Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 53

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Den kranken Menschen neue Hoffnung zu geben – das war der Grundtenor der Ansprachen, die vor 14 Tagen in meinem Heimatbezirk Osttirol gehalten wurden, als eine Drogen- und Alkoholberatungsstelle eröffnet wurde. Der zuständige Gerichtsvorsteher sagte: Im Vorjahr wurden 42 Anzeigen nach dem Suchtgiftgesetz erstattet, die zu fünf Verurteilungen führten; in den anderen Fällen wurden Therapiemaßnahmen angeordnet. Damit wird auf den Stellenwert hingewiesen, den die Hilfeleistung gegenüber den Süchtigen auch in der Rechtspflege hat.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf einen Vergleich verweisen, den der amerikanische Soziologe Stanley Cohen angeboten hat, um die derzeitige Drogenarbeit zu charakterisieren. Danach müßte man sich eine auf diesem Gebiet tätige Person etwa so denken, daß sie am Ufer eines Flusses entlanggeht und nach Menschen Ausschau hält, die hilflos in der Mitte des Flusses treiben, von der Strömung fortgespült werden und vergeblich versuchen, über Wasser zu bleiben und ans Ufer zu gelangen. Der Helfer am Ufer ist eifrig bemüht, die Vorbeitreibenden aus dem Wasser zu ziehen, ihnen Rettungsleinen zuzuwerfen oder ihnen durch lautes Rufen und Gestikulieren die Stellen zu zeigen, an denen sie vorläufig Halt finden können. Doch immer, wenn es gelungen ist, eine Person aus dem Wasser zu ziehen oder vorübergehend zu sichern, treiben schon die nächsten Opfer heran, einige in Reichweite, andere nahezu unerreichbar. Während eine Vielzahl von Helfern am Ufer mit der Rettung der Vorbeitreibenden beschäftigt ist, wird eine kleine Gruppe für eine Spezialaufgabe zusammengestellt und flußaufwärts geschickt, um die Stellen ausfindig zu machen, an denen die Menschen ins Wasser fallen oder hineingestoßen werden. Dort sollen sie Warn- und Hinweisschilder aufstellen, gegebenenfalls das Terrain abriegeln oder andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um weitere Unglücksfälle zu verhüten. Da es aber keine Landkarte für das Gebiet flußaufwärts gibt, muß diese Gruppe am Flußufer entlang das Gelände nach und nach erkunden und dabei Wege gehen, die mitunter nicht sehr weit führen. – Ende des Zitats.

Dieses Warnschilder-Aufstellen und Terrain-Abriegeln ist eine der vorhin genannten vier Säulen, das ist die Prävention. Prävention bedeutet ein Zuvorkommen, ein Zuvorkommen gegenüber ausweichendem Verhalten. So gesehen ist es eine kulturelle, soziale und pädagogische Aufgabe.

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation – WHO – können drei Arten von Prävention unterschieden werden. Ich möchte diese drei Arten anführen, weil der Prävention auch in der Rede von Dr. Böhm ein gewisser Stellenwert beigemessen wurde. Die primäre Prävention setzt vor dem experimentellen beziehungsweise vor dem regelmäßigen Gebrauch an. Die sekundäre Prävention hat ebenfalls zwei Ansatzpunkte, und zwar vor dem regelmäßigen beziehungsweise vor dem übermäßigen Gebrauch. Die tertiäre Prävention setzt vor dem übermäßigen Konsum beziehungsweise als dessen Begleitmaßnahme an. Je nach dem Zeitpunkt des Eingreifens wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden.

Die Prophylaxe, die realistischerweise hauptsächlich in der Schule stattfinden kann, ist die primäre und die sekundäre Prävention. Sie besteht in erster Linie nicht in einer Informationsweitergabe, sondern in einer Veränderung der Verhaltensweisen. Darüber hinaus geht es darum – ich weiß, was ich jetzt sage –, die Schule so zu gestalten, daß sie nicht zum suchtauslösenden Faktor wird. Die periodische Beilage zur April-Ausgabe des Verordnungsblattes des Landesschulrates für Tirol befaßt sich eingehend mit Gesundheitsförderung und Suchtprävention in den Tiroler Schulen.

Ich möchte zunächst grundsätzlich zu der Frage Stellung nehmen, warum es Suchtprävention in der Schule geben soll. Mit Sicherheit kann die Schule nicht mehr tun, als sich an den notwendigen Maßnahmen zu beteiligen. Sie darf nicht als die Institution angesehen werden, die vor allem aufgerufen ist, den Rauschmittelkonsum zu stoppen, wie es leider immer wieder gefordert wird. Die Schule allein ist nicht in der Lage, alle Schüler vor den Gefahren von Nikotin, Alkohol und Drogen zu bewahren. Die Schule ist nur eine der Kräfte im Feld der Vorbeugung, einerseits wegen der begrenzten Erziehungs- und Einflußmöglichkeiten, andererseits wegen der anderen Aufgaben der Schule.


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