Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 112

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Die Anzahl der Kinder – das muß man leider feststellen – ist in unserer Gesellschaft ein bedeutender Armutsfaktor geworden. Das zeigen viele Studien und Forschungsergebnisse. Ich zitiere nur die Studie des Interdisziplinären Forschungszentrums der Sozialwissenschaften IFS, das kürzlich festgestellt hat, daß Haushalte mit einem Kind zu 10 Prozent, Haushalte mit zwei Kindern zu 28 Prozent und Haushalte mit drei Kindern zu 46 Prozent von der Armutsquote erfaßt werden und daß das zur Verfügung stehende Einkommen gestaffelt nach der Kinderanzahl von 20 700 S ohne Kinder auf 11 400 S bei drei Kindern sinkt.

Ich meine, alleine daran kann man erkennen, daß diese Mehrkinderstaffel auch weiterhin Geltung haben muß, weil bei Familien mit mehreren Kindern zumeist die Chance auf Erwerbstätigkeit beider Elternteile sinkt. Auch bei mir ist es so, daß zum Beispiel meine Gattin zu Hause bleibt, um sich der Erziehung unserer drei Kinder zu widmen. Aber trotzdem steigen mit der Kinderzahl die Kosten additiv an. Ich führe nur das Beispiel von Schulskikursen an. Es geht weiter über Kleidung, die Wohnung muß vergrößert, größere Autos müssen angeschafft werden und so weiter. Das heißt, die Behauptung, daß ein Kind die meisten Kosten verursacht, ist in diesem Fall meiner Ansicht nach nicht richtig.

Dazu kommt noch folgendes: Wenn man sich nur an der Mehrheit orientiert und davon ausgeht, daß in Österreich die Mehrheit Familien mit einem Kind sind, kann man auch davon ausgehen, daß – das ist an sich ein Wort, das ich nicht gerne verwende, aber es ist eben der Fachausdruck – die Reproduktionsziffer in Österreich nur mehr 1,3 Kinder ausmacht. Es ist eindeutig und klar festzustellen, daß zwar nach der Volkszählung 1991 rund 500 000 Kinder in Einkindfamilien gelebt haben, daß man zwar – das kennt jeder von uns, der Geschwister hat – mit einer Einkindfamilie – außer es sind Zwillinge oder Drillinge – anfängt, aber sehr oft Gott sei Dank weitere Kinder dazukommen. Auch diese Zahlen stellen sich dann wieder anders dar, und daher kann auch heute davon ausgegangen werden, daß genau jene Kinder, die damals in Einkindfamilien aufwuchsen, heute in 422 000 Zweikinderfamilien aufwachsen.

Wir erwarten uns, daß diese Maßnahmen aus den von mir erwähnten Gründen aus den budgetären Mehreinnahmen erzielt werden. Wir gehen davon aus, daß die Steuerreform, die für das Jahr 2000 geplant ist, primär Familien zugute kommt und damit der Ausgleich geschaffen wird, daß diese Familien in den Jahren zuvor zuviel Steuer bezahlt haben. Wir von der Volkspartei gehen davon aus, daß wir die Überschüsse des Familienlastenausgleichsfonds, die es richtigerweise geben wird, weiterhin den Familien zugute kommen, indem endlich die Familienbeihilfe und das Karenzgeld valorisiert werden, denn während seit dem Jahre 1990 der Ausgleichszulagenrichtsatz um 41,5 Prozent, die Pensionen um 22,1 Prozent und der Verbraucherpreisindex um 21,8 Prozent gestiegen sind, gab es bei der Familienbeihilfe keine Valorisierung. Wir wollen den Familienlastenausgleichsfonds nicht als Sparkasse, sondern wir wollen, daß dieser Familienlastenausgleichsfonds den Familien zugute kommt und darüber hinaus die Familien auch noch im Steuerrecht in Zukunft dementsprechend bedacht werden.

Die Maßnahmen, die mir von der SPÖ bekannt sind, sind für mich aus zehn Gründen abzulehnen. Sie enthalten erstens keinen Ansatz zur Familiensteuerreform, sondern verlangen stattdessen eine steuerliche Mehrbelastung durch die Beseitigung der Mehrkinderstaffel bei den Kinderabsetzbeträgen.

Sie sind zweitens bezüglich Streichung der Mehrkinderstaffel nicht nur familienpolitisch abzulehnen, sondern stehen auch in keinem Zusammenhang mit der Umsetzung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses zur Familienbesteuerung.

Sie hätten drittens übrigens zur Folge, daß der Finanzminister spätestens ab dem Jahre 2000 von den Familien jährlich zusätzlich 2 Milliarden Schilling aus Steuereinnahmen für das Budget lukrieren könnte.

Sie stützen sich viertens dabei auf die unzutreffende Behauptung, die Kosten des ersten Kindes seien am höchsten und die meisten Kinder wüchsen in Einkindfamilien auf.


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