterstützungsdienste Information, Beratung sowie emotionale und psychologische Unterstützung anbieten und auf medizinische Hilfe verweisen. Darüber hinaus sollten diese Dienste die Privatsphäre der Opfer und ihrer Familien wahren. Alle Opfer mit besonderen Bedürfnissen sollten Zugang zu spezialisierten Unterstützungsdiensten haben, die auf einem integrierten und zielgerichteten Ansatz beruhen, der die besonderen Bedürfnisse der Opfer, die Schwere des erlittenen Schadens, die Beziehung zwischen Opfer und Täter sowie die Situation der Opfer in ihrem weiteren sozialen Umfeld berücksichtigt.
Die Opferschutzrichtlinie verlangt ferner, dass alle Opfer entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen Zugang zu Schutzmöglichkeiten haben. Besondere Aufmerksamkeit muss Opfern mit besonderen Bedürfnissen des Schutzes vor den Risiken der sekundären Viktimisierung, der wiederholten Viktimisierung, der Einschüchterung und der Vergeltung geschenkt werden.
Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind aufgrund der Besonderheiten, Umstände und Folgen der verschiedenen Formen von Straftaten, einschließlich häuslicher Gewalt, sexueller Gewalt, und/oder Menschenhandel, oft stark getroffen. Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in der EU ist alarmierend: Jede dritte Frau (33 %) hat nach ihrem 15. Lebensjahr körperliche Misshandlungen und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Die Kommission setzt sich im Rahmen der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 für die Beendigung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein. Dazu gehören Maßnahmen wie der Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul oder alternative Legislativmaßnahmen, die das gleiche Ziel verfolgen. Die Kommission wird ferner ein EU-Netz zur Verhütung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt
einrichten und Maßnahmen zum Schutz der Opfer von geschlechtsspezifischer Cyberkriminalität ergreifen, insbesondere durch die Förderung der Ausarbeitung eines Rahmens für die Zusammenarbeit zwischen Internetplattformen und anderen Interessengruppen.
Die Kommission wird sich auf die Stärkung des physischen Schutzes der Opfer konzentrieren. Die Kommission wird sich insbesondere weiterhin für die Anwendung Europäischer Schutzanordnungen für schutzbedürftige Personen einsetzen, die in ein anderes EU-Land reisen oder sich dort niederlassen. Die Zahl der in der Europäischen Union erteilten und vollstreckten Europäischen Schutzanordnungen ist sehr gering. Zu den Gründen für diese Lage gehören unter anderem das fehlende Wissen über die Verfügbarkeit sowie die große Vielfalt, Komplexität und mangelnde Effizienz der in den Mitgliedstaaten verfügbaren Schutzmaßnahmen.
Die Wirksamkeit Europäischer Schutzanordnungen hängt in der Tat von der den zugrundeliegenden nationalen Maßnahmen zum physischen Schutz der Opfer ab. Gegenwärtig sind die nationalen Maßnahmen nicht ausreichend und die Opfer noch immer nicht sicher, selbst wenn zu ihren Gunsten eine Schutzanordnung erlassen wurde. Insbesondere die besonderen Bedürfnisse von Frauen, die nationale oder europäische Schutzanordnungen beantragen, werden in den nationalen Maßnahmen zum physischen Schutz nicht ausreichend berücksichtigt und abgebildet. Die EU-Vorschriften harmonisieren weder die Art der nationalen Schutzmaßnahmen noch die nach nationalem Recht festgelegten Verfahren zur Gewährleistung des physischen Schutzes der Opfer. Die Opferschutzrichtlinie (Artikel 18) sieht Maßnahmen vor, die auf die emotionale oder psychologische Unterstützung und den Schutz der Opfer abzielen, doch die Verfahren für den physischen Schutz der Opfer und ihrer Familienangehörigen vor weiterer Gewalt bleiben dem nationalen Recht vorbehalten. Aus diesem Grund wird die Kommission eine weitere Stärkung des Opferschutzes durch die Einführung von Mindeststandards für den physischen Schutz der Opfer in Erwägung ziehen, einschließlich der Mindestanforderungen für die Erteilung und die Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen (z. B. Schutzanordnung und Kontaktverbot). Darüber hinaus wird die Kommission weiterhin die wirksame Anwendung nationaler und Europäischer Schutzanordnungen fördern, indem sie Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen des Programms „Justiz“ bereitstellt, das Bewusstsein für die Verfügbarkeit der Europäischen Schutzanordnung schärft und die Notwendigkeit betont, Fachkräfte hinsichtlich der Verfügbarkeit der Europäischen Schutzanordnung zu schulen.
Die Kommission des Weiteren die Mitgliedstaaten ermutigen, Familienhäuser einzurichten, die eine gezielte und ganzheitliche Unterstützung für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt bieten. Die Kommission wird die Einrichtung derartiger Familienhäuser über die EU-Kampagne zu den Rechten der Opfer, die verfügbaren EU-Finanzmittel und die Kontakte mit den einschlägigen Interessengruppen fördern.
