Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 16

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Lächerlichkeit ausgesetzt sind, dass man Jahre braucht, um drei, vier zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Es wird nun auch eine fortschrittliche, den Menschenrechten verpflichtete europäische Volksgruppenpolitik Eingang finden.

Es ist heute das Wort „Vaterländer“ gefallen. Man sollte 60 Jahre nach dem Krieg nicht vergessen, dass es gerade die Frauen waren, die diese Republik aufgebaut haben, und dass die Bundeshymne nach wie vor auf die Erwähnung der Leistungen der Töchter verzichtet, indem sie nur an die Leistungen der Söhne erinnert. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es wäre ein besonderes Zeichen, Herr Bundeskanzler, wenn gerade in diesem Gedenk- und Gedankenjahr die Bundeshymne einer Modifikation unterzogen würde, nämlich in Anerkennung der Leistungen der Frauen und der Töchter dieser Republik. Genau das ist jetzt auch in den Werten der Union, nämlich die Nichtdiskriminierung, der Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen, in diesem Grundrechtskatalog festgeschrieben.

Aber es gibt natürlich Mängel in dieser Verfassung. Diese Verfassung entstand in 17 Monaten, nachdem zahlreiche Regierungskonferenzen gescheitert waren.

Herr Kollege Böhm, die Mehrheit des Konvents – das ist besonders wichtig auch für die Legitimität – waren gewählte Parlamentarier und nicht Regierungsmitglieder, nicht Staats- und Regierungschefs. Damit erhöht sich die Legitimität dessen, was uns hier als Fundament angeboten wurde.

Ich sage hier ganz kritisch: Es fehlt natürlich etwas ganz Besonderes, und das ist die soziale Ordnung. Eine europäische Sozialcharta, eine soziale Grundordnung fehlt. Natürlich – und da erwarte ich mir viel vom Haus – hat ein Fundament Antworten auf Gefahren – es gibt ja Positives, aber es gibt auch sehr große Gefahren der Globalisierung – nicht parat. Diese Antworten finden wir heute nicht. Und nach wie vor sind wesentliche Aufgaben im Rahmen der Regierungszusammenarbeit zu erledigen, und nach wie vor – und hier distanziere ich mich ganz eindeutig vom Begriff der „Vaterländer“ – bleibt das nationale Veto.

Ich bin so froh, dass mit diesem Fundament ein Schritt geschafft wurde, nämlich eine Verfassung für ein erstes demokratisches supranationales Gebilde. Damit löst sich Europa endgültig von jenen Geistern, die über diesen Kontinent über Jahrhunderte infolge nationalstaatlichen Denkens Krieg, Verwüstung und Tod gebracht haben. Und deshalb ist es auch wichtig, dass das Motto, das in dieses Fundament gemeißelt wird, auch ein Symbol für die Zukunft ist: einig in der Vielfalt – einig in der Vielfalt der Regionen, einig in der Vielfalt der Kulturen. Das kommt in dieser Verfassung zum Ausdruck, wenn auch noch ungenügend.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Fundament ist auch die Einigung Europas nicht abgeschlossen, keinesfalls. Ein geeintes Europa ohne ein gemeinsames Staatsgebilde von Brüssel bis Athen, das den gesamten Balkan, die einzige tatsächlich nach wie vor nur durch die internationale Gemeinschaft befriedete und geführte Region, nicht umfasst, ist kein einig Europa. Wir benötigen mehr denn je diese Anstrengung, damit alle Länder des Balkans, und zwar nicht in einer Perspektivenlosigkeit, die vielleicht ganze Generationen umfasst, sondern in absehbarer Zeit, also jener Balkan, der erst vor zehn Jahren durch Krieg verwüstet wurde, in dieses Friedensprojekt Europa – und es ist letztlich das herausragendste Kennzeichen, ein Friedensprojekt zu sein – hineingeführt werden und es zu jener tieferen Integration kommt, welche notwendig ist.

Meine Damen und Herren! Es wurde viel Kritik geübt, öffentlich und von ganz bestimm­ter Seite; auch Kollege Konecny hat es schon gesagt. Es ist nicht der Entwurf und nicht der Blankoscheck neoliberalen Ungeistes, es ist nicht die Aufforderung zur Aufrüstung,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite