Bundesrat Stenographisches Protokoll 695. Sitzung / Seite 29

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wir haben öffentlich und mehr noch in Gesprächen zwischen Kolleginnen und Kollegen die Verfassungssituation bedauert, die uns an das Ende des Gesetzgebungsprozesses setzt. Fertig in Paragraphen gegossene Entwürfe, Beschlüsse des Nationalrates kommen zu uns in den Bundesrat, und wir sind lediglich mit der Möglichkeit konfrontiert, ja oder nein zu sagen. Die De­batte – und das ist letztlich das Leben des Parlamentarismus – über die Details eines Gesetzes, über einzelne Paragraphen, über einzelne Bestimmungen, kann als Debatte zwar geführt werden, ist aber folgenlos!

Es bleibt dem einzelnen Bundesrat oder den gesamten Fraktionen überlassen, daraus die Kon­sequenz zu ziehen, ein als negativ empfundenes Detail so wichtig zu nehmen, um einen gesamten Gesetzesbeschluss des Nationalrates abzulehnen, aber der Eingriff in den Gesetzes­formulierungsprozess ist uns nicht möglich.

Der Vorstoß mittels des nun vorliegenden Antrages ist ein Versuch, dieses Manko zumindest teilweise zu beheben. Wenn der Bundesrat dieses Stellungnahmerecht eingeräumt bekommt, dann würde uns das die Möglichkeit eröffnen, vorsorglich und im Vorfeld der Beschlussfassung des Nationalrates auf bestimmte, aus unserer Sicht bedeutsame Aspekte hinzuweisen und sie zwar nicht zu bestimmen, aber in den Entscheidungsprozess der anderen Kammer des Parla­ments einzubringen.

Das ist ein produktiver Gedanke. Er wird das Gesetzgebungsverfahren nicht vom Kopf auf die Beine stellen, aber es ist ein produktiver Gedanke, der den Dialog zwischen den beiden Kammern des Parlaments vielleicht auch in anderen Bereichen anregen könnte.

Wenn wir heute hier erneut den Beschluss fassen, eine solche Vorlage dem Nationalrat zuzu­leiten, weil unsere schon einmal getroffene Initiative durch das Ende der Gesetzgebungs­periode nach den Regeln des Nationalrates verfallen ist, dann verbinden wir dies mit dem Appell an die Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, sich diesen Vorstoß gründlich zu über­legen und vielleicht auch zu der Überzeugung zu kommen, dass das nicht nur im Interesse des Bundesrates, sondern auch im Interesse der Qualität des Gesetzgebungsprozesses sein könnte.

Es ist dies eine von allen Fraktionen des Bundesrates getragene Initiative. Ich meine, dass es richtig und notwendig ist, diesen Beitrag dem Nationalrat erneut zur Beratung vorzulegen, und möchte außerdem darauf verweisen, dass, wenn im Verfassungskonvent auch über die Gesetz­gebungsprozesse gesprochen wird, auch dort dieser Gedanke seinen richtigen Platz hat, um weiter behandelt zu werden. (Allgemeiner Beifall.)

10.33


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Lindinger. Ich erteile es.

10.34


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Gerade in den letzten Wochen haben sich die Stimmen sehr gemehrt, die die Sinnhaftigkeit des österreichischen Bundesrates, insbe­sondere was seine Zusammensetzung und vor allem aber seine Kompetenz betrifft, in Frage gestellt haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Antrag heute vermehrte Bedeutung, auch wenn er in diesem Gremium schon öfter gestellt worden ist.

Eine Stellungnahme des Bundesrates sollte um so mehr Gewicht haben, als der Bundesrat doch ein Gremium ist, das nicht aus derselben Wahl wie der Nationalrat hervorgeht – eine Wahl, die schließlich auch die Zusammensetzung der Regierung bestimmt, wenn auch nicht direkt.

Abgesehen von Volksbegehren, die weitgehend vom „Volkswillen“ – das möchte ich unter An­führungszeichen gehört haben – initiiert und getragen sind, werden Gesetzesvorschläge fast ausschließlich als Regierungsvorlagen eingebracht. Wenn auch der Nationalrat Gesetze be­schließt, so verliert gerade durch diese Vorgangsweise die vom Gesetz gewünschte Gewalten-


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite