Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 454

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Diese 1 400 Diagnosen sind für die Turnusärzte, die diese Kodierungen vornehmen, völlig unübersichtlich, und wir werden da ein Tohuwabohu erleben, das seinesgleichen suchen wird. Wir fordern daher schon lange, diese Diagnosen zusammenzustutzen, zu sammeln, auf etwa 250 zu reduzieren, und daß die Finanzierung nicht in erster Linie nach der Diagnose erfolgen soll, sondern nach der Leistung, die im Krankenhaus erbracht wird.

Wenn Sie, Frau Bundesministerin, in einer Anfragebeantwortung sagen, daß die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung selbst die Kosteneinsparung im Krankenanstaltenbereich nicht bringt, dann haben Sie vollkommen recht, das muß ich Ihnen zubilligen. Aber dann frage ich Sie auch: Warum haben Sie die seit 17 Jahren propagierten und versprochenen begleitenden Strukturveränderungen – vor allem im extramuralen Bereich – nicht durchgeführt, ja ganz im Gegenteil, sie bis zum heutigen Tage – und, wie ich weiß, wird es auch in den kommenden so sein – blockiert?

Frau Bundesministerin! Das Modell Vorarlberg wird ja immer wieder genannt. Es ist schon erkennbar, daß keine weitere zusätzliche Steigerung der Spitalskosten eingetreten ist, ja es ist sogar eine Senkung der Steigerung – nicht die Senkung der Spitalskosten, wohlgemerkt! –, also eine Senkung der Steigerung der Spitalskosten um 2 Prozent festgestellt worden, was ich auch in Vorarlberg nicht zuletzt darauf zurückführe, daß man sehr viele Patienten in das Landeskrankenhaus Innsbruck transferiert hat: Teure, aufwendige Behandlungen läßt man jetzt im Bundesland Tirol durchführen. Das spart für Vorarlberg einiges ein, und das könnte sich genau um diese 2 Prozent handeln.

Auch in Vorarlberg haben die strukturellen Veränderungen noch nicht gegriffen. Daher glaube ich, daß man auch in Vorarlberg – obwohl ich es begrüße, daß Vorarlberg da Vorreiter war – noch nicht gezeigt, noch nicht bewiesen hat, daß es wirklich zu Einsparungen kommen wird.

Einsparungen gibt es nur durch Strukturmaßnahmen, durch strukturelle Reformen – aber wo sind denn die geblieben? – Ich kann keine einzige Maßnahme erkennen, die dazu beiträgt, daß der ungebremste Zuzug der österreichischen Patienten ins Spital eingebremst wird. Ganz im Gegenteil: Es werden den niedergelassenen Ärzten Ökonomierichtlinien aufgebrummt, Richtlinien, die ihnen die Arbeit mit dem Patienten und die Behandlung des Patienten in der freien Praxis immer schwerer machen.

Da werden die chefärztlichen Bewilligungen und Genehmigungen schwerstens ausgeweitet, werden Limitierungen und Strafandrohungen eingeführt. Da wird sich so mancher Arzt denken: Warum tue ich mir das an? Es ist doch gescheiter, ich schicke einen etwas schwierigeren Fall ins Krankenhaus, dann habe ich keine Sanktionen von der Krankenkasse zu erwarten! Das geht jetzt so weit, daß die österreichische Ärztekammer in einem Rundschreiben an alle niedergelassenen Ärzte zum offenen Boykott dieser Ökonomierichtlinien aufruft, Frau Bundesministerin. (Bundesministerin Dr. Krammer spricht mit einer Beamtin.) Frau Doktor, wenn auch Sie mir vielleicht kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken, Sie sind ja auch direkt im Ministerium von der Materie betroffen und können manchmal vielleicht einen positiven Einfluß auf die Frau Bundesministerin ausüben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Vielleicht leihen Sie beide mir das Ohr (Bundesministerin Dr. Krammer: Vier Ohren sind zu viel für den Pumberger, zwei sind genug!) , das würde die künftige Arbeit im österreichischen Gesundheitswesen auch für Sie wesentlich erleichtern.

Die österreichische Ärztekammer ruft also zum offenen Boykott auf. Sie schreibt an die Ärzte: Sehr geehrter Herr Kollege! Sehr geehrte Frau Kollegin! Behandeln Sie Ihre Patienten wie bisher: primär zu deren Wohl und selbstverständlich auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sollten die Krankenkassen versuchen, obwohl über die Grundsatzfrage der Rechtswirksamkeit dieser Richtlinien ein Rechtsstreit geführt wird, aus der Nichtbeachtung der Richtlinien einzelnen Ärzten rechtliche oder finanzielle Nachteile zu bereiten, wird diesen durch die Ärztekammer Rechtshilfe gewährt.

Also die Ärztekammer geht so weit, daß sie die Ärzte aufruft, die Richtlinien nicht zu beachten und die Behandlung der Patienten so wie bisher fortzusetzen. Ich begrüße diesen Aufruf an die


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