Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 85

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der traditionellen Außenpolitik jetzt so ein Mittelding, nicht mehr Innenpolitik, aber auch nicht mehr Außenpolitik, geworden ist, weil natürlich die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnerstaaten, technisch zu einem gut Teil über das Außenministerium abge­wickelt, ein Element unserer politischen Wirklichkeit ist.

Daher ist auch immer wieder die Frage zu stellen, wie österreichische Außenpolitik zu definieren ist. Ich widerspreche ganz ausdrücklich jenen, die da sagen: Na ja, zu Kreiskys Zeiten hat es noch eine österreichische Nahostpolitik gegeben! – Ja, natürlich hat es sie gegeben, sogar in sehr fruchtbarer Art und Weise, aber dass dies ein Raum ist wie der Mittelmeerraum, über den gerade gesprochen wurde, der für die EU von vitalem Interesse ist, und dass daher wenig Raum – außer für die Nutzung von Kennt­nissen und Kontakten – für spektakuläre Einzelinitiativen besteht, das verstehe ich durchaus.

Genauso verstehe ich, dass es in der Europäischen Union mit ihren vielfältigen Auf­gabenstellungen natürlich keine fest gefügten Blöcke geben kann und vor allem auch nicht geben soll, sondern dass sich, je nach Interessenlage, je nach Thema, Staaten zu einer Mehrheitsbildung, zu einer Meinung, die man gemeinsam vertritt, zusammen­finden, ohne dass damit für die nächsten zehn Tagesordnungspunkte auch schon ein einheitliches Abstimmungs- oder Meinungsverhalten gewährleistet ist.

Trotzdem und gerade deshalb ist es entscheidend – und es wäre auch entscheidend gewesen –, dass die österreichische Außenpolitik klare Prioritäten setzt und vorhan­dene Fähigkeiten und Möglichkeiten auch in den Dienst der gemeinsamen EU-Außen­politik stellt oder dies zumindest versucht.

Wir haben im Berichtszeitraum wesentliche Fortschritte beobachten können in jenem Prozess der Erweiterung der Europäischen Union, der jetzt, am 1. Mai, zwar nicht abgeschlossen ist, weil ja nicht alle Beitrittswerber aufgenommen werden, aber doch einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hat und aus dieser Staatengemeinschaft ein Bündnis, eine Gemeinschaft von 25 Mitgliedern gemacht hat.

Die österreichische Außenpolitik gegenüber den neuen EU-Mitgliedern, von denen einige wichtige Staaten auch Nachbarn im engeren Sinn des Wortes sind, war in höchstem Maße widersprüchlich, und wir haben dafür bezahlt – und ich fürchte, wir werden das auch noch tun –, dass wir uns mit diesen künftigen Partnern so auseinan­der gesetzt haben, wie es leider geschehen ist.

Es geht nicht, auf der einen Seite bei den politischen Festgottesdiensten unser Ja zur EU-Erweiterung zu bekunden, auch wenn das auf der Regierungsseite über lange Strecken so einheitlich nicht war, aber auf der anderen Seite in jeder konkreten Frage diesen Staaten ihre legitimen Interessen fast höhnisch abzulehnen. Es geht auch nicht, mit großer Geste eine seinerzeit „Strategische Partnerschaft“ genannte Initiative zu starten, die mit den in Aussicht genommenen Partnern keineswegs abgesprochen war und die zudem mit einer – in diesem Fall muss ich das so sagen – maternalistischen Gestik angetragen wurde, die in Wirklichkeit diese Staaten, die auf dem Weg nach Europa waren und sind, die so stolz auf ihre neu gewonnenen Handlungsmöglichkeiten waren, vor den Kopf stoßen musste.

Es ist gar keine Frage, dass da eine durchaus historische Chance leichtfertig verspielt wurde, ja, es hätte so etwas wie eine Partnerschaft entstehen können, und dafür hat es auch Ansätze gegeben. Ich darf diskret daran erinnern, dass auch in der vorigen Regierung die Sozialdemokratie nicht für das Außenministerium verantwortlich war; Sie selbst haben beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt auf Ihre Geschichte hinge­wiesen. – Es muss uns Leid tun, dass, weil wir das spät und mit falschen Mitteln versucht haben, ein Zusammenrücken zwischen Nachbarn mit unterschiedlicher Ge­schichte, mit natürlich unterschiedlichen Interessen, aber mit vielen gemeinsamen Ziel-


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