BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 71

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Artikel 269 besagt – also in dem Text, den ich habe, steht das –: „Dieser Beschluss tritt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfas­sungsrechtlichen Vorschriften in Kraft.“

Das ist der gleiche Text, der schon im Vertrag von Maastricht enthalten ist. Selbstver­ständlich ist also der Eigenmittelbeschluss weiterhin dem parlamentarischen Genehmi­gungsverfahren zu unterwerfen.

Zur Sicherheitspolitik. Frau Bundesrätin, Sie haben die gemeinsame Verteidigungs­politik erwähnt. – Ja, ich brauche nicht einmal auf den Verfassungsvertrag zurückzuge­hen, es genügt, wenn ich auf den Vertrag von Maastricht zurückgreife, wo dieses Ziel einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wörtlich ebenso enthalten ist wie im jetzigen Vertrag von Lissabon. Da ändert sich überhaupt nichts! Das sind einige Beispiele, und es gibt auch viele andere Beispiele in der öffentlichen Debatte, die Sie nicht erwähnt haben, wo einfach die Tatsachen nicht beachtet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige der Punkte einge­hen, die hier in dieser, wenn ich das sagen darf – ich hoffe, das steht mir zu –, sehr niveauvollen und sehr beeindruckenden Debatte vorgebracht worden sind.

Ein Punkt, nach dem Herr Bundesrat Kampl gefragt hat, war: Was geschieht, wenn Irland diesem Vertrag nicht zustimmt, wenn er in der irischen Bevölkerung keine Mehr­heit findet? – Die Antwort ist relativ einfach: Genauso wie der Verfassungsvertrag muss auch dieser Vertrag von allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert werden, und wenn ein Mitgliedstaat, aus welchen Gründen auch immer – weil sich das Parlament dazu nicht in der Lage sieht oder weil die Bevölkerung, wenn eine Volksab­stimmung notwendig ist, dagegen stimmt –, dagegen stimmt, dann wird dieser Vertrag nicht in Kraft treten.

Jetzt bitte ich, doch einen Moment darüber nachzudenken, was denn die Alternative ist. Wenn dieser Vertrag nicht in Kraft ist und nicht in Kraft tritt, was durchaus möglich ist, dann wird zunächst einmal, und ich würde mich trauen, das vorherzusagen, auf ab­sehbare Zeit die bestehende Vertragsgrundlage, nämlich der Vertrag von Nizza, be­stehen bleiben.

Es ist ja nicht so – aber ich habe manchmal diesen Eindruck in der Debatte –, dass, wenn wir nur gegen diesen Vertrag sind, wenn es uns irgendwie gelingt, diesen Vertrag zu verhindern, dann die Europäische Union verschwunden wäre. Nein, ist sie natürlich nicht, denn dann werden wir weiterarbeiten auf der Grundlage des Vertrages von Nizza, und – und das ist heute wirklich sehr gut zum Ausdruck gekommen in den De­battenreden bis jetzt, und ich nehme an, es wird auch in den weiteren so sein – das ist nicht gut, denn eine Union der 27 mit so vielen neuen Herausforderungen braucht eine verbesserte Rechtsgrundlage, damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, im In­teresse von Europa und von uns allen diese Union schlagkräftiger und effizienter sein kann.

Natürlich werden wir auch weiterhin auf der Grundlage von Nizza arbeiten können, und ich hoffe, falls das wirklich passieren sollte – ich bin aber Optimist und glaube, dass es nicht passieren wird, aber falls es passieren sollte –, dass man sich überlegt, eine andere vertragliche Grundlage zu machen.

Ich glaube aber, und das ist meine feste Überzeugung auch nach sehr langjähriger Be­schäftigung mit diesem Thema, dass es im heutigen Europa unrealistisch wäre, zu glauben, dass wir einen besseren Vertrag bekommen könnten. Es beginnt ja schon da­mit, dass, wenn ich das jetzt zur Debatte stellte und an Sie alle die Frage richtete, was denn Ihrer Meinung nach ein besserer Vertrag wäre, wir uns nicht darauf einigen könn­ten, was wir anders haben wollen.

 


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