Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 173

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Nahversorgung, Herr Minister, bedeutet im Bereich der Justiz mehr, als nur Sprechtage oder einen Verhandlungstag pro Woche abzuhalten. Nahversorgung im Bereich der Justiz ist meiner Meinung nach auch mehr, als Grundbuchauszüge mit dem Computer erstellen zu lassen.

Nahversorgung ist ein komplexer Begriff: Er umfaßt Dienste wie Post, Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten, aber eben auch die Versorgung mit Einrichtungen der öffentlichen Sicherheit und der Justiz. Gerade in ländlichen Gebieten, in den Alpentälern, deren Entvölkerung bisher nur der Fremdenverkehr verhindert hat, bedeutet der Wegfall jeder einzelnen Nahversorgungseinrichtung einen weiteren Mangel an Infrastruktur, den wir uns sicherlich nicht leisten können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich appelliere daher an Sie, Herr Minister, diese Aspekte in Ihre Überlegungen miteinfließen zu lassen. "Gut Recht bedarf der Hilfe" sagt ein altes Sprichwort – und diese Hilfe liegt auch in der gerichtlichen Nahversorgung.

Ein Thema möchte ich noch ansprechen und zwar jenes der Untersuchungshaft. Erfreulich ist es, daß sich der, wie es in der Amtssprache heißt, "Durchschnittsbelag der Untersuchungshäftlinge" von 1993 auf 1994 verringert hat. Erschreckend ist hingegen – das wäre meiner Ansicht nach auch noch genauer zu untersuchen –, daß im Sicherheitsbericht bereits eine Zahl für das erste Halbjahr 1995 angeführt ist, und diese Zahl ist fast mit der Gesamtzahl des Jahres 1994 identisch. 1994 waren es 1 688 Personen, 1995 waren es alleine im ersten Halbjahr schon 1 605 Personen, die straffällig geworden sind. Wir sollten, glaube ich, schon darauf achten, was da passiert ist, aber man sollte diese Zahl, wenn sie nicht richtig ist, aufklären.

Als genauso unerfreulich wie in den Jahren zuvor möchte ich auch die unterschiedliche Handhabung bezüglich der Verhängung der U-Haft in den vier Oberlandesgerichtssprengeln bezeichnen. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, in Wien in U-Haft genommen zu werden, viermal höher als in Innsbruck.

Die Haftantrittsrate war in Wien mit 14,3 Prozent am höchsten, in Innsbruck mit 3,3 Prozent hingegen am niedrigsten. Während also in Innsbruck nur über jeden 30sten die Untersuchungshaft verhängt wurde, mußte hier in Wien die Untersuchungshaft über jeden siebenten verhängt werden. (Abg. Böhacker: Was schließt du daraus?) Das bedeutet, daß die Justiz nicht unbedingt überall gleich handelt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit Bedauern müssen wir feststellen, Herr Minister, daß dieser Sicherheitsbericht in diesen Teilen wortwörtlich dem Bericht 1993 gleicht und daß sich diese Zahlen leider nicht geändert haben. Ich glaube, das sollte schon geschehen. Wir müssen wirklich hoffen, daß sich die Justiz in Zukunft die Mühe machen wird, die Zahlen aus dem entsprechenden Jahr in den Bericht einzusetzen. Auch die unterschiedlichste Dauer der Untersuchungshaft gibt zu denken: In Wien beträgt sie 63 Tage, in Graz jedoch nur 49 Tage.

Herr Minister, wenn ich ein Taschendieb mit Hirn wäre, würde ich – nach dem Studium dieses Sicherheitsberichtes – meine Aktivitäten von Wien nach Graz verlegen, weil ich da weniger lang – unter Anführungszeichen – "eingelocht" werde. (Heiterkeit der Abg. Dr. Feurstein und Dr. Stummvoll. ) In der Rechtsprechung gibt es krasse Unterschiede, und das können wir, glaube ich, hier im Hohen Haus nicht akzeptieren.

Hohes Haus! Im Kapitel Justiz des Sicherheitsberichtes 1994 sehe ich viel Positives, aber auch einiges Negatives. Das Positive bedarf wahrscheinlich keiner weiteren Erläuterung, denn im Normalfall dürfen wir damit rechnen, daß in der Verwaltung positiv gearbeitet wird und daß das keine besondere Leistung darstellt, sondern daß es die österreichische Bevölkerung eben verdient, daß so positiv gearbeitet wird.

Was die negativen Erscheinungen anlangt, so soll uns das ein Ansporn und ein Auftakt des Parlaments sein, diese Dinge in der Zukunft vielleicht ein bißchen besser zu machen. Ein bißchen mehr sparen und ein bißchen mehr in die richtige Richtung gehen ...


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