Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 62

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vorstellbar. Natürlich muß man ausdifferenzieren, aber die Ausdifferenzierung ist keine Frage der grundsätzlichen Regelung für die Dienstnehmer, sondern das ist eine Frage, die vor Ort in Betrieben, in Betriebsvereinbarungen, in Interaktion mit Gewerkschaften, in Interaktion mit Betriebsräten ausdifferenziert werden kann. Der gesetzlich Regelungsbedarf tritt erst dann allenfalls auf, wenn sich herausstellen sollte, daß unsere Gewerkschaften unfähig sind, so etwas auszuverhandeln, daß unsere Unternehmen unfähig sind, zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen. Erst dann könnte es vielleicht sein, daß ein gesetzlicher Regelungsbedarf über Details auftritt. Ich hoffe nicht, daß es dazu kommt, denn ich glaube fest an den eigenverantwortlichen und mündigen Bürger und insbesondere an eine leistungsfähige Gewerkschaft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn daher unser Antrag mit der Begründung, er sei zu weitreichend gewesen, deswegen müsse er leider abgelehnt werden, im Ausschuß keine Mehrheit gefunden hat und, ich fürchte, auch in diesem Hohen Haus keine Mehrheit finden wird, dann zeugt das von der Unwilligkeit, einen Operationskalender für eine Reform vorzulegen. Und das sagt über die Bundesregierung wesentlich mehr aus als manches andere. Denn wenn man nicht einmal bereit ist, sich einen Arbeitsplan für eine Reform zurechtzulegen, dann ist man offenbar auch nicht bereit, diese Reform wirklich in Angriff zu nehmen.

Daher kann ich den Worten der Kollegin Reitsamer, die davon sprach, sie sei inhaltlich ganz in der Nähe unserer Anliegen, nicht wirklich Glauben schenken. Es wäre ganz einfach gewesen. Sie hätte im Ausschuß für den Entschließungsantrag zur Entwicklung eines Operationskalenders zur Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit stimmen können. Sie hat es nicht getan, möglicherweise aus Fraktionsdisziplin, aber das ist kein guter Grund für jemanden, der ein freies Mandat hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun zu den Pensionsrechten: Auch wir wissen, daß die Reform und die Vereinheitlichung der sozialen Pensionsrechte – ich lege großen Wert auf das Beiwort "soziale" Pensionsrechte – ein Projekt von großer Reichweite, aber von enormer Dringlichkeit ist, denn die demographischen Zahlen sprechen eine ganz deutliche Sprache, die Aufkommensentwicklung der Beiträge spricht eine klare Sprache, die Bedarfsentwicklung auf der Auszahlungsseite spricht eine klare Sprache.

Wenn der Herr Bundesminister betont, er sehe die Pensionen bis zu diesem oder jenem Zeitpunkt finanzierbar, dann sage ich ihm: Ja sicher – über Schulden! "Finanzierbar" heißt ja nicht, daß sie im System gedeckt sind, das heißt nur, daß man irgendwie das Geld wird darstellen können, und das nähert sich dem, was man in der Wirtschaft fahrlässige Krida nennt. Wenn man behauptet, man werde die Zahlungen schon leisten können, denn irgendwer werde es einem borgen, dann ist das nicht wirtschaften, sondern nur Liquidität darstellen.

Wir haben den Vorschlag gemacht, eine sofortige Umstellung anzudenken, indem man eben mit einer Vierzigstelregelung operiert und sagt: Wir stellen alle sofort um. Alle bisher erworbenen Rechte bleiben den Anspruchsberechtigten erhalten, und was sie noch bis zum 65. oder bis zum 60. Lebensjahr zurückzulegen haben, wird in ein neues System übergeführt. Aber nicht einmal die Diskussionsbereitschaft dafür ist vorhanden. Daher meine ich, daß es schon wirklich bewegend und beunruhigend ist, wenn diese Reformunfähigkeit auch durch das Abstimmungsverhalten so klar zutage tritt.

Ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Konglomerat von Materien, die wir unter einem diskutieren, ist der Familientransfer: Es kam im Sozialausschuß auf kurzem Wege dazu, die Zuweisung an den Familienausschuß zu beschließen. Das wird auch so geschehen, und wir werden heute hier im Plenum dieser Zuweisung an den Familienausschuß durchaus auch zustimmen, denn wir wollen, daß die Diskussion endlich weitergeht, daß sie nicht wieder steckenbleibt. Aber in der politischen Dimension wurde unser Antrag nicht verstanden. Unser Antrag war nämlich kein familienpolitischer Strukturantrag, sondern er war ein sozialer Antrag zur Sicherung der Existenzminima für Kinder. – Und das ist zu allen Zeiten eine sozialpolitische Frage. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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