Bundesrat Stenographisches Protokoll 618. Sitzung / Seite 71

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esse aller zur Sicherung unseres Wohlstandes, aber auch, um unseren Lebensraum für die Zukunft zu sichern.

Für dieses heute bereits weitverbreitete Umweltbewußtsein dürfen wir dankbar sein, obwohl es logisch begründet und unverzichtbar, jedoch keineswegs Selbstverständlichkeit oder bereits Allgemeingut ist. Nur wenn es uns gemeinsam gelingt, glaubhaft Fragen der Umwelt zu Lebensfragen und zu Überlebensfragen zu machen, kann es uns auch gelingen, den Schutz unserer Umwelt noch rascher als bisher voranzutreiben.

Aus der Fülle der einzelnen Schwerpunkte dieses Berichtes möchte ich auf das Thema Wald und dabei im besonderen auf die Frage Naturwaldreservate Bezug nehmen. Mit der Unterzeichnung der Resolution der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa im Jahre 1993 in Helsinki hat sich Österreich verpflichtet, die Einrichtung eines Netzwerkes von Naturwaldreservaten voranzutreiben. Ziel dieser Resolution ist unter anderem die Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt des Waldes als Grundvoraussetzung für sein nachhaltiges Bestehen und die Erfüllung seiner Funktionen.

Mit dieser Definition lassen sich Naturwaldreservate begrifflich umschreiben. Konkret handelt es sich bei Naturwaldreservaten um Waldteile, die für die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald bestimmt sind und in denen die unmittelbare Beeinflussung unterbleibt. Naturwaldreservate sind somit ein Beitrag zur Erhaltung und natürlichen Entwicklung der biologischen Vielfalt und dienen der Forschung, der Lehre und der Bildung. Naturwaldreservate sollen die Baumartenzusammensetzung und Bestandstruktur der natürlichen Vegetationsverhältnisse möglichst gut repräsentieren beziehungsweise diese Voraussetzungen in absehbarer Zeit erreichen. Von jeder Waldgesellschaft Österreichs soll deshalb mindestens eine ausreichend große Fläche zur unbeeinflußten natürlichen Entwicklung als Naturwaldreservat vorhanden sein.

Die ersten Waldreservate in Mitteleuropa gehen auf das vorige Jahrhundert zurück, als bis dahin niemals genutzte Wälder, also echte Urwälder, von den Besitzern für alle Zukunft sich selbst überlassen wurden. In Österreich sind dies zum Beispiel die Urwälder Rothwald und Neuwald in Niederösterreich. Erst später kam die Idee auf, Urwälder aus zweiter Hand zu schaffen und bis dahin normal bewirtschaftete Waldteile als Naturwaldreservate sich selbst zu überlassen.

Heute bestehen in Österreich rund 90 Reservate mit einer Gesamtfläche von zirka 4 000 Hektar. Für die Erhaltung aller Waldgesellschaften Österreichs wird etwa die dreifache Fläche an Reservaten notwendig sein. Im Verwaltungsbereich der Stadt Wien – im Wienerwald, in der Lobau und im Quellschutzgebiet – wurden bereits 13 Reservate mit einer Gesamtfläche von über 930 Hektar eingerichtet und wissenschaftlich bearbeitet. Im gesamten Bereich des Wienerwaldes bestehen derzeit etwa 165 Hektar Naturwaldreservate. Der gesamte Flächenbedarf für die Erhaltung aller im Wienerwald vorkommenden Waldgesellschaften liegt allerdings bei etwa 705 Hektar. Dies entspricht einem Prozent des gesamten Wienerwaldes.

Vorrangiges Ziel von Naturwaldreservaten ist also nicht die Konservierung des derzeitigen Zustandes bestimmter Waldteile, sondern die Zulassung ihrer natürlichen Entwicklung. Auch wenn solche Waldflächen früher durch Kahlschlag genutzt wurden, nähern sie sich mit zunehmender Dauer der Nichtbewirtschaftung in ihrer Entwicklungsdynamik wieder dem ursprünglichen Wald. Naturwaldreservate wirken insbesondere auch als Indikatorflächen für Veränderungen des Waldes als Reaktion auf Umweltveränderungen.

Der Einfluß von sich rasch verändernden Umweltbedingungen auf Waldökosysteme kann in Naturwaldreservaten unbeeinflußt von direkten menschlichen Einflüssen verfolgt werden. Der Verein "Niederösterreich – Wien, gemeinsame Erholungsräume" mit Sitz in Laxenburg, dem ich als einer der Geschäftsführer vorstehe und der sich unter anderem für die Umsetzung der Wienerwald-Deklaration zuständig fühlt, hat dazu bereits im Jahre 1994 in Kooperation mit den Bundesforsten und den Forstverwaltungen von Wien und Niederösterreich eine Studie zum Thema "Naturwaldreservate im Wienerwald" in Auftrag gegeben und gefördert.

Ziel dieser Studie war es, für den im besonderen Augenmerk der Öffentlichkeit stehenden Wienerwald sämtliche wichtigen Grundlagen über den Landschaftsraum und den Wald zu


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