Bundesrat Stenographisches Protokoll 656. Sitzung / Seite 119

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Es ist einerseits an der Scheidung aus Verschulden festgehalten worden, andererseits die einzig wirklich wesentliche Konsequenz, die aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden an der Scheidung folgt, nämlich der Verlust des Unterhaltsanspruches, zwar nicht beseitigt, aber daran sehr erheblich gerüttelt worden. Soll doch künftig auch dem schuldig geschiedenen Ehegatten, sofern er darauf angewiesen ist, in bestimmten Fällen ein seinen Lebensbedarf deckender Unterhaltsanspruch zugebilligt werden.

Welche Bedeutung soll aber dann dem Ausspruch des Verschuldens im Scheidungsurteil überhaupt noch zukommen? Dann könnte man auf dieses Erfordernis doch gleich ganz verzichten. Einer solchen in sich widersprüchlichen Grundkonzeption konnte ich bereits in der Arbeitsgruppe und kann ich daher auch hier und heute nicht zustimmen.

Was ist, selbst von diesem krassen inneren Widerspruch des künftigen Ehescheidungs- und -scheidungsfolgenrechtes abgesehen, auch nur isoliert betrachtet vom verschuldensunabhängigen nachehelichen Unterhaltsanspruch des bedürftigen Ehegatten zu halten? – Ich verkenne durchaus nicht, daß damit primär eine billige Lösung für Härtefälle angestrebt wird und daß es um die Absicherung von Ehegatten, in aller Regel von Ehefrauen, geht, die sich unter Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit voll der Haushaltsführung und gegebenenfalls der Erziehung von Kindern gewidmet hatten. Dennoch ist man mit der Neuregelung auf der einen Seite zu weit gegangen und hat auf der anderen Seite ein längst gebotenes rechtspolitisches Ziel verfehlt.

Zu weit geht es, wenn die Anspruchshöhe nicht auf den notwendigen Unterhalt beschränkt wird, wenn er, außer im Falle aufzuziehender Kleinkinder, unter Umständen sogar zeitlich unbegrenzt zuerkannt werden kann und wenn auch der Tatbestand der Verwirkung dieses Unterhaltsanspruches des schuldigen Teiles wegen Unzumutbarkeit für den schuldlosen Teil nicht angemessen formuliert worden ist. Was hingegen ein wahres und zentrales Gebot der Gerechtigkeit gewesen wäre – ich betone: nicht so sehr gegenüber dem schuldig geschiedenen Ehegatten, vielmehr bereits bei aufrechter und intakter Ehe gegenüber dem nicht erwerbstätigen, haushaltsführenden und insbesondere dem kinderbetreuenden Eheteil –, ist vor allem, daß er nämlich von seiten des erwerbstätigen Ehegatten in bezug auf einen künftigen Pensionsanspruch abgesichert wird. Eben dieses Ziel ist erneut nicht verwirklicht, vielmehr in weite Ferne gerückt worden.

Gewiß war das nicht vom Bundesminister für Justiz allein, sondern nur im Zusammenwirken mit der Bundesministerin für soziale Verwaltung zu erreichen. Aber das ändert natürlich nichts an der politischen Gesamtverantwortung der gegenwärtigen Regierung, die sie trotz langjähriger Kenntnis dieses drängenden sozialen Problems nicht wahrnimmt!

So kann man sich des prekären Eindrucks nicht erwehren, daß die soziale Absicherung der schuldig geschiedenen Ehefrau, die unversorgt ist, bewußt auf den früheren Ehemann überwälzt wird, während neben den an sich unterhaltspflichtigen Familienmitgliedern der Ehefrau vor allem die öffentliche Hand entlastet werden soll.

Bemerkenswert erscheint daran auch der eigentümliche ideologische Positionswechsel der beiden Regierungsparteien. So entdeckt etwa die SPÖ plötzlich ihr Herz für die im Haushalt tätige Ehefrau, obwohl es doch sonst ihr stets erklärtes Ziel ist, daß möglichst jede Frau erwerbstätig ist und einen eigenen Pensionsanspruch erwirbt, und läßt etwa die ÖVP gänzlich außer acht, daß man keiner jungen Frau oder auch keinem jungen Mann mehr ernstlich raten kann, sich allein Haushalt und Familie zu widmen, weil sie oder er derzeit damit ein zu großes Risiko eingeht. Sehen beide Parteien nicht, daß durch zu weitreichende ökonomische Belastungen in der Ehe oder als Folge einer gescheiterten Ehe nur die zunehmende Verweigerung der Eheschließung, also bestenfalls die nichteheliche Lebensgemeinschaft gefördert wird?

Soll aber dann in Zukunft auch diese nichteheliche Lebensgemeinschaft rechtlich reguliert werden, um soziale Härten zu vermeiden? Ist das vertretbar, wenn eine solche informelle Partnerschaft eben meistens gerade deshalb eingegangen wird, um die Rechtsfolgen einer Ehe auszuschließen? Oder müßte man dann gar eine dritte Lösung schaffen? Wer nämlich die


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