Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 88

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verträgen ebenfalls Meldung zu erhalten, um sie zusammenziehen und kumuliert betrachten zu können.

Auch diese Aspekte sind zu werten, sodaß nicht das Abkassieren der erste Beweggrund ist, sondern daß Menschen, die bisher keinen oder keinen ausreichenden sozialen Schutz genossen haben, nun in das Netzwerk der sozialen Sicherheit einbezogen werden – allerdings: ob sie dies nun wollen oder nicht. Aber, meine Damen und Herren: Auch unsere Bauern wehrten sich einst gegen die Zwangsversicherung, aber ihre Kinder und Kindeskinder sind heute froh, in der Riskengemeinschaft drinnen und nicht draußen zu sein.

Zum Schluß kommend möchte ich feststellen, daß die Gesetzwerdung der Werkvertragsregelung bestimmt nicht zu den Ruhmesblättern der parlamentarischen Arbeit gehört (demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen) , daß es aber gerade für den Parlamentarismus spricht, wenn Fehler und Unterlassungen rasch zu einer Reform führen! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

15.12

Präsident Josef Pfeifer: Am Wort ist Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. – Bitte.

15.12

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte die vorgelegte Gesetzesänderung zum Anlaß nehmen, um noch einmal in aller Kürze die Intentionen des Gesetzgebers darzustellen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Geldbeschaffung!) Die Intentionen des Gesetzgebers sind die, daß grundsätzlich alle Erwerbstätigen in Österreich sozialversichert sein sollen, egal ob Landwirte, Gewerbetreibende, Arbeiter, Angestellte oder Beamte. Alle zahlen je nach ihrem Einkommen Beiträge an die Solidargemeinschaft ein. Arbeiter und Angestellte mußten dies auch vor dem 30. Juni für Erwerbseinkommen ab 3 600 S bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 39 000 S monatlich, Auftragnehmer von sogenannten unechten Werkverträgen hingegen standen bis zum 30. Juni außerhalb der Sozialversicherung, und zwar ohne Schutz und ohne Beitragsleistung.

Immer mehr Unternehmer sind in den letzten Jahren – nicht zuletzt auch mit dem Ziel der Gewinnmaximierung – dazu übergegangen, Werkverträge ohne Sozialversicherung statt regulärer Dienstverhältnisse abzuschließen, und zwar mit sehr stark steigender Tendenz. Aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation wurden schließlich – wie ich schon vorhin angeführt habe – vor allem jungen Arbeitnehmern nur mehr freie Dienstverträge angeboten. Nach der neuen Werkvertragsregelung werden freie Dienstverträge und dienstnehmerähnliche Werkverträge seit 1. Juli in die Sozialversicherung miteinbezogen, und das war auch dringend notwendig. Es gibt gute Gründe dafür, meine Damen und Herren! Jene, die bisher trotz Erwerbstätigkeit ohne sozialen Schutz waren, sollen nicht allein gelassen werden.

Positiv betroffen von der Werkvertragsregelung ist auch die gesamte Solidargemeinschaft, denn die Sozialversicherungsbeiträge, die bisher bei unechten Werkverträgen durch die Umgehungsmöglichkeit nicht geleistet wurden, wurden bisher von allen anderen gewissermaßen mitbezahlt, um Gesundheitsvorsorge, Krankenbehandlung oder die Pensionen weiterhin zu sichern. Beschäftigte in einem Dienstvertrag zahlten also drauf. Diese Ungerechtigkeit gegenüber jenen, die ihre Beiträge Monat für Monat ablieferten, ist jetzt ausgeräumt.

Lücken im Sozialversicherungssystem beziehungsweise im Sozialversicherungsrecht zu schließen, liegt letztlich auch im Sinne aller Betriebe dieses Landes, denn Unternehmer, die ihre Arbeit bisher über unechte Werkverträge vergeben hatten, verschafften sich gegenüber jenen, die ihre Mitarbeiter korrekt als unselbständig Beschäftigte anmeldeten, erhebliche Kosten- und Wettbewerbsvorteile.

Eine niedrige Untergrenze für die Versicherungspflicht stellt eine besondere Sozialmaßnahme für einkommensschwache Menschen, die tatsächlich nicht mehr verdienen, dar. Umgekehrt ist es so: Diese Grenze konnte bis 30. Juni auch mißbraucht werden, indem sich jemand trotz


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