Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 461

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Es gibt auch deshalb keine Alternative – auch das sollten wir uns ins Bewußtsein rufen –, weil wir in der Wirtschaft einen großen Nachteil haben – ich möchte es bewußt ein bißchen pointiert formulieren: Wir können wirtschaftliche Erfolge nicht pragmatisieren. Wohlstand und wirtschaftliche Erfolge müssen in der Wirtschaft, in den Betrieben täglich neu erarbeitet werden. Und deswegen gibt es keine Alternative, deshalb das Wort "müssen" nach dem Wort "wir".

Zum dritten Wort: "umgestalten". Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich betonen: Es geht hier nicht, wie manche polemisch behaupten, um einen Sozialabbau. Es geht um einen Sozialumbau, es geht um eine Umgestaltung unseres Sozialsystems. Denn wenn argumentiert wird, es entstehen ständig neue Bedürfnisse, dann muß man ehrlicherweise zugeben, daß es auch Bedürfnisse geben wird, die sich überholen, wo durchaus der Eigenverantwortung stärkeren Spielraum gegeben werden kann, wo nicht gesagt werden kann: Der Staat muß alles garantieren. Ich glaube, wir müssen uns überhaupt von dieser Vorstellung lösen. Es gibt keine risikolose Gesellschaft, und der Staat kann nicht alle sozialen Risken abdecken. Wir müssen der Eigenverantwortung, der Eigeninitiative einen neuen Stellenwert in der Sozialpolitik geben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Daher das Wort "umgestalten".

Ein zweites Thema in aller Kürze: Es ist heute von vielen Rednern das Thema Berufsausbildung, Lehrlingsausbildung angeschnitten worden. Lassen Sie mich zwei grundsätzliche Feststellungen dazu machen.

Erstens: Wir haben es hier in diesem Haus wiederholt betont, und jeder internationale Vergleich zeigt das: Wir haben aufgrund unseres Systems der dualen Berufsausbildung die geringste Rate der Jugendarbeitslosigkeit von allen Ländern der EU. Also haben wir im Grunde ein gesundes, richtiges System, das man natürlich auch weiterentwickeln, auch anpassen kann.

Meine Damen und Herren! Auch da sind wir gefordert, diese Anpassung, diese Umstellung ehrlich, fair und allen Verlockungen der Demagogie widerstehend entsprechend umzusetzen. Was meine ich damit? – Wir müssen erkennen, daß wir einerseits ein vorbildliches System haben, das aber zunehmend unter folgenden Druck gerät: daß zunehmend Leiter von Betrieben – die ja nicht gezwungen werden können, Lehrlinge auszubilden –, sich sagen: Bei soviel Bürokratie, bei so hohen Kosten, bei so wenig Anwesenheit des Lehrlings im Betrieb tue ich mir das nicht mehr an!

Das ist das Problem, das ist der Punkt, meine Damen und Herren! Und es macht uns große Sorge, daß die Bereitschaft der Betriebe zur Ausbildung aus diesen drei Gründen – zuviel Bürokratie, zu hohe Kosten, zu wenig Anwesenheit im Betrieb – ständig abnimmt.

Die Wirtschaftskammer hat erst vor kurzem der Regierung, dem Parlament ein Sofortprogramm zur Sicherung der Berufsausbildung übermittelt. Ein Punkt, der heute schon aufgezeigt wurde, ein Punkt von 27 Punkten lautet: Wir müssen auch sehr achtgeben, daß wir nicht durch ständige übergroße Steigerung bei den Lehrlingsentschädigungen diesen Kostenauftrieb noch verstärken.

Lassen Sie mich folgendes sehr deutlich sagen: Wir erleben in dieser Zeit, daß etwas, was im Bereich der älteren Arbeitskräfte jahrzehntelang gut gemeint war, nämlich das Biennalsystem – alle zwei Jahre rückt man automatisch vor –, zum Bumerang geworden ist, weil das dazu geführt hat, daß ältere Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig, weil zu teuer sind. Diesbezüglich hat bereits ein Umdenken eingesetzt. Ich warne davor, zu glauben, daß man, wenn man mehr Lehrlinge will, nur die Lehrlingsentschädigung erhöhen muß. – Zuerst werden Ausbildungsplätze benötigt, dann kann man über die Lehrlingsentschädigung und deren Höhe diskutieren. Das ist das Grundanliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluß: Meine Damen und Herren, glauben Sie uns: Die Wirtschaft ist in diesen Fragen deshalb überaus glaubwürdig, weil 50 Prozent der Unternehmer in Österreich von der Lehrlingsausbildung herkommen. Wir haben Interesse daran, daß die Lehrlingsausbildung fortentwickelt wird, denn das ist letztlich auch das Potential für unternehmerischen Nachwuchs. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

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