In Bezug auf Opfer, die gezielte und ganzheitliche Unterstützung und Schutz benötigen, sind vor allem minderjährige Opfer zu nennen. Die Kommission wird weiterhin die EU-Vorschriften im Rahmen der Opferschutzrichtlinie umsetzen, die sich speziell auf Kinder beziehen, gemäß dem allgemeinen Grundsatz, dass bei minderjährigen Opfern das Wohl des Kindes im Vordergrund steht. Die Kommission verstärkt zudem die Überwachung der nationalen Rechtssysteme in Bezug auf ihre Kinderfreundlichkeit. Die Kommission beabsichtigt im Jahr 2021 eine umfassende Strategie für das Kindesrecht zu verabschieden, die gezielte Maßnahmen für Kinder, die Opfer von Straftaten werden, wie z. B. eine ständige Förderung von Kinderhäusern, enthalten wird.
Im Hinblick auf Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, beabsichtigt die Kommission, im Jahr 2020 eine gezielte Strategie für einen wirksameren Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern anzunehmen. Diese Strategie wird Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz minderjähriger Opfer sexuellen Missbrauchs umfassen. Die Kommission wird die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden, dem INHOPE-Meldestellennetz und der Industrie intensivieren. Die Kommission wird die neusten technologischen Entwicklungen prüfen, um Darstellungen von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet schneller aufzudecken und zu entfernen.
Eine weitere Gruppe von besonders schutzbedürftigen Opfern, die besondere und ganzheitliche Unterstützung benötigen, sind die Opfer von Terrorismus. Terroranschläge richten sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern gegen Staaten und gegen unsere freien, offenen Gesellschaften ohne Grenzen. Die Mitgliedstaaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und die notwendige Unterstützung, den Schutz und die Anerkennung dieser Opfer gewährleisten. Terroranschläge haben oft touristische Ziele oder Reiseknotenpunkte im Visier und treffen daher besonders Opfer aus einem anderen Mitgliedstaat. Folglich sind Terroropfer bei der Geltendmachung ihrer Rechte den Herausforderungen grenzüberschreitender Situationen in besonderem Maße ausgesetzt. Zur Förderung einer ganzheitlichen Unterstützung für Terroropfer in allen EU-Mitgliedstaaten rief die Kommission im Januar 2020 das EU-Kompetenzzentrum für Terroropfer als zweijähriges Pilotprojekt ins Leben. Das EU-Kompetenzzentrum wird unter anderem Beratungs- und Schulungsaktivitäten zu den Rechten und Bedürfnissen der Opfer anbieten, die sich auf die bewährten Verfahren der betroffenen Mitgliedstaaten stützen werden. Die Kommission wird den reibungslosen Ablauf dieses Pilotprojekts gewährleisten und Ende 2021 die Notwendigkeit seiner Fortführung prüfen.
Trotz der Bemühungen der EU-Mitgliedstaaten nimmt die Zahl der Hassdelikte in der EU zu. Es wächst die Besorgnis darüber, dass auch die organisierte Zivilgesellschaft, Aktivisten und Politiker zur Zielscheibe von Hassdelikten werden. Die Unterstützung der Opfer ist unerlässlich, um einen demokratischen Diskurs zu ermöglichen und zu stärken. Zudem sind bestimmte Gemeinschaften wie Juden, Roma, Muslime, Menschen afrikanischer Abstammung, Migranten und die LGBTI+-Gemeinschaft unverhältnismäßig stark von Hassdelikten betroffen, wobei insbesondere Menschen, die mehreren dieser Gruppen angehören, Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind.
In Bezug auf die Opferrechte zielen die Initiativen der Kommission gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit darauf ab, die Anzeige von Hassdelikten zu fördern sowie die genaue Untersuchung von Vorurteilen als Motiv und die Unterstützung für Opfer von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verbessern. Die Kommission wird weiterhin die kürzlich verabschiedeten Leitprinzipien über die Gewährleistung des Zugangs der Opfer von Hassdelikten und Hetze zu Recht und Gerechtigkeit, Schutz und Unterstützung umsetzen.
Darüber hinaus wird die Kommission die Mitgliedstaaten auch weiterhin bei der Entwicklung nationaler Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus unterstützen, um Opfer von antisemitischen Hassdelikten zu stärken und zu schützen. Die Maßnahmen zu Opferrechten sollen außerdem mit den Maßnahmen im Rahmen der anstehenden Initiative zur Gleichstellung und Inklusion der Roma sowie der geplanten LGBTI+-Gleichstellungsstrategie koordiniert werden.
