Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 97

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16.54

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Die Doppelconférence, die Sie uns in den letzten Minuten geboten haben, war sehr beeindruckend. Wir von seiten der freiheitlichen Opposition bedanken uns dafür. Beeindruckend war sie allerdings nur dahin gehend, was die Theatralik und die Regie anlangt, meine Dame, mein Herr! Was die inhaltlichen Darlegungen betrifft, sehen wir erhebliche Lücken, so wie der Herr Vizepräsident, der sich auch erkundigen mußte, ob die Beantwortung der Anfrage nunmehr zu Ende sei oder noch weitergehe. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Frau Staatssekretärin! Wenn Sie einen befriedeten Kontinent als großes politisches Ziel aller europäischen Staaten darlegen, dann bekommen Sie doch keinen Widerspruch, auch von uns nicht! Nur müssen Sie sich im klaren darüber sein, daß Sie dabei eine Utopie beschreiben und daß es uns als Politikern darum gehen muß, konkrete, realistische Schritte in der Gegenwart zu planen.

Wenn Sie, Herr Staatssekretär, hier von Bedingungen reden, die erfüllt werden müßten, bevor man über den Beitritt dieser mittel- und osteuropäischen Länder reden kann, dann sind Sie schon auf dem besten Wege dahin, wenn Sie davon sprechen, daß es Förderungen für Grenzregionen und Strukturfonds geben muß und daß auch die EU einen Strukturwandel in jenen Bereichen, die wichtig sind, vor allem im Bereich der Agrarförderung, vornehmen muß.

Es geht uns Freiheitlichen hier nicht darum, Ihre Utopien zu zerstören. Bewahren Sie diese ruhig! Es geht uns darum, im Rahmen dieser Projekte der Europäischen Union die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten. Und es geht uns darum, darauf hinzuweisen, daß es notwendig ist, einen klaren und zumutbaren Zeitplan für alle diese Schritte festzulegen und dann auch zu realisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, wir sind nicht allein mit den Sorgen der Bevölkerung, die wir hier skizzieren, meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen – gerade in Richtung Niederösterreich einen, wie ich hoffe, ganz unverdächtigen Zeugen zitieren, und zwar den Präsidenten des Österreichischen Gemeindebundes, den niederösterreichischen Landtagspräsidenten Franz Romeder. Er erklärte bei einer Konferenz in Graz folgendes:

Romeder forderte, daß auch in Österreich alle Grenzregionen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten ein lückenloses Ziel-1-Gebiet werden sollten. Darüber hinaus verlangte er die Aushandlung von klaren Übergangsfristen und -kriterien für die Beitrittskandidaten, um eine sukzessive Anhebung der Standards zu ermöglichen und Wettbewerbsnachteile für die Grenzräume in Österreich zu verhindern. Präsident Romeder begründete seine Forderungen damit, daß die Grenzregionen in Österreich durch eine dünne Besiedlung und durch kleine und mittlere Gemeinden gekennzeichnet sind und zu den benachteiligten Regionen zählen. Sie haben mit finanziellen und strukturellen Problemen zu kämpfen, in Österreich wird dies für einen Teil der Grenzräume noch dadurch verstärkt, daß sie durch Ungunstlagen benachteiligt sind. Die Konsequenzen sind niedriges Lohnniveau, hohe Arbeitslosigkeit und starke Abwanderung.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sagt kein böser Freiheitlicher. Das sagt der Präsident des Niederösterreichischen Landtages. (Bundesrat Kone#ny: Das ist die Politik der Regierung, diese Bedenken zu artikulieren! – Bundesrat Mag. Gudenus: Er hat völlig recht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Vor kurzem fand eine Veranstaltung in der Südsteiermark statt, bei der sich Unternehmer von Klein- und Mittelbetrieben zusammengetan und ihre Sorgen geäußert haben. In einem Artikel aus der Zeitung "Die Presse" vom 7. März steht folgendes zu lesen:

"Seit es klar ist, daß der Beitritt der osteuropäischen Nachbarstaaten zur Europäischen Union mittelfristig bevorsteht, macht sich in der Südsteiermark Panik breit. Kaum einer der rund 5 000 Handwerks- und Kleingewerbebetriebe im Grenzgebiet traut sich zu, dem enormen Kostendruck standzuhalten, der aufgrund der unterschiedlichen Höhe der Löhne und der Steuern für die erste Zeit der Grenzöffnung zu erwarten ist."


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