Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 127

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tastet bleiben müssen. Hier sind klare Grenzziehungen erforderlich. Aber es gibt offensichtlich, wie die praktischen Erfahrungen auch zeigen, einen Bedarf über das bestehende Instrumentarium hinaus, einen Beratungsbedarf und auch einen Dokumentationsbedarf. Lassen Sie es mich so sagen: Es erscheint mir zweckmäßig, wenn auch öffentliche Strukturen so gut informiert sein können und sein sollen, wie das jetzt manche dieser Sektengruppierungen durchaus sind.

Ich verstehe die Haltung der Freiheitlichen, Herr Bundesrat Gudenus, in dieser Frage längst nicht mehr. Wenn ich an die Aktivitäten der Frau Nationalratsabgeordneten Apfelbeck denke, die diesbezüglich über Jahre eine der großen Fürsprecherinnen war, an die Arbeit im Familienausschuß durch Ihre Fraktion, dann an die völlige Kehrtwendung, die darin gegipfelt hat, daß Frau Abgeordnete Apfelbeck im Nationalratsplenum gar nicht mehr das Wort ergriffen hat, sondern ausschließlich Herr Mag. Stadler, dann kann ich Ihre Linie nicht mehr klar erkennen.

Herr Mag. Stadler hat sich im Nationalrat zum Retter der Kirchen aufgeschwungen, indem er gemeint hat, daß jetzt nicht die Feststellung des § 1 Abs. 2, sondern, ganz im Gegenteil, eine Ausschußfeststellung für mich entscheidend ist, die mich beauftragt und die gewissermaßen von mir auch die Zusicherung mitbeinhaltet, daß ich, wenn es im Rahmen dieser Tätigkeit Gefährdungen innerhalb der gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften geben sollte, die mir bekannt seien, dann nichts anderes tue, als die leitenden kirchlichen Organe dieser gesetzlich anerkannten Kirchen zu verständigen.

Es war und ist für mich daher nicht mehr klar ersichtlich, wo jetzt die Linie der Freiheitlichen ist.

Wenn ich jetzt informiert werde, daß die Freiheitlichen im Ausschuß des Bundesrates dieses Gesetz mitgetragen haben, sie aber angekündigt haben, im Plenum des Bundesrates würden sie das nicht mehr tun, dann ist das nicht nachvollziehbar. (Bundesrat DDr. Königshofer: Freies Mandat!)

Ich möchte auch ausdrücklich festhalten, daß das Thema, wie man mit Gruppierungen innerhalb der etablierten Kirchen umgeht, natürlich ein Diskussionsthema war, und ich weiß sehr genau, daß unser erster Begutachtungsentwurf einen anderen Inhalt hatte. Zwei Gründe haben uns dazu bewogen, im Gesetzestext jetzt die Formulierung zu wählen, die § 1 Abs. 2 enthält, meine Damen und Herren:

Zum ersten die praktische Erfahrung, daß Betroffene aus innerkirchlichen Gruppen für uns bei vielen Tausenden Kontakten, die meine Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr hatten, kein oder jedenfalls nur ein verschwindend kleines Problem dargestellt haben. Das heißt, die Zahl der Fälle, die uns zu Ohren gekommen ist, ist, wie gesagt, minimal bis nicht vorhanden.

Zum zweiten waren die verfassungsrechtlichen Bedenken entscheidend, daß Artikel XV des Staatsgrundgesetzes eine derartige textliche Formulierung nicht zuließe.

Ich meine, daß mit der gefundenen Kompromißform in der Ausschußfeststellung ein vernünftiger Mittelweg gegangen wurde.

Es ist mit dieser Bundesstelle für Sektendokumentation und -information jetzt auch das Dach für ein Haus möglich geworden, ein Haus, das die Sektenberatungsstellen in den Bundesländern schaffen sollten. Herr Bundesrat Wilfing hat das bereits angezogen. Es ist innerhalb von etwas mehr als einem Jahr gelungen, in jedem Bundesland zumindest eine derartige Familienberatungsstelle auf das Thema Sektenberatung zu spezialisieren, und wir sind dort auch mit vergleichsweise vernünftigen Budgetmitteln in der Lage, uns dem Bedarf flexibel anzupassen, sprich: die Beratungszeit auf jenes Maß auszudehnen, das eben zur Beratung von interessierten Bürgern notwendig ist.

Damit, sehr verehrter Herr Präsident und meine Damen und Herren des Bundesrates, möchte ich schließen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.09


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