Die Kommission wird ferner in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Gemeinschaften die zielgerichtete und intergierte Unterstützung der Opfer von Hassdelikten fördern. Diesbezüglich wird die Kommission weiterhin zusammen mit den beiden kürzlich eingerichteten Arbeitsgruppen an der Verbesserung der Unterstützung für Opfer und dem Schulungsangebot für Polizeidienste arbeiten. Besondere Aufmerksamkeit wird die Kommission auch der Unterstützung und dem Schutz von Opfern widmen, die ethnischen Gruppen und Minderheiten angehören, die von Straftaten besonders betroffen sind und/oder besondere Unterstützung und besonderen Schutz benötigen.
Menschen mit Behinderungen werden häufig Opfer von Hassdelikten und verschiedener Formen von Missbrauch. Darüber hinaus kann ihr Zugang zur Justiz erschwert sein, wenn ihnen die Rechts-, Geschäftsfähigkeit aberkannt wurde. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die körperliche, kognitive und psychische Genesung, die Rehabilitation und die soziale Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen, die Opfer irgendeiner Form von Ausbeutung, Gewalt oder Missbrauch werden, zu fördern. Die in diesem Bereich vorgesehenen Maßnahmen der Strategie werden den Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechen.
Auch ältere Menschen können aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität, ihres allgemeinen Gesundheitszustands oder ihrer Abhängigkeit von anderen Personen (z. B. von Familienmitgliedern oder Mitarbeitern in Pflegeheimen) in stärkerem Maße der Gefahr ausgesetzt sein, Opfer verschiedener Formen der Kriminalität zu werden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass auf die individuellen Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnittene, spezialisierte Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen vorhanden sind.
Besondere Aufmerksamkeit sollte auch den Opfern organisierter Kriminalität gewidmet werden. Eine Form der organisierten Kriminalität ist der Menschenhandel. Menschenhandel hat aufgrund der Art, der Umstände, der Dauer und der Folgen der Straftat verheerende Auswirkungen auf die Opfer. Opfer von Menschenhandel benötigen besondere Hilfe, Unterstützung und Schutz. Fast die Hälfte der in der EU registrierten Opfer von Menschenhandel haben die EU-Staatsbürgerschaft, und der Großteil aller Opfer sind sexuell ausgebeutete Frauen und Mädchen. Die EU befasst sich durch Koordinierung in allen einschlägigen Bereichen und durch gemeinsame Anstrengungen mit den Interessengruppen umfassend mit dem Thema Menschenhandel. Die Kommission arbeitet insbesondere an einem neuen strategischen Ansatz zur Beseitigung des Menschenhandels im Rahmen der Sicherheitsunion. Die Maßnahmen zur Beseitigung des Menschenhandels werden auch im Zusammenhang mit den bevorstehenden Initiativen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität weiterentwickelt werden.
Umweltkriminalität betrifft die gesamte Gesellschaft und kann für jeden Einzelnen sehr nachteilige Auswirkungen haben. Sie kann die persönliche Gesundheit, Lebensgrundlagen der Menschen und den Wert von Immobilien beeinträchtigen. In Bezug auf Opfer von Umweltdelikten besteht möglicherweise eine besonders große Gefahr für sekundäre Viktimisierung, Einschüchterung und Vergeltung. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Umweltkriminalität als Form der organisierten Kriminalität einzustufen ist. Opfer von Umweltkriminalität sollten Zugang zu spezialisierten Unterstützungsdiensten und Schutz haben.
Auch irreguläre Migranten, die Opfer von Straftaten werden, befinden sich häufig in einer Gefährdungssituation und haben möglicherweise Schwierigkeiten, Zugang zur Justiz zu erhalten. Wenn sie eine Straftat bei der Polizei anzeigen, kann ihre Rückkehr in ihr Heimatland angeordnet werden. Im Rahmen der Opferschutzrichtlinie gelten die Opferrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Opfer in nichtdiskriminierender Weise
. Dies gilt auch für unbegleitete Minderjährige. Im Rahmen der Strategie wird die Kommission rechtliche und praktische Instrumente auf EU-Ebene bewerten, um die Anzeige von Straftaten und den Zugang zu Unterstützungsdiensten für Migranten, die Opfer einer Straftat wurden, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, zu verbessern. Insbesondere wird die Kommission den Austausch zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf bewährte Verfahren fördern, die darauf abzielen, die Anzeige von Straftaten vom Rückführungsverfahren zu trennen, ohne die Wirksamkeit dieser Verfahren zu gefährden.
Eine weitere Gruppe von Opfern, die sich in einer besonderen Gefährdungssituation befinden, sind Opfer von Straftaten, die in Haft begangen wurden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden jährlich 25 % der Gefangenen unter Gewalt. Ihr Zugang zur Justiz ist oft begrenzt. Sie sind isoliert, stigmatisiert und haben begrenzten Zugang zu Informationen. Im Rahmen der Strategie wird die Kommission Mittel und Wege prüfen, um eine wirksame Unterstützung und einen wirksamen Schutz von Opfern in Haft zu gewährleisten, wie z. B. Protokolle zum Schutz von Opfern in Haft und unabhängige Stellen für Hafteinrichtungen, die Straftaten in Haft untersuchen. Die Kommission wird ferner im Rahmen der bevorstehenden Strategie der europäischen justiziellen Aus-und Fortbildung die Ausbildung des Strafvollzugspersonals fördern.
