Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 54

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sehr wichtig. Denn etwa die Vorgangsweise in Frankreich hat uns im letzten Jahr gezeigt, wie es ausgehen kann, wenn man zu scharf auf einer Seite einschneidet.

In den letzten Wochen hat es an mehr oder weniger intelligenten Vorschlägen nicht gemangelt. Locker und frei wurde über die Freiheit der Versicherungspflicht diskutiert, und dabei kam das bisherige System der Pflichtversicherung nicht besonders gut weg. – Ich frage: Wer übernimmt denn bei den privaten Versicherungen zum Beispiel den Schutz bei Invalidität, die Versicherung der Hinterbliebenen oder die Anrechnung der Kindererziehungszeiten? – Für private Versicherungen hat es bisher allerdings immer schon Möglichkeiten gegeben.

Im Zuge der Diskussion um das Strukturanpassungsgesetz ist es jetzt modern geworden, auch von den großen Freiheiten zu sprechen, etwa vom freien Arbeitsmarkt und von der großen Flexibilität. Es wird zum Beispiel über flexible Arbeitszeiten, flexible Ladenschlußzeiten und insgesamt andere Jahresarbeitszeiten diskutiert. – Nur: Es kann nicht so sein, daß all diese große Freiheiten nur auf Kosten der Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden. Die Arbeitnehmer waren bisher schon bereit, flexibel zu handeln, wenn es der Arbeitsmarkt verlangt hat.

Meine Damen und Herren! In diesen Tagen wird in den Medien auch immer wieder auf das amerikanische Beschäftigungssystem hingewiesen. Tatsächlich ist die Arbeitslosenrate von 5,5 Prozent für amerikanische Verhältnisse eine Traumzahl. In der allgemeinen Euphorie wird aber übersehen, daß es sich hiebei zum Teil um sogenannte Minderjobs handelt und man aufgrund des niedrigen Stundenlohnes zumeist zwei bis drei solcher Jobs haben muß, damit man überhaupt eine Familie ernähren kann. Zu diesen schlecht bezahlten Arbeitsplätzen kommt dann auch noch ein sehr dünnes und lückenhaftes Sozialnetz, das fast keine Sicherheiten bietet. Und es kommt dort soweit, daß, wenn Großkonzerne Tausende Arbeitnehmer entlassen, die Aktienkurse steigen. Das kann doch nicht das Ziel sein, das wir erreichen wollen!

Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich – ich habe das bereits erwähnt – einen hohen Sozialstandard, den wir mit dem vorliegenden Strukturanpassungsgesetz erhalten können werden. Und vor allem werden wir die entsprechenden Anpassungen im sozialen Frieden durchführen können. Ich weiß schon: Jeder von uns hätte sich für die Befassung mit dieser Materie etwas mehr Zeit gewünscht. Das war aber aufgrund der Dringlichkeit der Sache nicht möglich. – Das Strukturanpassungsgesetz ist – wie heute bereits einmal erwähnt worden ist – entscheidungsreif, und die sozialdemokratische Fraktion wird daher zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

13.15

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Eingangs möchte ich zur Wortmeldung von Herrn Kollegen Weiss in der Einwendungsdebatte folgendes feststellen: Ich habe betont, daß ich nicht den Regierungsparteien angehöre. Kollege Weiss hat dann gesagt, daß er sehr froh darüber ist. (Bundesrat Bieringer: Das stimmt doch nicht!) Ich möchte hier an Ort und Stelle feststellen, daß es mich mit Stolz erfüllt, nicht den Regierungsparteien anzugehören. Denn mit dieser Bankrottwirtschaft und mit diesen Raubrittermethoden möchte ich nichts zu tun haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Wir Freiheitlichen sind es letztendlich, die jetzt die Aufgabe haben, die betroffenen Bürger vor dieser Regierung zu beschützen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Es hat weiters eine Kritik des Präsidenten Schambeck an meinen Ausführungen gegeben. Er hätte Landeshauptmann Pröll nicht zitiert. – Ich möchte darauf hinweisen, daß er erwähnt hat, daß jeder Angehörige des ÖVP-Klubs Niederösterreich über dieses Strukturanpassungsgesetz informiert wurde. Und nachdem ich nichts davon gehört habe, daß Landeshauptmann Pröll aus der ÖVP ausgetreten ist, nehme ich an, daß er noch immer diesem Klub angehört!


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