Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 106

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Erlauben Sie mir, hier auch einen etwas waghalsigen Gedanken anzusprechen: Die Probleme unserer Zukunft werden nicht darin bestehen, ein noch kleineres Radio, ein noch besseres Handy oder gar eine Kaffeemaschine zu produzieren, die von sich aus erkennt, wann der Besitzer Lust auf Kaffee hat. Die Probleme, die wir in der Zukunft bewältigen müssen, sind sozialer Natur, beginnend zum Beispiel mit der Sicherung unseres Pensionssystems über die Bekämpfung der Suchtabhängigkeit von jungen Menschen, Verhinderung der Zweidrittelgesellschaft bis zu Erziehungsfragen unserer Kinder.

Kinder in ihr Leben zu begleiten gilt heute immer noch als Sache des Hausverstandes, und das Unvermögen, Konflikte partnerschaftlich auszutragen und vor allem das Wohl der Kinder nicht aus den Augen zu verlieren, wird in den wenigsten Fällen zum Anlaß genommen, fachmännische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die seelische Not ist groß, und es ist offensichtlich, daß die katastrophalen Auswirkungen von innerfamiliären Auseinandersetzungen, über die die Medien wöchentlich berichten, nur der Gipfel des Eisberges sind. Wir müssen es bewerkstelligen, daß Familie und Berufsleben vereinbar werden, daß die Kinder in konstanten und stabilen Verhältnissen heranwachsen können und das Zusammenleben von Mann und Frau partnerschaftlich gelingt.

Darüber hinaus muß unsere Aufmerksamkeit jenen Familien zuteil werden, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Eltern mit behinderten Kindern oder auch Alleinerzieherinnen. Die Zahl von Kindern aus geschiedenen Ehen steigt, und es ist für uns eine Herausforderung, für diese zukünftige Elterngeneration schon jetzt zu sorgen, ihre Nöte zu erkennen, um diesen Nöten wirksam begegnen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die dringendsten offenen Fragen, auf die wir Antworten finden müssen.

Aus Statistiken und Umfragen der letzten Zeit wissen wir, daß es heute ein sehnlicher Wunsch der meisten jungen Menschen ist, ein harmonisches Familienleben zu haben. Auf der anderen Seite konfrontieren uns die täglichen Berichte in den Medien, aber auch Erzählungen aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis und die Lebensgeschichte vieler Freunde damit, daß dieser Wunsch nur in den seltensten Fällen Wirklichkeit wird. Das ist erschreckend und läßt den Schluß zu, daß die private und die gesellschaftliche Realität nur mehr sehr schlecht in der Lage sind, Fähigkeiten für ein glückliches und zufriedenes Zusammenleben zwischen Mann und Frau zu vermitteln. Um dies zu untermalen, möchte ich hier einige Beispiele anführen.

Der Alltag einer Familie vollzieht sich heute im Spannungsfeld von Arbeit, Ausbildung, Versorgung, Wohnen, innerhäuslicher und außerhäuslicher Freizeit. Nicht immer sind die Familien in der Lage, die Spannungen auszubalancieren: Mütter beklagen zu Recht ihre zwei- und dreifache Belastung durch Haushalt, Beruf und Kindererziehung, die Väter sehen sich nicht in der Lage, am Familienleben teilzuhaben, und die Kinder finden sich nicht zurecht und können im engsten Familienkreis nicht mehr jene Vertrauensbasis aufbauen, die für ein gelungenes Erwachsenenleben unumgänglich ist.

Kinder, die aus erschöpften Familien stammen, weisen mitunter Verformungen der Persönlichkeitsentwicklung beziehungsweise psychosoziale Störungen auf.

Das Austragen von Konflikten macht vielen Familien ungeheuer große Probleme. Die Scheidung als Ausweg führt nicht selten dazu, daß den Partnern kaum noch eine vernünftige Austragung ihrer Konflikte gelingt. Dabei wird viel Porzellan zerschlagen, und die leichte Auswechselbarkeit des Partners trägt das Ihre dazu bei. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Kommunikationsmöglichkeiten und Streitkultur werden nicht gelehrt. In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf das kommen, was bereits meine Vorgängerin im Familienministerium begonnen hat und was ich dann in einem Drei-Stufen-Plan angelegt habe: die Elternschule, die nichts mit Schulbankdrücken zu tun hat, deren erste Stufe – Kommunikationstraining, Streitkultur, Persönlichkeitsentwicklung et cetera – das Hineinbegleiten in eine Partnerschaft ist.


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