Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 62

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek das Wort.

12.45

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst dem Herrn Vorredner zuwenden. Ich habe ein grundsätzliches Verständnis für das, was Sie angesprochen haben. Ich bitte Sie aber zu verstehen, wenn ich gerade im Hinblick auf das jetzt hier debattierte Gesetz sage, daß es darauf nicht zutrifft. Es handelt sich hiebei überhaupt nicht um eine Novelle eines Gesetzes, sondern um ein vollständig neues eigenständiges Gesetz, das praktisch überhaupt nichts mit dem früheren Atomhaftpflichtgesetz zu tun hat.

Ansonsten ist das Justizressort immer sehr bemüht, bei gesetzlichen Neuerungen durch eine Gegenüberstellung im Anhang die alte Fassung links, die neue Fassung rechts und durch entsprechende Unterstreichungen das Neue klar darzustellen. Das heute vorliegende Gesetz konnte diesen Weg nicht gehen, weil es etwas vollständig Neues ist.

Was die Möglichkeit der Beurteilung des hier zur Beschlußfassung Vorgelegten anlangt, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Gerade dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wurde mit größter Akribie begründet, und gerade zu diesem Gesetz wurde in den Erläuternden Bemerkungen alle Für und Wider aufgeführt, woraus Sie auch ersehen können, daß wir offen mit den Regelungen gerungen haben.

Der Kernpunkt des Gesetzes besteht in der Aufgabe der Kanalisierung der Haftung. Davon leitet sich alles andere ab. Und gerade diese Frage wurde über viele Seiten mit allen Für und Wider dargelegt, damit hat man sich sehr ausführlich auseinandergesetzt. Zu allen Punkten gibt es ausführlichste Erläuterungen, auch mit den sich daraus ergebenden Folgerungen und Weiterungen.

Herr Bundesrat! Mag also Ihre Kritik zu anderen Gesetzen, vor allem zu Novellierungen, gerechtfertigt sein, so muß ich doch sagen, für dieses Gesetz – davon bin ich überzeugt – ist sie nicht gerechtfertigt, da es sich um ein eigenständiges neues Gesetz mit außerordentlich umfangreichen Erläuterungen handelt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage geben geradezu ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie die Abwägung der Für und Wider für die Grundsatzentscheidung und die sich daraus ergebenden Einzelentscheidungen stattgefunden hat.

Das Bemerkenswerte zu diesem vorliegenden Gesetz wurde schon von den Vorrednern ausgeführt, und ich kann es nur mit anderen Worten zusammenfassend wiederholen.

Mit dem neuen Atomhaftungsgesetz sollen im Sinne der österreichischen Antiatompolitik die seinerzeit im Atomhaftpflichtgesetz 1964 zur Förderung der nuklearen Wirtschaft festgelegten haftungsrechtlichen Privilegien der Nuklearwirtschaft abgeschafft und durch ein drastisches Haftungsregime für nukleare Anlagen und Transporte ersetzt werden. Das betrifft sowohl den Umfang der Haftung – die Einzelheiten wurden heute schon mehrfach erwähnt –, es erfaßt die Durchsetzung von Ansprüchen, und es erfaßt auch die Vorsorge für eine Deckung, wenn es dann zur Festlegung von Schadenersatzansprüchen kommt.

Vor allem das Abgehen von der Kanalisierung, das uns auch von den internationalen Instrumenten ausschließt, wurde in den Erläuterungen ausführlich dargelegt, damit die Abgeordneten genau wissen: Wenn sie sich für dieses System entschließen, entschließen sie sich für etwas vollständig Neues, in Europa vollständig Neues. Sie entschließen sich damit auch, aus den derzeit bestehenden Deckungsinstrumenten internationaler Vereinbarungen draußen zu bleiben.

Der grenzüberschreitenden Dimension von nuklearen Unfällen trägt der Entwurf durch die auch schon angeklungenen spezifischen Regelungen über Gerichtsstand und anzuwendendes Recht Rechnung. Österreichische Geschädigte können es sich in Hinkunft aussuchen, ob sie ihre Ansprüche vor einem österreichischen oder vor einem ausländischen Gericht geltend machen. Da


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