Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 247

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Mit der nunmehrigen Neugestaltung des Ausgleichsfonds, durch die hinkünftig nur mehr weniger als die Hälfte der Einnahmen des Fonds zum Ausgleich von Strukturnachteilen zur Verfügung gestellt werden, die restlichen Einnahmen hingegen für so genannte Zielerreichungs-Zuschüsse heranzuziehen sind, wird überdies ein grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen. Damit werden die Gebietskrankenkassen faktisch in Organisationseinheiten eines zentral geführten Krankenversicherungsträgers umgewandelt.

Abgesehen davon, dass es verfassungswidrig ist, die Verfügung der Mittel aus dem Ausgleichsfonds von Organen bestimmen zu lassen, die – entsprechend dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2002, B 1492/01 – nicht jene Organisationsstrukturen aufweisen, die für die Selbstverwaltung verfassungsrechtlich geboten sind, bestehen dagegen weitere verfassungsrechtliche Bedenken, weil weder die Rechtsnatur noch die Art des Zustandekommens dieser Ziele hinreichend klar sind.

An den gegen die Zwangsdarlehen einzelner Krankenkassen vorzubringenden Einwänden vermag die im Gesetzgebungsverfahren des Nationalrats vorgenommene Präzisierung der Verpflichtung, die Darlehen zurückzuzahlen, nichts zu ändern. Die betroffenen Gebietskrankenkassen verfügen weder über eine Ausfallshaftung des Bundes noch über zivilrechtliche Ansprüche einer durch den Bundesgesetzgeber nicht mehr beeinflussbaren Art. Es liegt im Ermessen des einfachen Bundesgesetzgebers, bei neuerlichen finanziellen Problemen die Rückzahlungsfristen zu erstrecken, die Möglichkeit der Aufrechnung gegen Beitragsforderung des Ausgleichsfonds abzuschwächen oder überhaupt auf die im Begutachtungsentwurf enthaltene Bestimmung zurückzugreifen, wonach die Darlehen vom Ausgleichsfonds lediglich nach Maßgabe der verfügbaren Mittel zurückzuzahlen sind. Ein besonderer Schutz vor solchen nachträglichen Änderungen, beispielsweise durch ein Zustimmungsrecht der Länder oder des Bundesrates, besteht nicht.

Es sind schließlich auch keine hinreichenden Gründe ersichtlich, warum der Finanzbedarf der Gebietskrankenkassen nicht auf dem Kapitalmarkt gedeckt wird, zumal dieser Weg nach Verbrauch aller Rücklagen ohnedies unausweichlich sein wird. Eine solche Form der Zwischenfinanzierung bis zum Wirksamwerden von Strukturreformen hätte auch den Vorteil, dass hier die Rückzahlungsverpflichtung nicht frei gestaltbar wäre und einen größeren Druck auf das tatsächliche Zustandekommen von Reformen ausüben würde.

*****

So weit die Begründung des Einspruchsantrages. – Ich ersuche bei dieser Gelegenheit, bei der Abstimmung über diesen Antrag die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben.

Zu einigen in den Diskussionen der letzten Zeit immer wieder zu hörenden und zu lesenden Punkten möchte ich noch kurz gesondert Stellung nehmen – zunächst zu der vornehmlich an das Land Vorarlberg und seinen Landeshauptmann gerichteten Kritik eines unsolidarischen Verhaltens.

Als Erstes stelle ich die Frage, was an der Geltendmachung gravierender verfassungsrechtlicher Einwände unsolidarisch sein soll. Verhält sich allenfalls auch der Verfassungsgerichtshof unsolidarisch, sofern er die Bedenken teilen sollte? – Für uns ist Solidarität mit der Verfassungsordnung und der Selbstverwaltung nach wie vor und über die Tagespolitik hinaus ein hohes Gut politischer Kultur.

Die Begründung des Einspruchsantrages verweist auf den vom Verfassungsgerichtshof vor einem Monat gefassten Beschluss, einzelne Bestimmungen der 58. ASVG-Novelle amtswegig in Prüfung zu ziehen. Ich zitiere daraus nur ganz kurz: "Der Verwaltungsrat dürfte daher weder den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein in Selbstverwaltung tätig werdendes Organ noch jenen Anforderungen genügen, die aus verfassungsrechtlicher Sicht an die Organisation ausgegliederter Rechtsträger gestellt sind, die Aufgaben der Staatsverwaltung besorgen. Er dürfte daher durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in verfassungswidriger Weise eingerichtet sein." – Ende des Zitats aus dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsge


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite