Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 427

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betroffen sind, die in Saisonbranchen arbeiten. Sie wissen außerdem viel besser als ich, daß das vor allem ausländische Arbeitslose trifft, von denen 55 Prozent in Saisonbranchen beschäftigt sind. Und Sie wissen auch ganz genau, daß der Nachweis des Einkommens als Lebensgrundlage für die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung existentiell ist.

Hier werden Einschränkungen getroffen, die für mich ein wirklich unheilvolles Zusammenspiel zwischen Sozial- und Innenministerium darstellen: Wenn nämlich ein Ausländer arbeitslos wird, dann hat er in Zukunft nur Anspruch auf diese Arbeitslose bis zum letzten Tag seiner gültigen Aufenthaltsbewilligung. Danach ist es aus damit, dann gibt es keine Verlängerung, denn damit hat der Betroffene ja keine Lebensgrundlage. Es ist vollkommen unwichtig, ob der Betroffene drei Jahre hier lebt oder schon 15 oder 20 Jahre. Darauf nimmt dieses Gesetz keine Rücksicht.

Was mich so empört, ist, daß Sie das alles wissen. Sie wissen ganz genau, daß damit Personen getroffen werden, die alle hier eingezahlt haben, die alle – und das ist ein nächstes Beispiel für diese ausländerfeindlichen Maßnahmen des Konsolidierungspakets –, wenn sie arbeiten, genauso die vollen Beiträge in den FLAF einzahlen wie österreichische Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen. Sie haben aber keinen Genierer, zu sagen: Aber Kinder von Ausländerinnen und Ausländern, die im Ausland leben, beziehen diese Leistung, für die ja jeder einzelne Arbeitnehmer aufkommt, nicht.

Daß dadurch ein wenig gespart wird, das gebe ich schon zu. Aber ist Ihnen bewußt, daß damit ein ganz anderer Druck entsteht, mit dem Sie konfrontiert sein werden, nämlich der Druck auf Familienzusammenführung, der Druck, die Kinder herholen zu wollen und zu müssen, weil man ja sonst das Geld, das man in den FLAF einzahlt, nicht zurückbekommen kann? Der Druck auf diese Zuwanderung wird zwar steigen, aber es wird keine Plätze in der Familienquote geben. Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind vorprogrammiert. Sie sind vorprogrammiert, und sie werden so schnell eintreten, wie Sie gar nicht schauen können.

Ich persönlich und namhafte Juristen und Juristinnen halten Bestimmungen wie diese für verfassungswidrig. Es kann doch nicht sein – und da geht es nicht nur um die Familienbeihilfe, da geht es auch um den Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld –, daß man sich in Österreich so mir nichts, dir nichts über internationale Rechtsnormen hinwegsetzt.

Wozu haben wir denn durchgesetzt, daß auch bei uns das internationale Abkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung gilt? – Ja, es gilt, aber es ist offensichtlich Makulatur, denn einfachgesetzliche Regelungen werden entgegen diesem Geist beschlossen. Das kann doch wirklich auch nicht mit Ihrer sozialen Seele im Einklang stehen.

Meine Damen und Herren! Diese ausländerfeindlichen Bestimmungen im sogenannten Strukturanpassungsgesetz haben auch einen ganz besonderen Aspekt, der vielleicht dem einen oder anderen Kollegen hier noch gar nicht bewußt geworden ist. Es gibt in Österreich etwas, das man überspitzt und drastisch nicht anders nennen kann als eine Form von – unter Anführungszeichen – "Sklavenhaltung".

Ein Ausländer, der in Österreich eine Beschäftigungsbewilligung hat, hat sie eigentlich nicht selbst, sondern sein Dienstgeber hat sie. Der Dienstgeber verfügt sozusagen über diesen Menschen, dessen Arbeitskraft und dessen Einsatz zu 100 Prozent. Man ist gewissermaßen an seinen Dienstgeber und an seinen Arbeitsplatz im wahrsten Sinn des Wortes gefesselt. Daß man damit auch an etwaige schlechte Arbeitsbedingungen, an eine schlechte Bezahlung gefesselt ist, ist etwas, das doch gerade Ihnen, der Sie mir als Gewerkschafter, als sehr sozial gesinnter Mensch bekannt sind, zu denken geben sollte.

Ich kenne viele Sozialdemokraten, vor allem Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die das sehr oft kritisiert haben. Aber was macht man jetzt? – In Zeiten, in denen die Repression immer stärker wird – und das wird sie durch dieses Konsolidierungspaket; der einzelne ist eingeschüchtert, der einzelne sagt: um Gottes willen, Gürtel enger schnallen, alle müssen einen Beitrag leisten –, ist es besonders günstig, jene Gruppen, die nicht über Lobbyisten verfügen und die nicht durch einen Brief Gesetze ändern können, so mir nichts, dir nichts schlechterzustellen.


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