Eine zielgerichtete und integrierte Unterstützung für die schutzbedürftigsten Opfer, die ganzheitlich und behördenübergreifend angelegt ist, erfordert eine enge Zusammenarbeit der Behörden mit den entsprechenden Organisationen sowie ethnischen, religiösen und anderen Minderheitsgemeinschaften. Im Rahmen der Strategie wird die Kommission der Förderung solcher Synergien besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Hauptverantwortung liegt jedoch bei den Mitgliedstaaten, die die entsprechenden Strukturen schaffen und die notwendigen Synergien zwischen den Behörden und der Zivilgesellschaft fördern sollten. Auch andere Beteiligte werden aufgefordert, ihre Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz der schutzbedürftigsten Opfer zu verstärken.
Zentrale Maßnahmen der Europäischen Kommission:
-Förderung von Maßnahmen, die auf den aus der COVID-19-Pandemie gezogenen Lehren aufbauen, wie z. B. Online-Unterstützungsdienste und Erklärung von Opferunterstützungsdiensten zu grundlegenden Diensten;
-Förderung einer integrierten und zielgerichteten Unterstützung von Opfern mit besonderen Bedürfnissen, wie z. B. minderjährigen Opfern, Opfern von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt, Opfern rassistischer und fremdenfeindlicher Hassdelikte, Opfern von Hassdelikten aus der LGBTI+-Gemeinschaft, älteren Opfern sowie Opfern mit Behinderungen, durch EU-Finanzierungsmöglichkeiten und die EU-Sensibilisierungskampagne für die Rechte von Opfern;
-Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul oder alternative Maßnahmen, die das gleiche Ziel verfolgen;
-Bewertung der Einführung von Mindeststandards für den persönlichen Schutz der Opfer, einschließlich Mindestanforderungen für die Erteilung und Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen, und gegebenenfalls Vorlage von Legislativvorschlägen bis 2022;
-Umsetzung der Leitprinzipien für die Gewährleistung von Schutz und Unterstützung für Opfer von Hassdelikten und Hetze;
-Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Unterstützung von Terroropfern durch das Pilotprojekt des EU-Kompetenzzentrums für Terroropfer, insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen;
-Bewertung der Instrumente auf EU-Ebene im Hinblick auf die Anzeige von Straftaten durch Opfer in Haft und durch Migranten, die Opfer einer Straftat wurden, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus sowie gegebenenfalls Vorlage von Legislativvorschlägen bis 2022.
Zentrale Maßnahmen der Mitgliedstaaten:
-Berücksichtigung der aus der COVID-19-Pandemie zu ziehenden Lehren und Ergreifen von Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt im Rahmen der nationalen Pandemie-Notfallmaßnahmen Zugang zu Unterstützung und Schutz haben, einschließlich des ständigen Zugangs zu Notunterkünften und Beratungsstellen, und dass die Zivilgesellschaft stärker in die Unterstützung und den Schutz der Opfer einbezogen wird;
-Einrichtung integrierter und zielgerichteter spezialisierter Unterstützungsdienste für die schutzbedürftigsten Opfer, einschließlich Kinderhäuser, Familienhäuser, sichere Unterkünfte für LGBTI+, behindertengerechte und barrierefreie Dienste und Anlagen und unabhängige Stellen für Hafteinrichtungen, die Straftaten in Haft untersuchen;
-Ergreifen von Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass alle Opfer, einschließlich Migranten, die Opfer von Straftaten geworden sind, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zur Justiz haben;
-Ergreifen von Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Opfer im Kindesalter Zugang zu kinderfreundlicher Justiz haben;
-Austausch zwischen den Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf bewährte Verfahren zur Unterstützung und zum Schutz der schutzbedürftigsten Opfer, einschließlich Terroropfer;
-Ergreifen von Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Terroropfer anerkannt werden, z. B. Erwägung der Einrichtung von Gedenkstätten, Museen und Medaillen;
-Erleichterung der Zusammenarbeit und Gewährleistung eines koordinierten Ansatzes zwischen Justiz- und Strafverfolgungsbehörden, Gesundheits- und Sozialdiensten, anderen Fachleuten und Organisationen der Zivilgesellschaft in Bezug auf Opferrechte, um eine zielgerichtete und integrierte Unterstützung für die schutzbedürftigsten Opfer zu gewährleisten;
-Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten, die spezialisierte Unterstützungsdienste bieten, um in grenzüberschreitenden Fällen den wirksamen Zugang von Terroropfern zu einschlägigen Informationen zu gewährleisten.
Zentrale Maßnahmen anderer Interessengruppen:
-Organisationen der Zivilgesellschaft – Einbeziehung in die Unterstützung der Opfer in Zusammenarbeit mit den entsprechenden nationalen Behörden.
3. Erleichterung des Zugangs der Opfer zu Entschädigungsleistungen
In vielen Mitgliedstaaten ist der Zugang der Opfer zu einer Entschädigung kompliziert. Die Opfer können eine staatliche Entschädigung erst am Ende eines langen, oft kostspieligen und zeitaufwendigen Verfahrens erwirken, das mit einem Strafverfahren beginnt und bei dem anschließend versucht werden muss, eine Entschädigung vom Täter zu erhalten. Wie aus dem Bericht über die Opferentschädigung hervorgeht, sind die Gründe dafür unter anderem der Mangel an Informationen über die Rechte der Opfer auf Entschädigung, zahlreiche verfahrensrechtliche Hürden, einschließlich restriktiver Fristen, unzureichende Mittelzuweisungen aus den nationalen Haushalten, und komplizierte Regeln für die Entschädigung durch den Täter und den Staat. In grenzüberschreitenden Situationen ist es für die Opfer noch schwieriger, von dem Staat, in dem sie zum Opfer wurden, eine Entschädigung zu erhalten, obwohl es EU-Vorschriften in diesem Bereich gibt.
Alle Beteiligten sollten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten Maßnahmen ergreifen, um den Zugang der Opfer zu Entschädigung zu verbessern.
Alle Mitgliedstaaten tragen nach der Entschädigungsrichtlinie dafür Sorge, dass in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine Regelung für die Entschädigung der Opfer von in ihrem Hoheitsgebiet vorsätzlich begangenen Gewalttaten vorgesehen ist, die eine gerechte und angemessene Entschädigung der Opfer gewährleistet. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre einzelstaatlichen Entschädigungsregelungen opferfreundlicher zu gestalten, indem sie die Vorschriften über den Zugang zur Entschädigung vereinfachen und die verfügbaren Entschädigungssummen durch Anpassung der nationalen Haushalte erhöhen. Gemäß der Opferschutzrichtlinie tragen die Mitgliedstaaten auch dafür Sorge, dass die Opfer vom ersten Kontakt mit den zuständigen Behörden an darüber informiert werden, wie und unter welchen Umständen sie Zugang zu einer Entschädigung erhalten können. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten ermutigen, über diese Mindeststandards hinauszugehen und zu gewährleisten, dass die Opfer auch durch andere Mittel – wie allgemeine Informationskampagnen über Opferrechte und interaktive Websites – besser über die nationalen Entschädigungsregelungen informiert werden.
Das übergeordnete Ziel der Entschädigung besteht darin, Opfer vorsätzlicher Gewalttaten anzuerkennen und den Heilungsprozess zu fördern. Die Opfer sollten während des Entschädigungsverfahrens unter keinen Umständen dem Risiko einer sekundären Viktimisierung ausgesetzt sein. Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass die Opfer nicht nur während des Strafverfahrens, sondern auch bei der Erwirkung einer Entschädigung vor dem Risiko einer sekundären Viktimisierung geschützt werden. In diesem Zusammenhang sollten auch Terroropfer berücksichtigt werden, was bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat die Verantwortung für die Gewährung einer gerechten und angemessenen Entschädigung zu tragen hat.
Im Hinblick auf die Erleichterung des Zugangs der Opfer zur Entschädigung wird die Kommission die Umsetzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften, insbesondere der Entschädigungsrichtlinie und des Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, überwachen, um festzustellen, wie und in welchem Umfang sie verbessert werden könnten, um Opfern den Zugang zur Entschädigung zu erleichtern. Die Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen wird ebenfalls dazu beitragen, die Rückgabe von Vermögensgegenständen an die Opfer und die Entschädigung der Opfer in grenzüberschreitenden Fällen zu erleichtern, sobald sie anwendbar ist. Die Richtlinie von 2014 zur Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, die die nationalen Sicherstellungs- und Einziehungsregelungen in der gesamten EU einander annähert, verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass eine Einziehungsentscheidung die Opfer einer Straftat nicht daran hindert, Schadensersatz geltend zu machen. Die Kommission wird die Möglichkeiten zur Verbesserung des Zugangs der Opfer zu einer Entschädigung im Rahmen dieser Richtlinie analysieren.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten ferner prüfen, wie die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten verbessert werden kann, um den Opfern in grenzüberschreitenden Fällen den Zugang zur Entschädigung zu erleichtern. Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere ihre Zusammenarbeit im Rahmen des europäischen Netzes nationaler Kontaktstellen für die Entschädigung verbessern. Das Europäische Netz für die Rechte der Opfer (ENVR) und das Europäische Netz nationaler Kontaktstellen für Entschädigung sollten prüfen, wie ihre Zusammenarbeit verbessert und die Effizienz des Kontaktstellennetzes erhöht werden kann.
Zentrale Maßnahmen der Europäischen Kommission:
-Überwachung und Beurteilung der Entschädigungsvorschriften der EU (staatliche Entschädigung und Entschädigung durch den Täter), einschließlich des Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, und gegebenenfalls Vorschläge für Maßnahmen zur Ergänzung dieses Rahmens bis 2022.
Zentrale Maßnahmen der Mitgliedstaaten:
-Bewertung der nationalen Entschädigungsregelungen und, falls erforderlich, Beseitigung der bestehenden verfahrensrechtlichen Hürden;
-Sicherstellung, dass eine gerechte und angemessene staatliche Entschädigung für vorsätzliche Gewalttaten, einschließlich der Terroropfer, aus den nationalen Haushalten gewährleistet wird;
-Gewährleistung der uneingeschränkten Anwendung der Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, insbesondere ihrer Bestimmungen über die Rückgabe von Vermögensgegenständen an das Opfer und die Entschädigung der Opfer;
-Ergreifen von Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Opfer während des Entschädigungsverfahrens keine sekundäre Viktimisierung erleiden;
-Erleichterung eines einheitlichen Zugangs zu Informationen über nationale Entschädigungsregelungen (Einrichtung interaktiver, leicht zugänglicher und benutzerfreundlicher Websites);
-Gewährleistung, dass das Personal der nationalen Entschädigungsbehörden über die Rechte und Bedürfnisse der Opfer informiert ist, um das Risiko einer sekundären Viktimisierung zu vermeiden;
-Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten in grenzüberschreitenden Fällen im Rahmen der einschlägigen EU-Strukturen.
Zentrale Maßnahmen anderer Interessengruppen:
-Europäisches Netz für die Rechte der Opfer und Europäisches Netz nationaler Kontaktstellen für Entschädigung: Prüfung, wie ihre Zusammenarbeit verbessert und die Effizienz des Kontaktstellennetzes erhöht werden kann;
-Opferschutzorganisationen: Zusammenarbeit mit den nationalen Entschädigungsbehörden, um Unterstützung, Austausch bewährter Verfahren und gegenseitige Schulungsmaßnahmen anzubieten.
GEMEINSAM DIE OPFERRECHTE STÄRKEN
4. Ausbau der Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen allen Beteiligten
Das Hauptziel der Zusammenarbeit und Koordinierung auf europäischer und nationaler Ebene besteht darin, zu gewährleisten, dass alle Beteiligten zusammenarbeiten, um für die Opfer den Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Nach den EU-Opferrechtsvorschriften sollten alle Opfer von Straftaten anerkannt und in einer respektvollen, professionellen, bedarfsgerechten und nichtdiskriminierenden Weise behandelt werden. Dies erfordert die Einbeziehung aller Beteiligten.
Auf nationaler Ebene ist es entscheidend, alle Personen, die mit Opfern in Kontakt kommen, zusammenzuführen. Hierzu gehören die Polizei, Justizbehörden, Mitarbeiter der Gerichte, Opferunterstützungsdienste, Anwälte und Entschädigungsbehörden. Für bestimmte Opfer ist es auch wichtig, medizinisches Personal, pädagogisches Personal, Mitarbeiter von Sozialdiensten oder Haftanstalten einzubeziehen. Tatsächlich sollte die Gesellschaft insgesamt einbezogen werden, um sicherzustellen, dass alle Opfer anerkannt und respektiert werden und sich uneingeschränkt auf ihre Rechte berufen können.
Die Kommission wird die Koordinierung und Zusammenarbeit auf nationaler Ebene fördern. Die Mitgliedstaaten sollten nationale Opferschutzstrategien aufstellen, die einen koordinierten und horizontalen Ansatz in Bezug auf die Opferrechte gewährleisten. Derartige Strategien können die Ernennung nationaler Koordinatoren für Opferrechte oder für die Rechte der Opfer zuständiger Ombudsleute, die Durchführung nationaler Kampagnen zur Sensibilisierung für die Rechte der Opfer und die Einbeziehung der Rechte der Opfer in andere Politikbereiche wie Gesundheit und Bildung umfassen.
Eine engere Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten im Bereich der Opferrechte wird auch zur Entstehung widerstandsfähigerer Gesellschaften führen. In derartigen Gesellschaften ist es dank starker sozialer Bindungen leichter, Straftaten zu verhindern und für bestimmte Opfer ihre Folgen zu bewältigen. Eine enge Zusammenarbeit und Bündnisse zwischen nationalen Behörden und der Zivilgesellschaft, einschließlich nichtstaatlicher Opferschutzorganisationen, sind in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Die Strategie wird daher Maßnahmen fördern, die darauf abzielen, das Potenzial derartiger Synergien auszuschöpfen.
Auf EU-Ebene wird die Kommission eine Plattform für Opferrechte einrichten, um einen horizontaleren Ansatz für Opferrechte zu gewährleisten. Die Plattform wird zum ersten Mal alle für Opferrechte zuständigen Beteiligten auf EU-Ebene zusammenführen. Sie wird die Kommission und die wichtigsten Beteiligten einbinden, wie das Europäische Netz für die Rechte der Opfer (ENVR), das Europäische Netz nationaler Kontaktstellen für Entschädigung, das Europäische Netz nationaler Gleichbehandlungsstellen (EQUINET), den EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung sowie relevante Organisationen wie Eurojust, die Agentur für Grundrechte (FRA), die Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL), das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) und die Zivilgesellschaft.
