BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 64

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Wir haben beim Bundesministerium für Justiz einen Rehabilitierungsbeirat eingerichtet, der dann die Fälle prüfen wird, und es ist dann auch in der Kompetenz des Gerichtes gelegen, eine Stellungnahme abzugeben und den historischen Sachverhalt ent­sprechend festzustellen.

Wir sind der Auffassung, dass das eine sehr praktikable und verwaltungsverein­fachende Lösung darstellt.

Ich bedanke mich auch bei der Ministerin für die Unterstützung bei diesem Gesetz. Meine Fraktion wird dem sehr gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


11.48.10

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Mayer, ich habe bei Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört, und wenn ich das, was Sie heute gesagt haben, mit dem vergleiche, was man früher vonseiten Ihrer Fraktion zu diesem histo­risch wichtigen Thema gehört hat, so meine ich feststellen zu können, dass sich die Auffassung Ihrer Partei diesbezüglich in den letzten Jahren sehr gewandelt hat. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, da wir dadurch heute in der Lage sind, dieses Reha­bilitierungsgesetz zu beschließen.

Es handelt sich um ein Gesetz, das kein Gesetz wie jedes andere ist, sondern das sich mit der österreichischen Vergangenheit auseinandersetzt. Der Zeitabschnitt von 1933 bis 1938 war noch bis vor Kurzem Gegenstand von politischen Kontroversen und emotionalen Gefechten, obwohl sich die Wissenschaft seit 30 Jahren über die histo­rischen Tatsachen einig ist.

Und obwohl die historischen Tatsachen bekannt sind und waren, wird und wurde dieses Kapitel der Geschichte in Österreich weitgehend tabuisiert. Manchmal konnte man darüber in den Zeitungen lesen – oftmals wurden diese Artikel ausgelöst durch eine Diskussion darüber, wie man dazu steht, dass das Porträt von Engelbert Dollfuß im Parlamentsklub der ÖVP gehangen ist. Oft war das der alleinige Anlass der medialen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Und es wurde dann immer darauf verwiesen, dass es diesbezüglich unterschiedliche Geschichtsauffassungen zweier politischer Parteien gäbe und auch zur Person Engelbert Dollfuß.

Die Diktatur von 1933 bis 1938 ist jedoch keine Frage von Parteienbefindlichkeiten, wie dies manchmal von Medien dargestellt wurde, sondern ist von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Das Ausschalten des Parlaments 1933, in der noch so jungen Republik, und das Regieren mit kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzen hat ohne Zweifel die demokratische Republik Österreich zerschlagen. Das Verbot der politischen Parteien, der Sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei, sowie der Gewerkschaften und etlicher anderer Vereine hat aufrechte Demokraten und Demokratinnen in die Illegalität und Kriminalität gedrängt. Gerade die Beseitigung der demokratischen Strukturen in der Ersten Republik, die Unterdrückung, die Verfolgung, die Hinrichtung von Menschen, die sich nichts anderes zuschulden kommen haben lassen, als für ein unabhängiges, demokratisches Österreich einzustehen, hat unter anderem auch den Weg für den Nationalsozialismus in Österreich geebnet.

Mit dem heutigen Gesetz wird erstmals der Unrechtscharakter der Verfolgungs­maßnahmen im Austrofaschismus durch Engelbert Dollfuß unmissverständlich festgestellt. Auch wenn dies nicht ausdrücklich so im Gesetz festgehalten wird, so ist


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