Wir haben
öffentlich und mehr noch in Gesprächen zwischen Kolleginnen und Kollegen die
Verfassungssituation bedauert, die uns an das Ende des Gesetzgebungsprozesses
setzt. Fertig in Paragraphen gegossene Entwürfe, Beschlüsse des Nationalrates
kommen zu uns in den Bundesrat, und wir sind lediglich mit der Möglichkeit
konfrontiert, ja oder nein zu sagen. Die Debatte – und das ist letztlich
das Leben des Parlamentarismus – über die Details eines Gesetzes, über
einzelne Paragraphen, über einzelne Bestimmungen, kann als Debatte zwar geführt
werden, ist aber folgenlos!
Es bleibt dem
einzelnen Bundesrat oder den gesamten Fraktionen überlassen, daraus die Konsequenz
zu ziehen, ein als negativ empfundenes Detail so wichtig zu nehmen, um einen
gesamten Gesetzesbeschluss des Nationalrates abzulehnen, aber der Eingriff in
den Gesetzesformulierungsprozess ist uns nicht möglich.
Der Vorstoß
mittels des nun vorliegenden Antrages ist ein Versuch, dieses Manko zumindest
teilweise zu beheben. Wenn der Bundesrat dieses Stellungnahmerecht eingeräumt
bekommt, dann würde uns das die Möglichkeit eröffnen, vorsorglich und im
Vorfeld der Beschlussfassung des Nationalrates auf bestimmte, aus unserer Sicht
bedeutsame Aspekte hinzuweisen und sie zwar nicht zu bestimmen, aber in den Entscheidungsprozess
der anderen Kammer des Parlaments einzubringen.
Das ist ein
produktiver Gedanke. Er wird das Gesetzgebungsverfahren nicht vom Kopf auf die
Beine stellen, aber es ist ein produktiver Gedanke, der den Dialog zwischen den
beiden Kammern des Parlaments vielleicht auch in anderen Bereichen anregen
könnte.
Wenn wir heute
hier erneut den Beschluss fassen, eine solche Vorlage dem Nationalrat zuzuleiten,
weil unsere schon einmal getroffene Initiative durch das Ende der Gesetzgebungsperiode
nach den Regeln des Nationalrates verfallen ist, dann verbinden wir dies mit
dem Appell an die Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, sich diesen Vorstoß
gründlich zu überlegen und vielleicht auch zu der Überzeugung zu kommen, dass
das nicht nur im Interesse des Bundesrates, sondern auch im Interesse der
Qualität des Gesetzgebungsprozesses sein könnte.
Es ist dies eine
von allen Fraktionen des Bundesrates getragene Initiative. Ich meine, dass es
richtig und notwendig ist, diesen Beitrag dem Nationalrat erneut zur Beratung
vorzulegen, und möchte außerdem darauf verweisen, dass, wenn im
Verfassungskonvent auch über die Gesetzgebungsprozesse gesprochen wird, auch
dort dieser Gedanke seinen richtigen Platz hat, um weiter behandelt zu werden. (Allgemeiner
Beifall.)
10.33
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Dr. Lindinger. Ich erteile es.
10.34
Bundesrat
Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger
(Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren des Hohen Hauses! Gerade in den letzten Wochen haben sich die Stimmen
sehr gemehrt, die die Sinnhaftigkeit des österreichischen Bundesrates, insbesondere
was seine Zusammensetzung und vor allem aber seine Kompetenz betrifft, in Frage
gestellt haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Antrag heute vermehrte
Bedeutung, auch wenn er in diesem Gremium schon öfter gestellt worden ist.
Eine Stellungnahme
des Bundesrates sollte um so mehr Gewicht haben, als der Bundesrat doch ein
Gremium ist, das nicht aus derselben Wahl wie der Nationalrat hervorgeht –
eine Wahl, die schließlich auch die Zusammensetzung der Regierung bestimmt,
wenn auch nicht direkt.
Abgesehen von Volksbegehren, die weitgehend vom „Volkswillen“ – das möchte ich unter Anführungszeichen gehört haben – initiiert und getragen sind, werden Gesetzesvorschläge fast ausschließlich als Regierungsvorlagen eingebracht. Wenn auch der Nationalrat Gesetze beschließt, so verliert gerade durch diese Vorgangsweise die vom Gesetz gewünschte Gewalten-
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