Die Plattform für Opferrechte wird den kontinuierlichen Dialog, den Austausch bewährter Verfahren und die gegenseitige Bereicherung zwischen der vorliegenden Strategie, der Gleichstellungsstrategie 2020-2025 und weiteren anstehenden Strategien erleichtern.
Ein Koordinator der Kommission für Opferrechte wird die Kohärenz und Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Politik im Bereich der Opferrechte sicherstellen. Der Koordinator der Kommission wird insbesondere dafür verantwortlich sein, ein reibungsloses Funktionieren der Plattform für Opferrechte zu gewährleisten. Der Koordinator wird zudem die mit Opferrechten zusammenhängenden Maßnahmen anderer Beteiligter auf EU-Ebene abstimmen, insbesondere wenn sie für die Anwendung der Opferschutzrichtlinie von Bedeutung sind.
Zentrale Maßnahmen der Europäischen Kommission:
-Einrichtung der Plattform für Opferrechte – Zusammenführung von Beteiligten auf EU-Ebene, die sich mit Opferrechten befassen, und Förderung von Synergieeffekten mit anderen einschlägigen politischen Strategien.
Zentrale Maßnahmen der Mitgliedstaaten:
-Entwicklung nationaler Opferschutzstrategien, die einen umfassenden und ganzheitlichen Ansatz für die Opferrechte verfolgen und alle Beteiligten einbeziehen, die mit den Opfern in Kontakt kommen können;
-Förderung der Rechte der Opfer bei allen Beteiligten, die mit Opfern in Kontakt kommen können, darunter Polizei, Hilfsorganisationen und Gesundheitspersonal;
-Erleichterung der Arbeit der einschlägigen EU-Netze, in denen nationale Opferrechtssachverständige zusammenkommen, wie z. B. des Europäischen Netzes für die Rechte der Opfer (ENVR);
-Aufbau widerstandsfähigerer Gesellschaften durch Förderung einer stärkeren Einbeziehung der Zivilgesellschaft in nationale Maßnahmen.
Zentrale Maßnahmen anderer Einrichtungen der EU und Interessengruppen:
-Eurojust, die Agentur für Grundrechte, das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen und das Europäische Netz für die Rechte der Opfer sollten darüber berichten, wie die Zusammenarbeit und der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen den zuständigen Behörden in grenzüberschreitenden Fällen verbessert werden können.
5. Stärkung der internationalen Dimension der Opferrechte
Im kürzlich verabschiedeten EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie (2020-2024) wird das Engagement der EU für die Förderung, den Schutz und die Durchsetzung der Menschenrechte weltweit bekräftigt. Ziel der Europäischen Union ist es, sicherzustellen, dass in allen Zusammenhängen, auch auf internationaler Ebene, hohe Standards für die Opferrechte eingehalten werden. Der Aktionsplan umfasst ferner Maßnahmen im Zusammenhang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und ermöglicht so die Berücksichtigung der Opfer von Straftaten und Missbrauch, die im privaten Bereich begangen wurden, sowie von Opfern von Umweltkriminalität.
Die Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie weltweit umfassten auch Reaktionen auf Menschenrechtsbedrohungen und auf die Zunahme häuslicher Gewalt. Als Teil der Unterstützung der Partnerländer bei der Bewältigung der Pandemie im Rahmen von „Team Europa“ hat die EU weiterhin Demokratie und Menschenrechte überwacht und Programme umgeleitet, um sicherzustellen, dass Opfer in den Partnerländern die erforderliche Unterstützung und den erforderlichen Schutz erhalten.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden weiterhin mit den Vereinten Nationen und dem Europarat zusammenarbeiten und sich innerhalb der Vereinten Nationen und des Europarates für die Förderung der europäischen Opferrechte in den Partnerländern und den Austausch bewährter Verfahren einsetzen. Die EU wird sich insbesondere im Rahmen der geografischen und thematischen Programme der EU zum Zugang zur Justiz, die sich in den Partnerländern bereits in der Umsetzungsphase befinden, weiterhin für hohe Standards in Bezug auf die Opferrechte einsetzen. Die EU unterstützt insbesondere in fünf Regionen der Welt weiterhin die Spotlight-Initiative der Europäischen Union und der Vereinten Nationen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die EU arbeitet bei Kampagnen gegen häusliche Gewalt auch mit der FIFA und der WHO zusammen. Die EU wird den Internationalen Fonds für Überlebende von konfliktbedingter sexueller Gewalt sowie das weltweite Bündnis zur Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet „WeProtect“ unterstützen.
