Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 32

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Deshalb frage ich Sie: Welche globalen Gefährdungspotentiale sehen Sie für Österreich, welche regionalen Konfliktherde sehen Sie gegeben, die zu Gefährdungspotentialen werden könnten, und wie schätzen Sie diese ein?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es ist das für eine Erörterung in der Öffentlichkeit zwar nur bedingt geeignet, weil man zweifellos auch immer Rücksicht nehmen muß auf Sensibilitäten, die daraus entstehen könnten.

Lassen Sie es mich so formulieren: Mit dem Ende des kalten Krieges ist die Gefahr einer Paktauseinandersetzung vorbei. Die ist zweifellos auf längere Sicht vorbei. Aus dieser Situation von lower risk ist aber auf der anderen Seite auch lower stability entstanden, was insbesondere in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von regionalen und lokalen Konflikten, was deren Häufigkeit betrifft, ihren Ausdruck findet.

Ich sage das auch deshalb, weil man gemeint hat, daß der Fall Jugoslawien ein Sonderfall sei und keine Erweiterungen zur Folge haben werde. Der Fall Albanien hat für mich sehr deutlich gezeigt, wie schnell eine Destabilisierung in einem Land eintreten und wie schnell ein staatliches System zusammenbrechen kann.

Das heißt, daß es immer wieder völlig neue Situationen gibt, die vorher auch nicht vorzusehen waren und die man daher nicht automatisch in die Planung miteinbeziehen kann.

Man kann sagen, daß es wesentlich mehr Instabilitäten auf dem konventionellen Sektor gibt. Das bezieht sich, insbesondere räumlich gesehen, in Europa auf den Balkan. Es sind aber auch Konflikte zwischen Staaten und zwischen einzelnen Regionen, etwa aufgrund von Auseinandersetzungen ethnischer Natur, in anderen Gegenden nicht auszuschließen.

Als einen weiteren Gefährdungsbereich sehen wir Nordafrika und den Nahen Osten, denn wir dürfen nicht nur Europa im kontinentalen Sinn als unser unmittelbares Sicherheitsfeld sehen, sondern zweifellos auch das Umfeld. Dieses Umfeld zeichnet sich nicht durch besonders hohe Stabilität aus. So wissen wir aus der tagtäglichen Erfahrung, daß es dort – oft gar nicht im staatlichen Bereich, sondern im halbstaatlichen oder innerstaatlichen Bereich – zu Entwicklungen kommt, die in den Ländern selbst zu Gefährdungen führen und die teilweise auch nach außen getragen werden. Insofern ist gerade diese oft als subkonventionelle Gefährdung bezeichnete Gefahrenquelle eine, die man in Zukunft nicht außer acht lassen soll, weil derartige Staaten und auch Großorganisationen heute die Möglichkeit haben, in den Besitz von weitreichenden Waffensystemen zu kommen, insbesondere von Waffensystemen, mit denen Massenvernichtung nach wie vor möglich ist, etwa auf biologischem, chemischem, aber natürlich auch auf atomarem Gebiet. Ich sehe das als ein Gebiet an, das leider, muß ich dazusagen, auch oft von Militärs immer wieder unterschätzt wird, weil es sich nicht im konventionellen Bereich bewegt.

Man muß auch von sich selbst ausgehen. Nach der Beendigung des Golfkriegs war das Kapitel "Irak" für die Europäer eigentlich von der Bildfläche verschwunden. Erst im Zuge von Auseinandersetzungen und Krisen zeigte sich dann wieder eine Gefährdung. Eine solche könnte immer auftreten. Zwei Wochen später, nachdem ein Konflikt beigelegt worden ist, hat man es schon fast wieder vergessen. Aber das Problem bleibt, die grundsätzliche Problemstellung ist damit nicht aus der Welt geschafft. Ähnliches könnte man von vielen anderen Ländern sagen. Insoferne dürfen wir, glaube ich, nicht davon ausgehen, daß keine neuen Gefährdungen auftreten können. Es wäre zwar allzu schön, ich würde es mir wünschen, aber leider ist dem nicht so. Wenn wir etwas aus der Geschichte lernen wollen, dann sicherlich eines: daß es immer wieder zu neuen Gefährdungen – zwar in einer anderen Art und Weise – gekommen ist. Da muß man eben rechtzeitig vorsorgen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 12. Anfrage, die die Frau Bundesrätin Helga Markowitsch stellen wird. Frau Bundesrätin! Ich darf Sie um die Verlesung Ihrer Anfrage bitten.


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