Bundesrat Stenographisches Protokoll 693. Sitzung / Seite 28

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die Föderalismus- und Staatsdiskussion nicht damit ablaufen, dass wir immer wieder jeder dieser Ebenen ihre Unverzichtbarkeit bescheinigen.

Die Gemeinden – das sind die kleinen Zellen unserer Demokratie –, die Bezirks­verwaltungs­behörden – ich betone nochmals: bedauerlicherweise ohne demokratischen Einfluss auf gleicher Ebene; außer in Wien, aber da ist das etwas anderes – sind auszubauen und bürger­näher zu gestalten, die Länder sind natürlich unverzichtbar, und vom Bund nimmt man das an, ohne es zu sagen. – Wo dann der Effekt der Straffung eintreten soll, ist in diesen Überlegungen vorläufig noch nicht zu erkennen.

Ich darf an dieser Stelle ein paar Denkanstöße, die nicht meine sind, sondern die ich aufgreife, in die Debatte einbringen. Kollege Binna hat schon darauf hingewiesen, dass Gemeinden angesichts ihres naturgemäß limitierten Personalstandes zweifelsfrei Probleme haben, alle für sie vorstellbar zu erfüllenden Aufgaben auch tatsächlich zu adressieren. Wir haben – nicht im Wildwuchs, das ist durchaus gesetzlich geregelt – in einem zunehmenden Maß die Übertragung von Aufgaben an die Gemeindeverbände, was für den Bürger zweifellos zumindest eine höhere Professionalität des Services bedeutet; nicht unbedingt eine Nähe, aber eine technische Qualifizierung.

Ich verweise auf das interessante Konstrukt der Region mit eigenem Statut, das von einigen Verfassungsrechtlern entwickelt wurde, nämlich die Idee, so wie die Städte mit eigenem Statut im Allgemeinen – auch da gibt es Ausnahmen – einen genügend großen Verwaltungsapparat mit entsprechender Fachkompetenz haben, um die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörden zu übernehmen, Gemeinden im freiwilligen Zusammenschluss in einer sinnvoll abgeschlos­senen Region die Möglichkeit zu übertragen, dieselbe Aufgabe für sich zu reklamieren, was dann halt dort formal, aber natürlich nicht inhaltlich das Ende der Bezirksverwaltungsbehörde in diesem Bereich bedeuten würde, aber gleichzeitig eine Behörde entstehen lassen würde, die sehr viel enger mit demokratischen Strukturen verknüpft ist.

Ich will das nicht als die Lösung avisieren, aber diese und ähnliche originelle Überlegungen sind notwendig, wenn uns diese Debatte woanders hinführen soll als dazu, dass jeder, der in diesem Dialog, nein, in dieser breiten Diskussion Eigeninteressen zu vertreten hat – auch der Bundes­rat –, sich immer wieder selbst lobt.

Der letzte Punkt, der in diesem Zusammenhang – und das sage ich jetzt sehr bewusst – für den Bundesrat von großer Bedeutung ist, ist, dass Parlamentarismus nicht nur mit Legislative zu übersetzen ist.

Ich bringe es zum Extrem: Selbst wenn die Landtage auf Grund eines breiten Übereinkommens jedwede Gesetzgebungsbefugnis verlieren würden, sind sie damit nicht obsolet. Die parla­mentarische Kontrolle jedweder Regierung – Bundesregierung, Landesregierung, eines Ge­meinde­vorstandes oder, wie ich noch einmal deutlich sagen würde, auch eines Bezirks­hauptmannes heutigen Typs – ist etwas, was das Geld, das dafür aufgewendet wird, sehr wohl wert ist. Demokratie drückt sich nicht nur darin aus, dass in regelmäßig wiederkehrenden Abständen die Spitzen der Verwaltung, der Exekutive, indirekt oder direkt, je nachdem, gewählt werden, sondern darin, dass sie einer ständigen demokratischen Kontrolle durch parlamen­tarisch verfasste Gremien ausgesetzt sind.

Diese Eckpfeiler muss man einschlagen, bevor man in einen Konvent geht, denn Rationa­lisierung, Sparsamkeit, stromlinienförmigeres Gestalten für sich allein sind noch kein Wert – das Gegenüber zum Bürger, die demokratische Kontrolle, ist genauso wichtig.

Als Wiener darf ich an dieser Stelle Richtung Steiermark eine kleine Randglosse anbringen. Wissen Sie, das mit dem Zentralismus ist immer ein gewisses Problem. Die Bundesorgane haben irgendwie keinen eigenen Spitznamen, sie werden einfach unter „Wiener“ subsumiert. Sie werden wissen, dass derjenige, der so unmittelbar unter dem Bundesvogt lebt, mit dem Durchsetzen seiner föderalistischen Ansprüche die allergrößten Probleme hat. Uns ist das ja nicht eingefallen, aber der immer noch – trotz Rücktritt! – amtierende Verteidigungsminister


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