BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 63

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Dienstleistungen und der Personen haben, haben wir noch keine soziale Union. Es wäre schön gewesen, hätte man zum Beispiel einen europäischen Mindestlohn defi­niert. Es wäre schön gewesen, wäre die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa ein Grundprinzip dieses Vertrages.

Trotzdem sind soziale Fortschritte erkennbar, nämlich durch die Verabschiedung der Grundrechtscharta. Das ist die Grundrechtscharta, die immerhin im Artikel 14 den Schutz der Gewerkschaften vorsieht, im Artikel 28 das Streikrecht in Europa begrün­det, die weiterhin – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – die Gleichheit von Frauen und Männern sowohl bei der Beschäftigung, bei der Arbeit als auch beim Arbeitsentgelt definiert, die im Artikel 31 festhält, dass es ein Recht auf gesunde, sichere und vor al­lem würdige Arbeitsplätze gibt.

Stichwort „sozialer Dammbruch“: Die nationalen Regierungen – da muss man jetzt wie­der die EU ein bisschen in Schutz nehmen – waren ganz leise, als es darum ging, die Dienstleistungen generell zu privatisieren. Es hat einen Prozess auch im Europäischen Parlament nach sich gezogen, dass nun die Daseinsvorsorge, dieser Zugang zu Leis­tungen der sozialen Sicherheit oder der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie sie in den Artikeln 34 und 36 beschrieben sind, genau in dieser Grundrechtscharta stehen und damit der Wert der Daseinsvorsorge in dieser Grundrechtscharta dargelegt wurde. Das ist mitnichten ein Dammbruch in Richtung Neoliberalismus.

Meine Damen und Herren, diese Grundrechtscharta enthält noch viele andere Punkte, aber mit Sicherheit nicht, dass wir eine Rückkehr zur Todesstrafe haben – auch das war nämlich schon zu lesen! –; die wird nämlich genau auf dem Gebiete der Europäi­schen Union ein für alle Mal geächtet. Auch dass künftig die Kollektivvertragsbestim­mungen mit einem Federstrich weggewischt werden, ist unrichtig. Richtig ist – auch das ist eine Weiterentwicklung –, dass diese Grundrechtscharta und damit die EU als Gesamtes der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten.

Meine Damen und Herren, all jene, die heute und hier ihre Zustimmung geben, wurden in der öffentlichen Debatte als Volksverräter dargestellt. Es war auch mehrfach zu le­sen, dass die Kameras unsere Gesichter festhalten sollten, damit man die Volksverrä­ter identifizieren kann, um sie nachfolgenden Generationen als die Verräter des heuti­gen Tages an der Souveränität Österreichs weiterzugeben.

Die Souveränität Österreichs geht mit diesem Vertrag in keiner Sekunde verloren. Al­lerdings: Österreich bekennt sich dazu, die EU handlungsfähiger zu machen und der EU ein Rechtsstatut zu geben. Und die EU bekennt sich dazu, dass es einen weiteren Schritt in der Demokratisierung des Europäischen Parlaments geben wird, aber auch, was das Verhältnis der Europäischen Union zu den nationalen Parlamenten betrifft, nämlich durch die Gleichzeitigkeit der Information. Letztlich sind wir als Bundesrat auf­gerufen, die Rolle des Wächters des Subsidiaritätsprinzips zu spielen und zur Dreh­scheibe des Subsidiaritätsprinzips mit den Landtagen und unseren Bundesländern zu werden.

Meine Damen und Herren! Vor nunmehr 30 Jahren bin ich gezwungen worden, mein Heimatbundesland zu verlassen, weil es vor 30 Jahren in Tirol nicht möglich war, nach meinem Gewissen zu leben und auf Tiroler Boden den Wehrersatzdienst zu leisten, weil der damalige Landeshauptmann keine Zivildienststellen einrichten ließ. Deshalb bin ich in Wien und deshalb vertrete ich hier ein Wiener Mandat. Und deshalb ist mir die Frage der Aufrüstung, der Militarisierung von besonderer Wichtigkeit. All jenen, die nun sagen, wir wachen mit diesem EU-Reformvertrag in einer Militärunion auf und zer­stören die Neutralität, sage ich genauso leidenschaftlich: Das stimmt nicht, denn 1995, beim EU-Beitritt Österreichs, wurde von der EU festgehalten, dass die Neutralität Ös-


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