Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 278

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nicht in jeder Hinsicht die Ansichten meiner Vorredner, auch nicht meiner unmittelbaren, aber es ist mir ein Vergnügen gewesen, sowohl Professor Van der Bellen als auch Willi Fuhrmann zuzuhören, aus dem Bauch heraus, sachlich, fachorientiert, emotionsfrei und ohne Spitze gegen irgend jemand anderen hier zu referieren. Ich habe gerne zugehört, und ich bin dankbar dafür, daß das so vorgebracht worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wir schon bei diesen versöhnlichen Tönen sind, darf ich auch sagen, daß es mich freut, daß der Herr Bundesminister in seinen Anmerkungen zum Ausdruck gebracht hat, daß er dem Komplex der Avnoj-Bestimmungen, die es in Slowenien nach wie vor gibt, problembewußt gegenübersteht und tatsächlich vorhat, nachhaltig auf die Abschaffung dieses Unrechts zu dringen, weil es eben einfach nicht angeht, daß eine so bösartige, historisch überholte, in keiner Richtung akzeptierbare Normenansammlung einen Staat auf dem Weg nach Europa begleitet.

Die Avnoj-Bestimmungen oder die Regeln von Jaize 1943 und Belgrad 1944 sind Grundlagen für ethnische Säuberungen in eben dem Gebiet schon damals gewesen, in dem sie auch in den jüngst vergangenen Jahren stattgefunden haben. Alle, die Deutsch als Muttersprache gehabt haben, sind aller Rechte verlustig gegangen – aller Rechte, nicht nur aller Vermögensrechte! Das heißt, man hat ihnen das letzte Hemd vom Leib nehmen dürfen – ich sage gar nicht "stehlen", denn es war kein Unrecht – oder den letzten Löffel aus der Hosentasche nehmen können, denn es war kein Unrecht. Man hat sie erschlagen dürfen an der nächsten Ecke, völlig sanktionslos, denn sie haben keine Rechte, auch keine persönlichen Rechte in dieser Hinsicht gehabt, sie waren tatsächlich vogelfrei.

Diesbezüglich gibt es erschütternde Geschichten, die man nachlesen kann, die einem erzählt werden, wie sich das in der Praxis abgespielt hat, aber das würde den Rahmen einer außenpolitischen Debatte in diesem Haus, von diesem Rednerpult aus sprengen. Während der Ausführungen meiner beiden Vorredner habe ich daran gedacht, daß der Abgeordnete Ermacora, Gott habe ihn selig, bei seiner Abschiedsrede dieses Pult als das wichtigste Rednerpult der Republik bezeichnet hat. Von diesem Rednerpult aus wird man bei anderer Gelegenheit auch über diese dunklen Facetten der Geschichte sprechen müssen.

Tatsächlich sind diese Avnoj-Bestimmungen die Basis dafür gewesen, daß man von den zirka 750 000 – 750 000! – Altösterreichern deutscher Zunge im ehemaligen Jugoslawien etwas mehr als die Hälfte außer Landes getrieben hat, den etwas kleineren Teil umgebracht hat. Schlicht und einfach.

Da hat es Dinge gegeben! Ein hoher Geistlicher, der von dort gekommen ist, hat mir in St. Pölten folgendes erzählt – ein geistlicher Funktionär, nicht Bischof Krenn –: Es war die Bevölkerung einer Kleinstadt – zirka 10 000 Einwohner; immerhin relativ groß – in einem großen Sportgelände gefangengehalten, und es hat geheißen: Morgen um 15 Uhr sind alle Kinder bis 15 Jahre abzugeben. Es reicht die Phantasie nicht aus, sich auszumalen, was sich dort abgespielt hat. Tatsächlich sind alle, von den Säuglingen bis zu den Halbwüchsigen, diese Tausenden Kinder am nächsten Tag weggenommen worden. Man hat nie wieder etwas von diesen Kindern gehört oder gesehen: Avnoj-Bestimmungen!

Heute, 53 Jahre später, sind von Nachfolgestaaten, etwa von Kroatien, diese Bestimmungen längst aus dem Rechtsfundus eliminiert. Ein anderer Staat, zum Beispiel Slowenien, um den es hier geht, hat diese Bestimmungen ausdrücklich in das Denationalisierungsgesetz vom 20. 11. 1991 übernommen. Er hat also nicht übersehen, daß es das noch gibt, nicht darauf vergessen, nicht den Standpunkt vertreten, das ist ohnehin schon längst durch desuetudo oder aus welchen Gründen immer nicht mehr Rechtsbestandteil. Nein! Er hat es ausdrücklich in diese gesetzliche Bestimmung aufgenommen.

Das ist relativ praktisch, denn es bewirkt, daß man Altösterreichern deutscher Zunge auch heute noch auf Basis dieser Bestimmungen keinerlei Rechte einzuräumen braucht, ihnen theoretisch – das ist nur heute in der Praxis nicht mehr so einfach – alles wegnehmen kann, ohne daß das Unrechtsgehalt hätte nach der innerstaatlichen Regelung, und sie eigentlich auch umbringen dürfte. Natürlich geht auch das nicht mehr ganz so einfach.


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