Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 63

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Dieser Antrag sollte nicht dazu dienen, ein bestimmtes gesellschaftspolitisches Familienmodell herzustellen, sondern er sollte bewirken, Kinder vor Not zu schützen, ihnen ein auskömmliches Existenzminimum zu sichern und ihnen Chancengleichheit zu gewähren, und zwar durchaus unter Inanspruchnahme der Eltern und unter subsidiärem Einsatz von öffentlichen Mitteln. Selbstverständlich. Eigenverantwortung sollte nämlich auch bei der Familienplanung ein Element sein. Kinder in die Welt zu setzen sollte auch ein bewußter Vorgang sein und nicht nur ein zufälliger.

Wir meinen, daß dieses Element der Eigenverantwortung in unserem Modell sehr klar abgebildet und übrigens im geltenden Unterhaltsrecht voll gedeckt ist, daß aber gleichzeitig nennenswerte Entlastungen im sogenannten Karenzurlaubszuschußgesetz entstünden, daß nennenswerte Entlastungen im Bereich der Familienzuschläge zur Arbeitslosenversicherung entstünden, daß nennenswerte Entlastungen in anderen sozialen Transfers entstünden. – Das heißt, daß die soziale Dimension unsere Antrages vollkommen unübersehbar ist für jemanden, der ihn gelesen hat.

Das ist auch der Grund, warum wir verdrossen sind, daß er nicht im Sozialausschuß diskutiert wurde, sondern in den Familienausschuß kommt. Er soll dort diskutiert werden, wohin er jetzt kommt, seine soziale Dimension verliert er deswegen allerdings nicht, und wir werden nicht zulassen, daß er vielleicht mißbraucht wird als ein Instrument für: Frauen zurück an den Herd! Ich spüre geradezu schon, welche Argumente da kommen werden, ich spüre schon, wie man wieder versuchen wird, Familien- und Sozialpolitik so zu vermischen, damit die konservativen Strukturen unserer Gesellschaft weiter erhalten bleiben, damit die Emanzipation der Frauen weiter behindert und erschwert wird, statt ihnen den freien, chancengleichen Zutritt auch in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Denn darum geht es hier ebenfalls: um eine permanente Herstellung von Chancengleichheit. – Das wurde nicht verstanden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wurde aber auch nicht verstanden, daß es nach unserer Überlegung, die auf Existenzabsicherung, auf Existenzminima für Kinder abzielt, überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, in dieser verqueren Art Sozialabkommen zu kündigen – wir werden heute zu einem anderen Tagesordnungspunkt noch Gelegenheit haben, uns im einzelnen darüber zu unterhalten –, nämlich die Sozialabkommen mit Slowenien, mit Kroatien, mit Bosnien-Herzegowina und so weiter, nur um dort keine Familienbeihilfen zahlen zu müssen. "Existenzminimum" heißt nämlich, auf die existentiellen Notwendigkeiten des Betroffenen vor Ort abzustellen. Nach unserem Familientransfermodell hätte das geheißen, daß Kinder, die in der Türkei leben, aufgrund der dortigen Lebensstandardverhältnisse selbstverständlich ein niedrigeres Existenzminimum benötigen, daß daher nennenswerte Entlastungen im Budget aufgetreten wären, ohne daß man einseitig Sozialabkommen mit Staaten kündigen hätte müssen.

Aber ich sage noch einmal: Das weiß natürlich nur jemand, der unseren Antrag gelesen hat. Und das macht so verdrossen, denn man hat das Gefühl, es wird geschaut, wer den Antrag gestellt hat, und danach entschieden, ob man dagegen oder dafür ist. Wenn er nicht von der eigenen Fraktion oder von der Regierungsfraktion 2 ist, dann wird er jedenfalls abgelehnt und nicht für eine echte Diskussion benützt. Das ist etwas, was eine Krise des Parlamentarismus bedeutet, und ich sage das laut und öffentlich, weil ich meine: Wenn wir nicht wirklich diskutieren, werden wir die gemeinsame Innovationskraft im sozialpolitischen Feld nicht haben, die wir aber dringend brauchen, denn daß unser Sozialsystem in einer Krise ist, das bestreitet ja wohl niemand. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist in einer Krise, und zwar insofern, als die Ansprüche, die wir damit erfüllen wollen, nicht mehr einheitlich definiert sind und sich kein Mensch mehr auskennt. – Mein Kollege Barmüller hat das anläßlich der Budgetdebatte sehr klar hervorgehoben.

Es geht um einen menschenwürdigen Umbau des Sozialstaates, es geht um eine Umfinanzierung des Sozialstaates, es geht um eine Finanzierung des Sozialstaates weg von den Köpfen der unselbständig Erwerbstätigen hin zu anderen Finanzierungsmechanismen – in einem ande


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