Bundesrat Stenographisches Protokoll 684. Sitzung / Seite 63

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Die Hilfe soll nicht fragen nach Schuld der Not, denn dann ist sie keine und dient nur der weiteren Drangsalierung und Verlängerung der Not der Hilfesuchenden.

Die ehemaligen gefangenen Österreicher, für die wir heute eine monatliche Entschädigung beschließen werden, würden gerne Gefangenschaft und Krieg mit einem Verzicht der in Aussicht gestellten Entschädigung tauschen – wenn dies im Nachhinein möglich wäre.

Was mich heute aber mit besonderer Genugtuung erfüllt, ist, dass wir mit dieser Geste – denn mehr ist es nicht, ich sage es noch einmal – die Leiden und Verfolgung einer ganzen Generation anerkennen, und das haben wir Kinder und Enkel dieser Generation gerade jetzt bitter notwendig. Denn in den Augen vieler waren diese Leiden noch zu gering, man versuchte noch, mit der so genannten Wehrmachtsausstellung alte Soldaten der ehemaligen Deutschen Wehrmacht, also auch die Österreicher darunter, nachträglich zu Verbrechern zu stempeln.

Dass es gerade Historiker der ehemaligen Gegner, nämlich polnische Historiker waren, die die Wehrmachtsausstellung in wesentlichen Exponaten als grandiosen, infamen Schwindel entlarvten, will ich als kleinen Baustein unseres Glaubens an ein zukünftiges Europa werten.

Die österreichische Geschichtsschreibung hat wohl in politisch korrekter Weise die Fälschungen nicht als solche erkannt – oder sind sie fachlich nicht qualifiziert? – Das Wohl der eigenen Landsleute lag ihnen nicht am Herzen.

Mit Geld kann man diese Dinge nicht mehr gut machen, sie sind geschehen, es kann nur eine Anerkennung sein, und diese ist auch für Menschen, die all das am Anfang ihrer Jugend erlebt haben, nur eine kleine und sehr späte Genugtuung. Wir leisten diese Genugtuung, wenigstens den finanziellen Teil, für unsere eigenen Landsleute, obwohl wir wissen, dass die Festhaltung, ja in sehr vielen Fällen schon die Gefangennahme nicht dem Kriegsrecht entsprochen hat.

Eigentlich müssten wir von jenen Staaten die Entschädigung für unsere Landsleute verlangen, die sie jahrelang ungesetzlich gefangen gehalten haben. Es sind dies jene Staaten, die nicht müde werden, von uns ständig Zahlungen zu verlangen, von uns, einem Staat, den es damals gar nicht gegeben hat. Es sind Staaten, die noch heute nicht bereit sind, die gesetzliche Grundlage zu vieltausendfachem Mord und millionenfacher Vertreibung abzuschaffen.

Herr Zeman empfahl erst vor wenigen Tagen indirekt den Israelis, es mit den Palästinensern genauso zu machen. – Ich dachte immer, wenn die Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts einen Sinn gehabt haben sollen, dann kann es nur der gewesen sein, solches in Zukunft zu vermeiden. Ich fürchte, ich habe mich arg getäuscht: Humanitäre Hilfe wird verteufelt und soll unter Anklage gestellt werden, probate Vertreibungsakte werden als Vorbild empfohlen, Gefangene werden in Käfigen gehalten, die Abschaffung der "Morddekrete" des Herrn Beneš wird verweigert.

Einen persönlichen Satz möchte ich anknüpfen: Mein Vater ist hier in Österreich am 10. Mai 1945, also zwei Tage nach der Kapitulation, gefangen genommen worden und bis November 1950 in Russland widerrechtlich gefangen gehalten worden. Er hat diese späte Genugtuung nicht mehr erlebt.

Das Weltgewissen hat weder an die Gefangenen gedacht noch an die Entbehrungen ihrer Familien in der Heimat.

Die Welt ist auch im 21. Jahrhundert nicht gut und nicht schlecht geworden. Sehen wir die Dinge wie sie sind und nicht, wie Utopisten meinen, dass sie sein sollten! Die Entschädigung für erlittenes Unrecht sollten wir auch aus dieser Sicht betrachten.

Ich bin froh darüber, dass meine Fraktion dieser Regierungsvorlage einstimmig zustimmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.56


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