Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 69

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Als Beispiel die Einkommenssituation der Männer und Frauen. Wir haben noch immer, Herr Kollege Donabauer, im Unterschied zu Ihrer positiven Darstellung auch im Jahre 1994 über 300 000 Personen, die für Vollzeitarbeit – also für 40 oder 38 Stunden Arbeit – unter 12 000 S brutto verdienen. Das ist ein Armutszeugnis für die Sozialpolitik und für die Einkommenspolitik in diesem Land! Das ist tatsächlich ein Armutszeugnis!

Vor zehn Jahren – ich kann gar nicht müde werden, das immer wieder zu sagen – sind Ihre Fraktionskollegen und die sozialdemokratischen Gewerkschafter in Vorarlberg zu ersten Mal übereingekommen, 10 000 S Mindestlohn zu verlangen – 10 000 S! Aber das war im Jahre 1985. Der Sozialbericht 1994 führt diese Kategorie derer, die unter 10 000 S liegen, gar nicht mehr, obwohl es im Jahre 1994 noch Berufsgruppen gegeben hat ... (Abg. Dr. Mertel: Wir sind bei 13 000! 13 000!)

Frau Kollegin Mertel! Es hat Berufsgruppen gegeben, allerdings nicht in Ihren öffentlichen Diensten natürlich, aber in der Privatwirtschaft hat es Berufsgruppen gegeben wie die Taxifahrer, wie die Angestellten im zahntechnischen Bereich, die unter 10 000 S brutto gelegen sind – unter 10 000 S brutto – 1994! Es ist doch einigermaßen deprimierend, daß wir uns noch immer mit dieser Realität auseinandersetzen müssen.

Herr Kollege Nürnberger! Es ist auch deprimierend für die Gewerkschaftspolitik. Ich weiß schon, die Metaller haben schon mehr als 10 000 S. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Ich weiß schon, diese sind drüber. Aber auch in diesem Bericht ist wieder die Zahl von 300 000 Personen angeführt, die unter 12 000 S brutto verdienen, und das sind ungefähr 10 000 S netto. Das ist deprimierend! Angesichts dessen kann man nicht sagen: Es ist eine sehr zufriedenstellende Lage, und wir haben ein sehr entwickeltes Sozialsystem! – Das kann man dann nicht mehr sagen!

Denn die Konsequenz, Herr Kollege Nürnberger, kennen Sie auch! Die Konsequenz daraus ist doch, daß diese Personen, wenn sie in die Arbeitslosigkeit gehen müssen, 4 000 S, 5 000 S Arbeitslosengeld bekommen. (Zwischenbemerkung der Abg. Hostasch. ) Damit bin ich beim Strukturanpassungsgesetz, Frau Kollegin Hostasch! Ich finde es einigermaßen absurd, daß wir diesen Sozialbericht diskutieren müssen, daß wir über Zahlen und Ziffern beispielsweise beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe diskutieren müssen, daß wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Arbeitslosengeld und die Notstandhilfe für die Frauen im Durchschnitt noch immer wesentlich geringer sind als für Männer, daß die Löhne und Einkommen der Frauen noch immer wesentlich geringer sind als die der Männer, daß die Pensionen der Frauen noch immer wesentlich geringer sind als die der Männer, daß aber dann, wenn es um das Strukturanpassungsgesetz 1996 geht, die Frauen eine Gruppe der Hauptbetroffenen sind.

Ich finde es absurd, daß wir einen Sozialbericht diskutieren, daß wir nicht den Verteilungsbericht diskutieren, obwohl in diesem Verteilungsbericht zum Beispiel steht, daß die Umverteilung im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Familienpolitik einigermaßen funktioniert. Was machen Sie mit Ihrem Strukturanpassungsgesetz, das wir vor wenigen Monaten beschlossen haben?

Genau in diesem Bereich werden Maßnahmen gesetzt, die die Schwächsten am meisten betreffen. Genau in diesem Bereich, in dem es wichtig wäre, die bestehende, tatsächlich funktionierende Umverteilung durch Sozialtransfers aufrechtzuerhalten, genau dort werden die Schwächsten bestraft; genau dort wird versucht, an jene mit dem geringsten Einkommen heranzukommen, um ihren Obolus zu verlangen, während diejenigen mit den höchsten Einkommen in dieser Republik nach wie vor – ich betone es, Herr Kollege Nürnberger: nach wie vor! – diejenigen sind – auch wenn Sie vielleicht nicht die Ergebnisse oder die Einschätzungen der Arbeiterkammer Oberösterreich oder der Tiroler Arbeiterkammer teilen –, die am wenigsten durch das Strukturanpassungsgesetz betroffen werden.

Das hat die Arbeiterkammer Tirol festgestellt, das hat die Arbeiterkammer Salzburg festgestellt, das hat die Arbeiterkammer Oberösterreich festgestellt. Vielleicht – ich weiß es nicht – hat die Arbeiterkammer Wien etwas anderes festgestellt; ich glaube nicht. (Abg. Hostasch: Das müßten Sie aber wissen, denn da sitzen Sie ja drinnen!) – Nein, ich sitze jetzt nicht mehr in der


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