Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 53

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mandat ja nur ein entsendetes Mandat sei. Mit der Verfassungsänderung wird das jedenfalls hinsichtlich des Vorsitzführenden etwas deutlicher gemacht, als man das bisher gewohnt war. Das finde ich – unabhängig vom Anlassfall – nicht schlecht.

Auf Kritik ist verschiedentlich gestoßen, dass selbst im Vorsitzhalbjahr ein Wechsel möglich ist, was faktisch auf die Abberufbarkeit eines Präsidenten durch seinen Land­tag hinausläuft. Das ist ohne Frage ungewöhnlich, aber letztlich nur konsequent. Wenn man verhindern will, dass eine bestimmte Person Präsident wird, kann man nicht gut dafür sein, dass er es unter später bekannt gewordenen gleichartigen Umständen auch bleibt.

Dabei ist noch Folgendes zu beachten. Entgegen mancher Meinung kann der Landtag auch künftig keine nachträgliche Umreihung der Bundesräte vornehmen, sondern er kann lediglich eine andere Person als die erstgereihte mit der Vertretung des Landes im Vorsitz des Bundesrates betrauen. Demzufolge fällt der Vorsitz beim Ausscheiden des Präsidenten an den Erstgereihten zurück – und nicht an das Ersatzmitglied des Präsidenten. Wenn man diesen eigentlich von vornherein nicht gewollten Effekt ver­meiden will – Zweck der Übung ist ja, das zu vermeiden –, muss man dem Landtag die Möglichkeit geben, auch nachträglich eine Änderung vornehmen zu können.

Klarer wäre vermutlich allerdings gewesen, dem Landtag eine tatsächliche Umrei­hung zu ermöglichen.

Eine starke Rückkoppelung an den Landtag kann auch dann relevant werden, wenn sich dieser von einer Person – auch aus anderen Gründen als den in den letzten Wochen aktuell gewordenen – nicht mehr richtig vertreten fühlt. Wenn ein erstgereihter Bundesrat seine Partei verlässt und eine so genannte Einmannfraktion bildet, wird man von ihm wohl kaum die Vertretung der Landtagsmehrheit beziehungsweise seiner frü­heren Landtagsfraktion erwarten können. – Auch in einem solchen Fall kann die Wiederherstellung der Vertretungsfähigkeit Bedeutung bekommen.

Ich sehe auch nicht, was die Einbindung des Bundesrates in diesen Vorgang bringen sollte – außer einer gewissen Optik. Das würde nämlich keineswegs dazu führen, dass wir die Personen besser kennen, als es dem eigenen Landtag möglich ist, und es ist auch keineswegs anzunehmen, dass wir – im Gegensatz zu einem Landtag – bei der Auswahl einer Person irrtumsfrei wären.

Wünschenswert wäre natürlich – damit komme ich zum Begriff „Anlassgesetzgebung“ zurück –, dass solche Reformen nicht unter dem Druck sonstiger politischer Ausweg­losigkeit, sondern gründlich durchdacht und nach ausführlicher Diskussion in einem systematischen Zusammenhang angegangen werden. Diesen Maßstäben kommen leider allerdings auch viele andere Gesetze nicht zur Genüge nach; das muss man sagen. (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Bei aller Problematik solcher Gesetzgebungsakte darf man die Wertung aber auch nicht auf den Kopf stellen. Problematisch ist nicht in erster Linie der Vorgang einer An­lassgesetzgebung, sondern problematisch bleibt wohl in erster Linie, dass eine solche Regelung notwendig wurde. Ebenso wie das private Zusammenleben der Menschen braucht auch das Verhalten in staatlichen Organen und Funktionen einen Grundkon­sens des nicht ausdrücklich Regelungsbedürftigen.

Wenn wir darüber nachzudenken beginnen, welches Repertoire an Missbrauchsmög­lichkeiten ein Verantwortungsträger theoretisch entwickeln könnte und mit welcher kasuistischen Perfektion man dem entgegenwirken müsste, dann rufen wir sozusagen dem Zauberlehrling gleich Geister, denen wir nicht mehr Herr würden.

Dabei wäre es – abschließend gesagt – ganz einfach: Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem, was man – ich gebe zu, es klingt etwas altmodisch – Staatsräson


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