Bundesrat Stenographisches Protokoll 631. Sitzung / Seite 50

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine Damen und Herren! Wollen wir also eine bäuerliche Landwirtschaft in Zukunft in Österreich haben, die auch flächendeckend ist, dann brauchen wir vorrangig zweierlei: zum einen die verstärkte Kooperation mit den Konsumenten – diese entscheiden schließlich mit ihrem Kaufverhalten auch über die Produktionsbedingungen – und zum anderen EU-weite Rahmenbedingungen, die die Fortsetzung des öko-sozialen Kurses nicht nur in Österreich, sondern darüber hinaus auch in der Europäischen Union garantieren.

Mit den in der "Agenda 2000" enthaltenen Vorschlägen der EU-Kommission wird dieser Weg jedenfalls nicht gangbar sein. Eine Bewertung der Kommissionsvorschläge durch die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern hat ergeben, daß die heimische Landwirtschaft bei voller Umsetzung der "Agenda 2000" für die Märkte Getreide, Ölsaaten, Milch und Milchprodukte sowie Rinder gegenüber dem derzeitigen Stand in Summe etwa 1,6 Milliarden Schilling jährlich verlieren würde. Die in der Agenda vorgeschlagene Senkung der institutionellen Agrarpreise für Getreide um 20 Prozent, für Rindfleisch um 30 Prozent und für Milch um 10 Prozent würde natürlich voll auf die Erzeugerpreise durchschlagen. Die Erlöse würden unter Agenda-Bedingungen die variablen Kosten für die heimische Agrarproduktion nicht mehr decken.

Durch den unvollständigen Einkommensausgleich würde die Kommission ihre wesentliche Zielsetzung für die Reform, nämlich die Stabilisierung der landwirtschaftlichen Einkommen zu sichern, nicht erreichen. Besonders zu kritisieren ist, daß die Kommission den vorhandenen Handlungsspielraum zur Verringerung beziehungsweise zur Beseitigung möglicher Marktprobleme in einzelnen Sektoren nicht nutzt, sondern nur einseitig auf Preissenkungen setzt. So werden etwa die Möglichkeiten zur Verringerung der Unterversorgung mit Ölsaaten oder Proteinpflanzen in der Europäischen Union nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen. Vorschläge zur verstärkten Nutzung von agrarischen Rohstoffen im Nicht-Nahrungsmittelbereich werden überhaupt nicht unterbreitet. Außerdem sollte auch beachtet werden, daß die im Gegenzug zu den Preissenkungen vorgesehenen Direktzahlungen erfahrungsgemäß in Zeiten knapper Budgetmittel von starken politischen Unwägbarkeiten abhängig sind, momentan eine Möglichkeit bieten, aber nach kurzer Zeit wieder in Frage gestellt werden. Schließlich sind die in der Agenda vorgesehenen nationalen Gestaltungsmöglichkeiten wie die Einführung von Obergrenzen, zusätzliche Produktionsauflagen und vieles mehr abzulehnen, da diese eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Union bedeuten würden. Mögliche nationale Gestaltungsspielräume und Auflagen dürfen über Vorschriften im EU-Recht, also beispielsweise die Nitratrichtlinie, nicht hinausgehen, denn das, was wir im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Land- und Forstwirtschaft am allerwenigsten zumuten können und benötigen, ist nun, nachdem die Diskussion um die alte Renationalisierung Gott sei Dank wohl endgültig vom Tisch ist, sozusagen eine Renationalisierung durch die Hintertüre. Die Beispiele, die ich Ihnen vorhin im Zusammenhang mit der Tierhaltung genannt habe, mögen als Warnung dafür gelten.

Wie soll denn unsere Landwirtschaft gegenüber Ländern in Übersee, die ganz andere Produktionsbedingungen und ganz andere Produktionsmethoden haben, wettbewerbsfähig sein, wenn die Auflagen, die sie zu erfüllen hat, immer härter werden? – Ich empfinde überhaupt den Ansatz der Kommission in der Agenda als Widerspruch, nämlich der europäischen Landwirtschaft immer mehr Auflagen zu erteilen und sie gleichzeitig zunehmend einem Wettbewerb auf dem Weltmarkt auszusetzen, auf dem die hohen Qualitätsstandards Europas nicht durchsetzbar sind.

Wenn man sich die Agenda anschaut, wird man insgesamt den Verdacht nicht los, daß die Kommission bereits jetzt einseitige Vorleistungen der Europäischen Union für die 1999 beginnenden WTO-Verhandlungen erbringen möchte. Dies bestätigt sich, wenn man sich die Meinungen der EU-Landwirtschaftsminister in der Agenda ansieht, und ich darf hier stellvertretend für viele auch Bundesminister Mag. Molterer nennen – mit wenigen Ausnahmen, wenn man Großbritannien und Schweden hernimmt, die eine völlig andere Meinung zur "Agenda 2000" vertreten.

In den kommenden Verhandlungen über die Agenda geht es also um eine Richtungsentscheidung, die in etwa lautet: Soll die Entwicklung der Agrarpolitik nur noch durch den Preis und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite