BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 62

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

tun, aber die EU und Brüssel sind so böse und wir müssen uns dem Diktat Brüssels beugen.

Dieses böse Spiel macht eine Stimmung gegen die EU, die sich die EU nicht verdient hat. Wenn die EU nicht endlich auch in den Herzen der Regierenden und in allen Par­teien ankommt, dann wird dieses Spiel weitergehen und wir werden weiter schwin­dende Akzeptanz in der Bevölkerung haben.

Herr Staatssekretär Winkler kennt meine grundsätzliche Kritik, wir hatten das auch schon in einem sehr intensiven Gespräch gestern in der Ausschuss-Sitzung. Herr Staatssekretär! Ich bleibe dabei: Wenn man sieht, wie die Bundesregierung mit diesem EU-Reformvertrag umgegangen ist – wobei ich akzeptiere und auch sehe, dass es Be­mühungen Ihrerseits gab –, bleibt irgendwie der schale Beigeschmack übrig, dieser Vertrag wurde versteckt, oder man hat für ihn in einer breiten Information und vor allem auch in einer emotionalen Kampagne keine Unterstützung gewonnen. Und das be­günstigt die Unterstellungen, die Missinterpretation und natürlich eine enorme Desinfor­mation, wie wir sie heute erleben, wo ich auch sage, dass wir einer solchen Emotionali­tät etwas ohnmächtig gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren, Faktum ist – deshalb sagen wir hier heute auch gerne ja –, dass die EU mit diesem EU-Reformvertrag – und das ist ein ganz springender Punkt – wesentlich demokratischer gestaltet ist als zu jenem Zeitpunkt, an dem zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung ja gesagt haben.

Dieser EU-Reformvertrag demokratisiert die Europäische Union. Und es werden – da muss ich Kollegen Konecny korrigieren –, bis auf wenige, keine weiteren Souveräni­tätsrechte abgegeben. Aber man soll hier nicht sagen, es werden überhaupt keine zu­sätzlichen Souveränitätsrechte abgegeben.

Es werden einige wenige, Kollege Himmer, aber sehr sinnvolle Souveränitätsrechte ab­gegeben, etwa im Bereich Inneres und Justiz. Es ist wichtig, dass wir zum Beispiel die Durchsetzung von Gerichtserkenntnissen oder -urteilen innerhalb Europas haben. Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir im Bereich der Sicherheit zu einem Ausbau der Zu­sammenarbeit für die Sicherheit unserer Bevölkerung kommen. Das macht Sinn. Und es macht auch Sinn, dass wir im Bereich der Energie zu einer verbesserten Zusam­menarbeit kommen.

Dieser Vertrag schafft mit den doppelten Mehrheiten auch etwas ab, was ich immer kri­tisiert habe. Demokratie beruht auf dem Mehrheitsprinzip. Das kann für jemanden, der in der Opposition ist und hier so einer gewaltigen Regierungsmehrheit gegenübersteht, nicht immer lustig sein, Kollege Tiefnig. Es ist nicht immer lustig. Sie werden vielleicht später einmal diese Erfahrung machen, sollten Sie auf die andere Seite rutschen. Sie haben natürlich auch gemerkt, als es hier eine rot-grüne Mehrheit gab, dass es selbst für eine Kanzlerpartei nicht lustig war; aber diese hat ja noch ihre anderen Möglichkei­ten.

Deshalb ist es auch für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union wichtig, dass wir zu Mehrheitsentscheidungen kommen. Wenn wir ja zur EU sagen, so müssen wir auch ein Ja zu ihrer Handlungsfähigkeit sagen. Trotzdem gilt in vielen essentiellen Be­reichen unseres Landes das Einstimmigkeitsprinzip. Jenen, die sagen, dass nun der Neoliberalismus seinen Durchbruch erlangt hat und dass es zu einem sozialen Damm­bruch kommen wird, kann man nur entgegnen, wenn sie den Vertrag mit allen Vorurtei­len lesen oder nur auf Informationen angewiesen sind, die ihnen andere geben, dann können sie so etwas verbreiten, aber es stimmt nicht.

Es ist richtig: Die Europäische Union ist auch mit diesem Reformvertrag keine Sozial­union geworden – und das bedauern wir. Dort, wo wir die Freiheit der Waren, der


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite