Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 104

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Frau Bundesrätin Haunschmid! Auf Ihre Ausführungen muß ich allerdings replizieren: Sie sprechen von Ungleichgewichtung und Ungerechtigkeit, was für mich völlig unverständlich ist und was wahrscheinlich auch von Ihren Parteifreunden in dieser Form nicht akzeptiert werden kann. Denn Sie wollen den ungezügelten Zuzug nach Österreich, und dieser ist nicht möglich, um es klar zu sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesrätin Haunschmid hat gesagt, daß es hier einen Mann gibt, der bereits seit 18 Jahren hier lebt, und dessen Frau immer auf sechs Monate pro Jahr nach Österreich kommt. Wenn sie will, könnte sie allerdings um Familiennachzug ansuchen! Es kann mir niemand sagen, daß sie innerhalb der genannten 18 Jahre nicht bereits die Möglichkeit gehabt hätte, hier in Österreich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Eine solche Darstellung weise ich entschieden zurück! Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich diese Frau wirklich ernsthaft bemüht hat!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch etwas ganz klar sagen. Wir haben derzeit zirka 748 000 ausländische Mitbürger in Österreich. Das ist der höchste Ausländeranteil innerhalb der Europäischen Union, wenn ich von Luxemburg absehe, aber Luxemburg ist ein kleines Land mit 400 000 Einwohnern. Sogar Deutschland und alle anderen Staaten haben weniger ausländische Mitbürger als Österreich. 1986 waren es noch zirka 350 000. Das heißt, daß sich diese Zahl innerhalb von 13 Jahren mehr als verdoppelt hat. Dazu haben nicht nur die bosnischen Kriegsflüchtlinge, sondern auch sehr viele andere beigetragen. So sind etwa auch sehr viele Türken und Kurden nach Österreich gekommen. Wir hatten pro Jahr rund 7 000 bis 10 000 Asylwerber – bis 1989 waren es mehr, seit 1989 sind es weniger, weil alle politischen Verfolgungsgründe im Osten Europas weggefallen sind – , und wir haben sehr vielen Menschen Zuflucht und Hilfe gegeben.

Frau Bundesrat! Derzeit besteht folgende Situation. Von den knapp 750 000 ausländischen Mitbürgern, die in Österreich sind und eine legale Aufenthaltsbewilligung haben, haben mehr als 80 000 eine Aufenthaltsbewilligung und können unbefristet dableiben, jedoch keine Arbeitsbewilligung und damit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Von diesen 80 000 sind an die 60 000 im arbeitsfähigen Alter, also zwischen dem 15. und dem 60. Lebensjahr, und weitere, die derzeit noch jünger sind, kommen langsam nach.

Das heißt also: Die Politik muß dafür sorgen, daß zuerst die Menschen, die in Österreich sind und eine Aufenthaltsbewilligung haben, eine Beschäftigung haben, und erst dann kann sie einen Neuzuzug gestatten. Sie können das als Trendumkehr in der Politik bezeichnen, die in den letzten Jahren eingesetzt hat, daß wir jetzt darauf Wert legen, zuerst die Menschen, die schon da sind, bestmöglich zu integrieren. Dazu zählen auch die Kriegsflüchtlinge, die nicht zu jenen 80 000 gehören. Und erst dann, wenn diese Menschen integriert sind und den Zugang zum Arbeitsmarkt haben, dürfen neue zuziehen. Darum haben wir die Zuwanderungsquote so herabgesetzt. Sie betrug jedes Jahr mehr als 20 000 oder 30 000, im heurigen Jahr beträgt sie nicht einmal mehr 10 000. Die Zahl der Zuwanderung von normalen Erwerbstätigen – wenn ich den Ausdruck verwenden darf – beträgt de facto null. Wir erlauben im wesentlichen nur noch Zuwanderungen im Zuge der Familienzusammenführung.

Zu dem Fall, den Sie, Frau Bundesrat Haunschmid, geschildert haben: Diese Frau hat ohne Zweifel die Möglichkeit, über die Familienzusammenführung nach Österreich zu kommen und hierzubleiben. Sie muß halt bei der oberösterreichischen Landesregierung darum ansuchen, dann wird sie in ein, zwei, drei Jahren – es gibt selbstverständlich eine gewisse Wartezeit – die Möglichkeit haben, zuzuwandern. – Ich glaube, das dies nicht eine Politik mit ideologischen Scheuklappen, sondern eine vernünftige und rationelle Politik ist.

Darüber hinaus gibt es sogenannte Saisonarbeitskräfte, die in bestimmten Betrieben, nämlich in landwirtschaftlichen oder gastgewerblichen Betrieben, arbeiten, in welchen sie für einen bestimmten Zeitraum eingesetzt werden, zum Beispiel als Erntearbeiter. Diesbezüglich haben wir gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer eine Regelung getroffen, die akzeptiert wird und die dazu dient, daß Menschen hier innerhalb eines kurzen Zeitraums – auf zwei, drei oder vier Monate – arbeiten können. In der Regel sind das Menschen, die


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