Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 153

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Allerdings überrascht der dabei eingeschlagene Weg, das einzigartige legislative Procedere. Den Anlaß für diese Novellierung des IPR-Gesetzes bildete die Ratifikation des Römer Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980. Seit 1. Dezember 1998 ist dieses Abkommen für Österreich völkerrechtlich verbindlich geworden und innerstaatlich in Kraft getreten. Aus Anlaß der Genehmigung des Beitrittsübereinkommens hatte der Nationalrat aus unerfindlichen Gründen beschlossen, daß dieser Vertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Das Bundesministerium für Justiz hatte dem Beitritt nun insofern ohnehin Rechnung getragen, als es einen Entwurf zur Änderung des IPR-Gesetzes erstellte. Die entsprechende Regierungsvorlage wurde dann auch im Parlament beschlossen. Mit dieser Novelle wurden alle autonomen Bestimmungen, die die kollisionsrechtliche Beurteilung der vertraglichen Schuldverhältnisse bis dahin regelten, aufgehoben, was nicht geboten, aber sinnvoll war, um Abgrenzungsprobleme im Verhältnis zwischen dem Abkommen und dem IPR-Gesetz zu vermeiden.

Dennoch vermeinte der Justizausschuß des Nationalrates, daß das noch nicht als die vom Nationalrat beschlossene Erfüllung des Übereinkommens durch die Erlassung von Gesetzen betrachtet werden könne. Weshalb war ihm das nicht bereits anläßlich der Genehmigung des Beitrittsübereinkommens klar? Soll man darin die gebotene Sorgfalt des Gesetzgebers erkennen oder ist das nicht viel eher eine Überforderung des Justizausschusses mit einer hochkomplexen Rechtsmaterie? (Bundesrat Rauchenberger: Uns ist es auch nicht aufgefallen, Herr Kollege!)  – Diese Erklärung habe ich allerdings für undenkbar gehalten!

Worum geht es dabei eigentlich? – Wenn der Nationalrat beschließt, daß ein völkerrechtlicher Vertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, so spricht er ihm damit die unmittelbare Anwendbarkeit ab. Um den vertragsgemäßen Rechtszustand herzustellen, ist er dann allerdings zu entsprechenden Ausführungsgesetzen verhalten.

Bei näherer Betrachtung handelt es sich im vorliegenden Fall aber um eine selbst errichtete Barriere, denn kein anderer Vertragsstaat des Römer Schuldvertragsübereinkommens hatte bis dahin Zweifel an der unmittelbaren Anwendbarkeit, am Self-Executing-Charakter dieses Abkommens.

Worin besteht nun dessen nähere Ausführung durch das vom Nationalrat erlassene Gesetz? – In einem einzigen Satz in § 53 Abs. 2 – und dabei wird der Kampf gegen Windmühlen, also die Don Quijoterie unseres Justizausschusses vollends deutlich –, und zwar einem Satz ohne jeglichen objektiven Sachgehalt. Er lautet – ich zitiere –: "Die Bestimmungen des Übereinkommens ... sind unmittelbar anzuwenden." – Mit anderen Worten: Es wird hier im nachhinein etwas normativ dekretiert, was zuvor geleugnet worden ist: eben die unmittelbare Anwendbarkeit. Das ist so überflüssig wie skurril.

Im Grunde erschöpft sich die Klarstellung also darin, daß es in § 50 Abs. 2 heißt – ich zitiere –: "Die Neufassung des § 35, die Aufhebung der §§ 36 bis 45 sowie der § 53 Abs. 2 treten mit 1. 12. 1998 in Kraft und sind auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, die nach dem 30. 11. 1998 geschlossen worden sind." – Zitatende.

Eben das hätte sich von selbst verstanden, wäre der Nationalrat nicht auf die unglückselige Idee verfallen, daß ein ohnehin unmittelbar anwendbares Abkommen erst durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sei. Um den Nationalrat aus seiner Selbstfesselung zu befreien und uns eine internationale Blamage zu ersparen, werden wir dieser Vorlage dennoch unsere Zustimmung nicht versagen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

18.33

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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