Des Weiteren wird die EU in Bezug auf die Unterstützung von Terroropfern weiterhin Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau für prioritäre Partnerländer unterstützen. Die EU wird insbesondere weiterhin die von den VN geleiteten Initiativen und Projekte unterstützen, die darauf abzielen, die Kapazitäten der VN-Mitgliedstaaten zur Unterstützung von Terroropfern zu verbessern, wie z. B. die von Afghanistan und Spanien geleitete „Group of Friends of Victims of Terrorism“ oder den vom Büro der VN für Terrorismusbekämpfung und von Spanien organisierten weltweiten Kongress der Opfer von Terrorismus.
Darüber hinaus wird die EU die EU-Standards für Opferrechte (EU-Rechte von Terroropfern, von Opfern organisierter Kriminalität, von Opfern von Umweltkriminalität und EU-Opferrechte im Allgemeinen) mit neuen Programmen, die im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (2021-2027) ausgearbeitet werden, weiter fördern. Auch im Rahmen der Beitrittsverhandlungen und des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses wird die EU im Bereich der Opferrechte weiterhin eng mit den Kandidaten- und potenziellen Kandidatenländern zusammenarbeiten.
Die EU wird sich ferner darauf konzentrieren, EU-Bürgern, die in Drittstaaten Opfer von Straftaten geworden sind, einen bestmöglichen Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Dies erfordert engere Kontakte und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Hilfsorganisationen von Drittstaaten und den konsularischen Behörden und Hilfsorganisationen der EU-Mitgliedstaaten. Die Europäische Union wird durch ihren Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik eine entsprechende Zusammenarbeit fördern und erleichtern, um die Unterstützung und den Schutz von EU-Bürgern zu verbessern, die in Drittstaaten Opfer von Straftaten geworden sind.
Zentrale Maßnahmen der Europäischen Union:
-Stärkung der Zusammenarbeit mit internationalen und regionalen Partnern wie den Vereinten Nationen und dem Europarat, um hohe internationale Standards für Opferrechte zu fördern: für die Rechte von Opfern von Hassdelikten, von minderjährigen Opfern, von Terroropfern, von Migranten, von Opfern sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, von Opfern von Hassdelikten aus der LGBTI+-Gemeinschaft, von Opfern von organisierter Kriminalität, von Opfern von Umweltkriminalität und von Opfern mit Behinderungen;
-Einsatz der EU-Finanzmittel und des politischen Dialogs, um die Opferrechte zu fördern, für sie einzutreten und sie zu schützen und um den Opfern in den Partnerländern den Zugang zur Justiz zu gewährleisten;
-Förderung der Zusammenarbeit zur Verbesserung der Unterstützung und des Schutzes von EU-Bürgern, die in Drittstaaten geschädigt wurden;
-Stärkung der Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden und Hilfsorganisationen von Drittstaaten sowie konsularischen Behörden und Hilfsorganisationen der EU-Mitgliedstaaten, um den Zugang zur Justiz für in Drittstaaten geschädigte EU-Bürger zu erleichtern.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die EU muss mehr für den Schutz der Opfer von Straftaten tun. Die erste EU-Strategie für Opferrechte sieht ein umfassendes Maßnahmenpaket für die nächsten fünf Jahre vor. Diese Maßnahmen sollen die Rechte der Opfer besser schützen, dabei Opfer mit besonderen Bedürfnissen gebührend berücksichtigen und somit die Sicherheit aller Bürger in der Union erhöhen.
Die Kommission wird sich auf die vollständige Umsetzung und Anwendung der bestehenden EU-Opferschutzvorschriften konzentrieren. Sie wird das Bewusstsein für die Rechte der Opfer fördern und unter anderem auf der Grundlage der Lehren aus der COVID-19-Pandemie mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Widerstandsfähigkeit der Strukturen zur Opferunterstützung zu stärken. Darüber hinaus wird die Kommission weiterhin die EU-Instrumente und ihre möglichen Lücken bewerten und bis 2022 erforderlichenfalls Legislativvorschläge zur weiteren Stärkung der Opferrechte vorlegen.
Die Umsetzung der Strategie wird regelmäßig überwacht werden, wobei unter anderem die regelmäßigen Sitzungen der Plattform für Opferrechte genutzt werden können, um über Maßnahmen unter der Verantwortung der verschiedenen Beteiligten auf dem Laufenden zu bleiben. Darüber hinaus wird die Kommission nach der Hälfte der Laufzeit dieser Strategie eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen der Strategie vornehmen und sie gegebenenfalls aktualisieren.
Um alle Rechte der Opfer überall in der EU und unter allen Umständen uneingeschränkt zu gewährleisten, müssen alle Beteiligten auf EU-Ebene sowie auf nationaler und lokaler Ebene einbezogen werden. Diese Strategie erfordert gemeinsame Anstrengungen der Europäischen Kommission, anderer Institutionen und Einrichtungen, der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft. Um sie erfolgreich umzusetzen, müssen wir alle zusammenarbeiten.