Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 61

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So erfolgreich das Wirken der Volksanwaltschaft auch im Geschäftsjahr 1998 wieder war, so sehr bedrücken bei näherem Studium der behandelten Problembereiche die aus dem Bericht klar ersichtlichen rechtsstaatlichen Defizite und strukturellen Mängel der Gesetzesvollziehung, handelt es sich dabei doch vielfach nicht bloß um untypische Fehlleistungen einzelner Organe oder lediglich um Härtefälle, die aus Lücken oder Mängeln der Gesetze resultieren. Als Rechtslehrer im Zivilberuf, der, ohne seine Hörer allzu praxisfern unterrichten zu wollen, immer noch von der grundsätzlich hohen Qualität und Leistungsfähigkeit unserer Rechtsprechung überzeugt ist, haben mich aber gerade die auf die Justiz bezogenen negativen Wahrnehmungen der Volksanwaltschaft ganz besonders irritiert.

Bedenkt man zudem, dass die Volksanwaltschaft diesen Zweig der Vollziehung mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit ausschließlich in Bezug auf die Justizverwaltung überprüfen darf, dann machen die der Gerichtsbarkeit geltenden Beanstandungen umso mehr betroffen. Hier reicht die Palette der Kritik von der unzumutbaren Verfahrensdauer bis zu schweren Eingriffen in Bürgerrechte durch fehlerhafte, insbesondere abgeirrte Exekutionen, die sich fälschlich gegen Schuldner, die einen gleichen oder ähnlichen Namen wie der tatsächlich Verpflichtete tragen, richteten.

Was die überlange Verfahrensdauer betrifft, so beruht diese gewiss auf vielfältigen Faktoren, insbesondere auf der Komplexität mancher Verfahrensgegenstände, oft aber auch auf Fehlverhalten der Beteiligten und nicht zuletzt allerdings auch auf der unzureichenden finanziellen und auch personellen Ausstattung der Justiz. Dieser Umstand muss jedoch der Regierung angelastet werden, der die Qualität und die Effizienz der Rechtspflege offensichtlich kein vorrangiges politisches Anliegen ist.

Bedauerlicherweise beruht dieses Phänomen allzu oft aber auch auf der mangelnden Entscheidungsfreudigkeit von Richtern und auf Verfahrensstillständen, die durch Säumigkeit der vom Gericht bestellten Sachverständigen bedingt sind.

Aus der Sicht des Parlaments – jetzt komme ich auf meinen Vorredner zurück – muss freilich am negativsten berühren, dass allzu viele der im Bericht der Volksanwaltschaft erstatteten konstruktiven Vorschläge für legislative Verbesserungen, welche die Volksanwaltschaft aus ihren konkreten Erfahrungen mit Vollzugsdefiziten entwickelt hat, folgenlos geblieben sind, das heißt, dass sie weitaus überwiegend weder in Form von Regierungsvorlagen noch von parlamentarischen Initiativanträgen umgesetzt wurden. Das gilt vor allem für die Kompetenzen der Volksanwaltschaft als solcher.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere daran, dass meine Fraktion zuletzt am 22. Oktober 1998 in einem Entschließungsantrag zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft gefordert hat, dass die Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf die ausgegliederten Rechtsträger im Umfang der Zuständigkeit des Rechnungshofes erweitert werden sollte, zumindest in Fällen des Mehrheitseigentums des prüfungspflichtigen öffentlichen Rechtsträgers. Denn wir hatten bei gewissen Ausgliederungen den fatalen Eindruck, dass es den Regierungsparteien dabei nicht zuletzt um den Ausschluss der Rechnungskontrolle und der Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft zu tun war.

Es geht jedoch nicht an, dass sich das Parlament sehenden Auges selbst entmachtet, indem es sich seiner Kontrollfunktionen begibt, die es mittels des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft, also mit Hilfe von allein dem Parlament verantwortlichen Organen, ausübt. Als wir die Prüfungspflicht auch in Bezug auf die ausgegliederten Unternehmungen beziehungsweise Einrichtungen einforderten, sind wir mit diesem rechtsstaatlichen Anliegen bedauerlicherweise allein geblieben.

Gleiches gilt für unsere weiteren damaligen Anträge betreffend die Anordnung einer entsprechend knapp bemessenen Frist für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte an die Volksanwaltschaft, betreffend die Verpflichtung der Bundesregierung, die Nichtumsetzung legislativer Anregungen der Volksanwaltschaft innerhalb einer bestimmten Frist zu begründen,


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