Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 73

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sind, nichts mit der tatsächlichen Entwicklung zu tun. (Abg. Mag. Guggenberger: Nur sich selbst zitieren ist ein bißchen zu wenig! – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Kollege Guggenberger! Es muß gesagt werden. Ich sage es halt jetzt einmal, daß es tatsächlich so ist, daß diese Daten, die wir Jahr für Jahr im Arbeitsinspektionsbericht über die Entwicklung von Arbeitsunfällen serviert bekommen, von denen es heute geheißen hat, sie seien stark rückläufig in Österreich, falsch sind, schlicht und einfach falsch sind, und zwar in einem unvertretbaren Ausmaß falsch sind. Jetzt nenne ich dir die Zahlen, Kollege Guggenberger, ich habe sie nämlich verglichen mit jenen der Bundesrepublik.

In Österreich haben wir im Jahre 1960 168 000 Arbeitsunfälle gehabt, ich runde die Zahlen. Im Jahr 1994 haben wir 164 000 Arbeitsunfälle, also eine gleichbleibende Anzahl von Arbeitsunfällen. Die Realität in der Bundesrepublik: 1960 gab 2,5 Millionen Arbeitsunfälle, 1994, obwohl sich die Bundesrepublik in der Zwischenzeit um 20 Millionen Menschen vergrößert hat, 1 680 000. – Das ist ein Rückgang! Aber nicht von 168 000 auf 164 000! Wir haben in Österreich in einem Zeitraum von über 30 Jahren eine gleichbleibende Anzahl von Arbeitsunfällen, während die Bundesrepublik um über 25 Prozent reduzieren konnte. Ich sage, diese unterschiedliche Entwicklung ist kein Zufall. Wir spüren den Unterschied auf der anderen Seite bei der Zahl der Frühpensionierung, Kollege Guggenberger! Wir zahlen das dann auch mit unseren sozialen Sicherungssystem, daß wir jahrzehntelang nichts in die Prävention investiert haben, daß wir ein völlig unterentwickeltes, marodes System der Unfallvorsorge haben.

Ich vernehme mit Erstaunen, daß Kollege Donabauer sagt, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ist hauptsächlich für die Unfallprävention, für die Verhütung von Unfällen da. Im Gegenteil! Zum geringsten Teil – das weißt du, Kollege Guggenberger – wird in Österreich nicht nur in der Unfallversicherung, sondern allgemein in der Krankenversicherung Prävention betrieben. Die Unfallversicherung betreibt ... (Abg. Mag. Guggenberger: Trotzdem wird im Bereich der Unfallversicherung Vorbildliches geleistet!) – Nein, es wird nicht getan. Wir geben 3 Prozent im Bereich der Unfallversicherung für Unfallprävention aus. Weißt du, Kollege Guggenberger, wieviel die Berufsgenossenschaften, also die Unfallversicherungen in der Bundesrepublik ausgeben? – Zwischen 7 und 10 Prozent. Das ist kein Zufall, das merkt man dann an der Zahl der Arbeitsunfälle. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

Man muß darüber diskutieren, daß diese Realität keine gute ist, aber man muß ehrlich darüber diskutieren. Man kann nicht mit Hilfe von Zahlen, die sozusagen getrennt von der Arbeitsinspektion mit einer anderen Berechnungsgrundlage erhoben werden, so tun, als ob die Realität gut wäre. Das hat nichts mit einer seriösen Diskussion über die tatsächliche Entwicklung im Bereich des Arbeitnehmerschutzes und dem, was sich hier in Österreich tatsächlich nach wie vor an Dramen in den Betrieben abspielt, zu tun.

Wir haben es nicht mit einer sehr schönen Realität zu tun. Wir haben es nach wie vor mit der Tatsache zu tun, daß die Zahl der Frühpensionierungen wegen Invalidität in Österreich sehr hoch ist. Sie ist deswegen hoch, weil die entsprechenden Maßnahmen im vorbeugenden Bereich überall fehlen, weil über Jahrzehnte nichts geschehen ist. Wir bezahlen den Preis für dieses schlechte Gesundheitssystem in diesem Bereich natürlich mit steigenden und sehr hohen Kosten für Frühpensionierungen wegen Invalidität. Es macht aber wenig Sinn, so zu handeln. Es wäre sinnvoller, tatsächlich mehr gesunde Menschen in den Betrieben zu haben, mehr gesunde Menschen aber nicht nur in den Betrieben, sondern insgesamt im Gesundheitssystem. Aber dabei komme ich wieder zu einem Punkt, den wir später behandeln werden.

Ich meine, da sind einfach Defizite vorhanden, und es wäre die Aufgabe eines Arbeitsinspektionsberichtes – mehr als die des Sozialberichtes –, diese Defizite im Bereich Arbeitnehmerschutz sehr kritisch auszuleuchten. Ich sage kein Geheimnis, Herr Minister, aber die Situation betreffend das Arbeitnehmerschutzgesetz und das Arbeitnehmerschutzwesen in Österreich ist unbefriedigend. Wir haben ein Gesetz, das Sie mit Pauken und Trompeten verabschiedet und als großes Beispiel für den Arbeitnehmerschutz in Europa angepriesen haben: das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Dieses Gesetz ist ein Torso, ein absoluter Torso mit unzähligen Ermächtigungsverordnungen für Sie, Herr Minister, wovon kaum eine aus Ihrem


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