Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 98

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schaftsblöcken zu positionieren. Innerhalb Europas versucht Österreich, sich ebenfalls entsprechend zu positionieren.

Dazu kommt – auch das sollte man in einer sozialpolitischen Diskussion immer wieder sagen –, daß an sich der einmal erarbeitete Wohlstand eines Landes in der Wirtschaft täglich neu erarbeitet werden muß. Das heißt, wenn die Welt in Bewegung ist, wenn ein dynamischer Prozeß der Arbeitsplatzgestaltung weltweit gegeben ist, dann müssen wir auch in der Sozialpolitik flexibel sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte sagen, daß weltweit über die Frage der Arbeitsplätze – ich versuche, es auf den Punkt zu bringen – eigentlich nur drei Faktoren entscheiden, und zwar die Faktoren Qualität, Flexibilität und Kosten.

Qualität reicht von der Qualität der Arbeitskräfte, sprich Qualifikation, bis hin zur Qualität der Infrastruktur.

Flexibilität umfaßt den ganzen Bogen von der Flexibilität im Arbeitszeitrecht bis hin zur Flexibilität bei Behörden und bei Anlagengenehmigungen.

Kosten erfaßt alles, angefangen von Arbeitskosten, Lohnnebenkosten bis hin zu Umweltauflagen und daraus resultierenden Umweltkosten.

Meine Damen und Herren! Wenn es aber so ist, daß das die weltweiten Standortfaktoren sind – noch einmal: Qualität, Flexibilität und Kosten –, dann müssen diese drei Kriterien bei jeder sozialpolitischen Debatte mit einbezogen werden, und zwar insbesondere deshalb, weil – ich habe drei Beispiele genannt – die Qualität der Arbeitskräfte, die Flexibilität in der Sozialgesetzgebung und natürlich auch die Kosten der Sozial- und Arbeitsrechtsysteme maßgeblich beeinflussen, ob wir Arbeitsplätze haben, ob wir Betriebe und Unternehmer haben, die bereit sind, in diesem Land noch zu investieren.

Meine Damen und Herren! Das, was ich jetzt sage, klingt vielleicht ein bißchen überspitzt: Aber bei manchen sozialpolitischen Forderungen, die man auch heute noch gehört hat, müssen wir sehr achtgeben, daß wir nicht womöglich eines Tages auf dem Papier ein schönes Sozialsystem haben, aber in der Praxis keine Arbeitsplätze mehr! Daher hat für mich Arbeitsplatzsicherung absolute Priorität, auch aus sozialpolitischer Motivation heraus. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten auch in der Sozialpolitik – ich spreche das bewußt gerade in der jetzigen Debatte an, auch wenn wir heute im Rahmen einer dringlichen Anfrage noch über die Probleme der Krankenversicherung reden werden – den Mut zur Wahrheit haben und den Mut, auch Dinge auszusprechen, die jedem Einsichtigen zwar klar sind, bei denen in der politischen Debatte aber sehr oft gesagt wird: Das können wir nicht sagen, das ist schon wieder Sozialabbau, man darf den Leuten nichts wegnehmen! Was meine ich damit? Ich meine damit etwa die jetzige Diskussion über die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung – ein wesentliches Element der sozialen Sicherheit.

Ich behaupte hier und sage es völlig frei: Im Grunde haben wir in der längerfristigen Perspektive nur drei Optionen, und zwar deshalb, weil wir eine ungeheuer starke Leistungsexplosion in der Medizin haben. Fast täglich erleben wir neue spektakuläre Leistungen. Jeder von uns will natürlich, wenn er es braucht, einen Herzschrittmacher haben, eine künstliche Hüfte haben, eine Niere transplantiert bekommen oder eine Herzklappenoperation haben, meine Damen und Herren. Das ist eine unglaubliche Leistungsexplosion, und diese werden wir nur dann bewältigen, wenn wir ehrlich genug sind, zu sagen, daß es Aufgabe der Versichertengemeinschaft ist, die Großrisken abzudecken, und es nicht Sozialabbau ist, wenn man sagt, finanzielle Kleinrisken – ich sage jetzt einmal als Beispiel: in Höhe von 35 S, 40 S, 60 S – soll der einzelne selbst übernehmen. Ich frage zum Beispiel ganz simpel: Wenn uns ein Rezept derzeit eine Rezeptgebühr von 35 S wert ist, wer kann dann ernsthaft behaupten, daß der gleiche Betrag für den Arztbesuch unsozial ist?


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