BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 89

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Wie auch immer, es gab einen neuen Anlauf, und jetzt stehen wir hier und diskutieren über diesen Vertrag von Lissabon. Das ist ein Vertrag, der in einem „falter“-Artikel mit sehr treffenden Worten beschrieben wurde: „Schönheit ist das jüngste europäische Baby keine.“

Es ist ein Vertrag, der kaum lesbar ist. Es ist ein Vertrag, über den es unzählige einer­seits bewusste Falschinformationen, aber auch Irrtümer gibt, die im Umlauf sind. Und es ist ein Vertrag, der – das muss ich auch sagen – viele Schwachstellen hat und der viele Inhalte hat, die mir nicht gefallen.

Wenn ich mir wünschen könnte, wie dieser Vertrag aussehen soll, würde er anders aussehen, das ist keine Frage. Nur: Ich bin die Eva Konrad, ich bin nicht die EU. Und dieser Vertrag, der vorliegt, ist ein Kompromiss von 27 Staaten. Da müssen wir uns schon im Klaren darüber sein: Ein Kompromiss hat – wie jemand einmal etwas zy­nisch, aber nicht ganz unrichtig gesagt hat – die Eigenheit, dass am Schluss jeder ein bisschen unglücklich ist. Und wenn es immer nur so weit geht, dass man damit leben kann, dann hat man einen funktionierenden Kompromiss. – Wir hoffen, dass es auch in diesem Fall ein funktionierender Kompromiss sein wird.

Dieser Vertrag hat sehr viel Ablehnung provoziert – aus verschiedenen Gründen. Teil­weise waren es nationalistische Gründe, nach dem Motto: Wir sind generell gegen die EU, deshalb sind wir auch gegen diesen Vertrag.

Teilweise gab es deshalb Ablehnung, weil viel von dem – ich kann es nicht anders sa­gen – verbreiteten Unsinn geglaubt wurde.

Teils gibt es aber auch gute Gründe zu kritisieren, was in diesem Vertrag steht. Für viele ist die EU einfach nicht in dem Ausmaß, wie sie es wollen und für richtig halten, eine Sozialunion. Für viele stehen zu sehr wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt.

Viele üben Kritik daran, dass die Atomenergie von der EU gefördert wird und dass es jetzt auch ein militärisches Kerneuropa geben wird, das in diesem Vertrag verankert und erwähnt ist.

Teils gibt es aber auch sehr große Ablehnung gegen diesen Vertrag, weil eben die jeweiligen Regierungen – einerseits die jetzige, aber auch die vorigen Regierungen – schon seit Jahren davon reden, dass man den Europa-Dialog stärken muss, dass Europa zu Hause anfängt. Wir haben unzählige dieser Diskussionen hier geführt, aber eine wirkliche breite, öffentliche Diskussion und Information über einerseits die EU und die Frage, was sie soll, andererseits den Inhalt dieses Vertrages von Lissabon, das ist nicht erfolgt.

Es stimmt schon – das haben wir auch gestern im Ausschuss diskutiert –, dass es sehr viel an Broschüren und Informationsmaterial gibt, aber das Problem ist eben, dass man sich das extra besorgen muss und dass es diverse andere Informationen gibt, die doch einfacher zu bekommen sind. Und es hängt, glaube ich, ein bisschen daran, welche Information zuerst bei den Menschen ist: die wird nämlich dann eher geglaubt. Und das ist einfach auch einer der Gründe, warum zu diesem Thema so viele Irrtümer und so viele falsche Informationen im Umlauf sind.

Ich rede nicht davon, dass man eine Werbekampagne hätte machen sollen, aber ich glaube, dass es viele Inhalte gibt, dass es viele Zielsetzungen der EU gibt, die man durchaus ehrlich positiv argumentieren kann, von denen man sagen kann: Das sind doch gute Gründe, dass man dafür ist! – Und dann kann man auch über die Schwach­stellen diskutieren. Das hat mit Schönreden oder Werbung-Machen eigentlich noch nichts zu tun.

Was sind also die Gründe, dass wir als Fraktion der Grünen diesem Vertrag unsere Zu­stimmung geben? – Kurz gesagt, enthält er doch eine Reihe von zentralen Punkten, in


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