Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 103

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Europäischen Union, bei der die Bauern Kontinuität und Sicherheit erwarten. Es ist weiters die Osterweiterung, die ein partnerschaftliches Vorgehen aller Wirtschaftsbereiche verlangt und nicht allein auf dem Rücken der Bauern erfolgen darf. Schließlich ist eine neuerliche Änderung auch des Welthandelsabkommens vorgesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese neuen Regeln dürfen aber auf keinen Fall die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft oder der Natur belohnen. Es muß auf jeden Fall sichergestellt werden, daß bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Osterweiterung und der geplanten Weiterentwicklung des Welthandelsabkommens die regionale und topographische Situation Österreichs mit seiner klein- und mittelbäuerlichen Struktur, einer nachhaltig ökologisch verträglichen Bewirtschaftung, seinen Familienbetrieben und seiner gewachsenen bäuerlichen Kultur in entsprechender Weise Berücksichtigung findet. Dabei brauchen die Bauern in der Regierung einen starken Partner, der ihre Interessen in den jeweiligen internationalen Entscheidungsgremien vertritt.

Hohes Haus! Auch die Ausführungen der Regierungserklärung im Nationalrat zur Land- und Forstwirtschaft sind von der eingangs erwähnten neuen Sicht gekennzeichnet. Jetzt erst recht stellt sich für viele die Frage, warum das Europa-Abkommen im Herbst des Vorjahres in Frage gestellt wurde, warum sogar angesichts der Komplimente, die Bauern angesichts ihrer gewaltigen Leistungen im ersten Jahr nach dem EU-Beitritt aus dem Munde des Bundeskanzlers erfahren haben, dramatische und spezifische Mehrbelastungen für die Bauern erzwungen werden sollten.

Ich sage es ganz offen, da wurden im Herbst mit klassenkämpferischen Argumenten schmerzhafte Wunden geschlagen. Und die Narben sind da, sie sind nicht so einfach wegzuwischen. – Die Bauern haben tatsächlich – um bei dem Bild der Regierungserklärung zu bleiben – den Stier bei den Hörnern gepackt. In gemeinsamer Anstrengung auch in Verbindung mit ihrer Interessenvertretung, die sie mit Rat und Tat unterstützt hat, wurde Großartiges geleistet.

Ich möchte hier auch den Dank an die österreichischen Konsumenten zum Ausdruck bringen, denn sie haben mit ihrer Volksabstimmung, mit ihrem Einkaufskorb unseren Bauern die Stange gehalten.

Trotz der Leistungen durch die Europäische Union, durch Bund und Länder ist aber in manchen agrarischen Bereichen ein dramatischer Einkommensverlust zu verzeichnen. Es erscheint mir notwendig, über die Ausführungen der Regierungserklärung hinaus zu betonen, daß von den Bauern in der Höhe von rund 300 Millionen Schilling durch eine 1prozentige Anhebung des Beitragssatzes von 12,5 auf 13,5 Prozent in der Pensionsversicherung ab 1. April 1996 ein wesentlicher Beitrag zur Konsolidierung geleistet wird.

Darüber hinaus sind die Bauern im Sozial- und Familienbereich natürlich auch durch alle übrigen Maßnahmen wie Streichung der Geburtenbeihilfe, Verschärfung der Anwartschaftsbedingungen in der Pensionsversicherung, Verschärfung der Maßnahmen gegen Frühpensionen et cetera betroffen.

Völlig unbefriedigend im Sozialbereich, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich betone das auch mit dem Grundsatz der differenzierten Kritik –, ist der Berufsschutz geregelt, bei dem es weiterhin an Gleichbehandlung mangelt. Dabei wäre es längst notwendig, den bäuerlichen Beruf auch als qualifizierten Beruf anzuerkennen und eine einheitliche Regelung für alle Berufsgruppen zu schaffen. Derzeit werden die Bauern beim Berufsschutz wesentlich benachteiligt. Das führt dazu, daß Bauern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden können und nunmehr bis zum 57. Lebensjahr – trotz einer abgeschlossenen Berufsausbildung – keine Möglichkeit haben, in die Erwerbsunfähigkeitspension zu gehen. Und das, so meine ich, ist für die Zukunft ebenso untragbar wie unhaltbar.

Ich habe bereits betont, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Bauern von allen anderen Maßnahmen, die im Rahmen des Konsolidierungsprogrammes umgesetzt werden, ebenso betroffen sind. Das gilt vor allem auch für den familienpolitischen Bereich, weil auch bäuerliche Familien zu den besonders kinderreichen gehören. Da summiert sich die Belastung


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